Mittlerweile sind auch Nutzfahrzeuge mit Elektroantrieb erhältlich. Doch das Angebot täuscht: Viele Hersteller kooperieren – und bieten die gleichen Fahrzeuge unter verschiedenen Namen an.
Zack, zack, zack. Ein Umzugskarton nach dem anderen wandert in den silbernen Peugeot e-Expert. Schon nach einer knappen Viertelstunde ist der Keller leer und der Laderaum des elektrischen Kleintransporters gefüllt. Ein Rollkoffer zum Abschluss, daneben eine Packung Waschpulver und obendrauf noch eine Matratze. Das war der leichte Teil.
Die größere Herausforderung: die Fahrt selbst. Knapp 700 Kilometer sind es vom nordrhein-westfälischen Solingen bis zur Insel Rügen. Schon mit einem Verbrenner ist eine solche Fahrt anstrengend. Aber kann sie auch mit einem Stromer gelingen? Oder dauert sie dank zahlreicher Ladestopps ewig? Um das herauszufinden, stellen wir zwei Kleintransporter auf exakt derselben Strecke gegenüber. Schließlich sind Lieferanten, Malermeisterinnen oder Umzugshelfer längst nicht mehr auf schmutzige Diesel angewiesen, um ihre Geschäfte zu erledigen. Viele Hersteller haben ihre Nutzfahrzeug-Flotte elektrifiziert, wenngleich die Reichweiten aktuell noch zu wünschen übrig lassen. Unser erstes Testfahrzeug, der Peugeot e-Expert, kommt gerade einmal 316 Kilometer weit. Auf dem Papier. Die realistische Reichweite dürfte bei einer Autobahn-Fahrt noch einmal deutlich darunter liegen.
Wir starten mit etwa 80 Prozent. Den genauen Akkustand muss man leider erahnen, da das Display des Elektro-Transporters noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen ist. Stattdessen zeigt eine „Tanknadel" den Füllstand der Batterien an. Immerhin gibt es eine Reichweiten-Prognose, in diesem Fall: 250 Kilometer. Doch so ganz trauen wir der Anzeige nicht, zumal wir das Auto noch nicht kennen.
Nach 160 Kilometern legen wir deshalb den ersten Zwischenstopp an der Raststätte Tecklenburger Land Ost ein. Sicher ist sicher.
An der Ladesäule folgt eine positive Überraschung: Der Akku ist noch zu einem Fünftel voll. Der Bordcomputer hatte zuvor nur noch eine Rest-Reichweite von 20 Kilometern angegeben. Seltsam. Eine weitere Überraschung besteht darin, überhaupt eine Stromquelle zu ergattern: Zwei Ladesäulen, die in der Handy-App verzeichnet sind, existieren auf der Raststätte nämlich gar nicht. Eine weitere ist defekt. Am Ende funktioniert eine immerhin doch – wenngleich schon bald ein ungeduldiger E-Golf-Fahrer neben uns wartet…
Navi-Grafik scheint aus der Zeit gefallen
Nach 43 Minuten geht es weiter, Akkustand laut Ladesäule: 90 Prozent. Nur gut, dass ich einen Beifahrer dabeihabe, denn das Ausparken gestaltet sich ausgesprochen schwierig. Da zwischen Fahrer- und Laderaum eine Trennwand liegt, sieht man nichts im Rückspiegel. Auch eine Rückfahrkamera ist im Testfahrzeug nicht verbaut (man kann sie für 600 Euro Aufpreis bestellen). Wenigstens gibt es Sensoren. Und einen vorsichtigen Beifahrer, der beim Ausparken aussteigt.
Im Laufe der Fahrt zeigen sich die Vorzüge des elektrischen Reisens: Der e-Expert gleitet ruhig und leise über die Autobahn. Im Öko-Modus verbraucht er weniger und gewinnt Energie beim Bremsen zurück, durch Rekuperation. So ist der 75-kWh-Akku beim zweiten Stopp nach 200 Kilometern immer noch zu einem Viertel voll. Wir nutzen die Pause für einen Abstecher zu einem Fast-Food-Restaurant und fahren nach einer halben Stunde weiter. In diesem Fall fällt die Ladepause gar nicht auf, denn etwas zum Essen hätten wir uns mittags sowieso geholt.
In der Mitte des Armaturenbretts ist ein Navi verbaut, dessen Grafik ein wenig aus der Zeit gefallen wirkt: wie ein Computerspiel aus den 1990er-Jahren. Doch wir wollen ja keinen Design-Preis gewinnen, sondern am Ziel ankommen. Diese Aufgabe erfüllt das Gerät. Die Routenplanung samt Ladestopps leider nicht – wir müssen unsere Zwischenstopps vorab über das Internet planen.
Überraschend träge fällt die Verkehrszeichen-Erkennung auf der Autobahn aus. Beim letzten Abschnitt auf der A 20 zeigt der Bordcomputer minutenlang ein Tempolimit von 80 km/h an, obwohl die Baustellen-Beschränkung längst aufgehoben wurde.
Nach einem dritten und letzten Ladestopp erreichen wir um 19 Uhr Rügen. Knapp zwölf Stunden hat die Fahrt gedauert, wovon wir allerdings auch zwei im Stau verbringen mussten. Ebenso viel Zeit ging fürs Laden drauf – „Ladeweile", wie es im Stromer-Jargon heißt. Wirklich schlimm fühlt es sich nicht an, im Gegenteil: Dank der Stopps waren wir gezwungen, regelmäßig Pause zu machen. Ob das ein Handwerker, der einen dringenden Termin hat, aber genauso sieht, darf bezweifelt werden.
Zwei Wochen später. Der nächste Transporter, der Toyota Proace Electric, steht zum Testen bereit. Gleiche Strecke, ähnliche Beladung. Einziges Problem: Es handelt sich nicht um einen richtigen Transporter. Wegen einer Verwechslung hat Toyota die Van-Variante „Verso" zur Verfügung gestellt. Maße und Eigenschaften sind gleich, doch statt eines Laderaums befinden sich Fenster und Sitzbänke im hinteren Bereich. Zum Glück sind die Mitarbeiter im Kölner Toyota-Werk flexibel: Mit wenigen Handgriffen bauen sie die Sitze aus – und aus dem Van wird ein Transporter.
Hinterm Steuer folgt die zweite Überraschung: Innen sieht der Toyota dem Peugeot zum Verwechseln ähnlich, inklusive „Tanknadel". Auch Akku und Reichweite stimmen überein. Ein Zufall? Wohl kaum, wie ein Anruf bei Toyota bestätigt. „Im Nutzfahrzeug-Bereich ist es üblich, dass Hersteller zusammenarbeiten", verrät der Pressesprecher. Folglich handelt es sich bei Peugeot e-Expert, Opel Vivaro-e, Citroën Jumpy und dem besagten Toyota Proace tatsächlich um das gleiche Fahrzeug.
„Unterschiede gibt es vor allem beim Preis und bei den Garantie-Bedingungen", erklärt der Toyota-Sprecher. Und räumt ein: „Da gleicht sich am Ende vieles aus. Anders als im Pkw-Bereich spielt die Marke bei Nutzfahrzeugen keine so große Rolle."
Die Preise schwanken dann allerdings doch ein wenig: So kostet die günstigste Variante mit 50-kWh-Akku zwischen 34.690 Euro (Peugeot) und 41.948 Euro (Toyota). Rein optisch stehen die E-Busse ihren Verbrenner-Pendants in nichts nach, denn sie werden auf der gleichen Plattform gebaut. Sogar einen Tankdeckel gibt es in der Elektroversion – ihn zu entfernen, war den Herstellern offenbar zu aufwendig.
Der Knackpunkt bleibt am Ende die Reichweite
Es verwundert also nicht, dass die Fahrt nach Rügen im Toyota nicht anders verläuft als im Peugeot. Wir steuern dieselben Raststätten an und benötigen ähnliche Ladezeiten. Dass wir am Ende zwei Stunden früher ankommen, liegt am fehlenden Stau. Ansonsten haben wir es mit zwei soliden Transportern zu tun, die ihren Dienst zuverlässig verrichtet haben – bis hin zur umklappbaren Front-Sitzbank im Peugeot, unter der sich das Ladekabel befindet.
Am Ende bleibt die Reichweite der Knackpunkt. Der Klassiker unter den Transportern, der Mercedes Sprinter, kommt in seiner größten E-Version gerade einmal 168 Kilometer weit – wohl gemerkt, auf dem Papier. Um Brötchen oder Post auszuliefern, dürfte das reichen. Für Baustellen-Fahrten quer durch Europa ist aber der Diesel immer noch die bessere Wahl. Leider. Denn auch der Verbrauch war bei unseren beiden Testfahrzeugen recht hoch. Für die gefahrenen 1.400 Kilometer waren jeweils um die 160 Euro Stromkosten fällig – Preise wie bei einem Verbrenner.
Aber vielleicht kommt man schon bald weiter. Noch dieses Jahr will Ford einen neuen e-Transit auf den Markt bringen, Normreichweite: 350 Kilometer. Opel und Peugeot statten ihre Nutzfahrzeuge sogar mit einem ganz anderen Antrieb aus: Sowohl den Vivaro als auch den e-Expert gibt es demnächst mit Brennstoffzellen-Antrieb. Beide sollen die 400-Kilometer-Marke knacken.