Diese Buch ist tatsächlich als Nekrolog auf den ehemaligen Außenminister Joschka Fischer konzipiert, obwohl der Mann noch putzmunter ist. Trotz dieser Provokation im Titel ist der Inhalt ein ruhiger, analytischer Blick, der es schafft, die politischen Meilensteine in der Karriere Fischers zu einem aufschlussreichen Bild zusammenzusetzen, mit Hintergrundrecherchen.
Wie wurde der revolutionäre Sponti Fischer zur Stütze eines politischen Systems, gegen das er einst Revolution machen wollte? Der Autor erinnert an Fischers Werdegang vom Alt-68er zum Grünen Politiker, der das System schließlich nicht mehr ablehnt und in der real existierenden Gesellschaftsordnung nicht nur aufgeht, sondern in ihr aufsteigt. Mit einer spürbaren Verbitterung stellt Autor Gerd Schumann die Frage, ob es für diesen Aufstieg nötig war, die Ideale von einst über Bord zu werfen. Gemeint sind zum Beispiel die Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und einer gerechteren Verteilung – Ideen der Studentenbewegung, die auch für die Grünen einst eine fundamentale Rolle spielten.
Natürlich gilt dieses Dilemma nicht nur für Fischer allein, merkt Schumann an, sondern auch für viele seiner Weggefährten, für ehemalige Maoisten wie Antje Vollmer oder Winfried Kretschmann, deren Kaderschulung ihnen half, sich bei den Grünen nach oben zu boxen. Wobei sich mancher Alt-Genosse heute vielleicht fragt, wo Ministerpräsident Kretschmanns Kampfgeist geblieben ist und das nicht nur, wenn er am Verhandlungstisch mit den Stuttgarter Autogiganten kungelt.
Einerseits ist das Buch eine lehrreiche Lektüre gegen Geschichtsvergessenheit und kommt noch rechtzeitig zur Bundestagswahl, bei der eine Grüne Partei antritt, mit klarem Machtanspruch und Kanzlerinnen-Ambition. Andererseits kommt die treffende Analyse des Wirkens von Fischer vielleicht zehn Jahre zu spät. Für jeden, der die Nachwirkungen der Ära Schröder/Fischer auf das Deutschland von heute verstehen will, ist dieses Buch trotzdem ein guter Griff.