Ob Mercedes, Jeep oder VW: Bekannte Marken widmen sich den Pedelecs. Was ist von den Elektrorädern der Autohersteller zu erwarten? Vom Auf und Ab einer wechselhaften Beziehung.
E-Bikes verkaufen sich wie warme Semmeln, und im allgemeinen Boom lässt sich ein weiterer Trend beobachten: Die Autohersteller nehmen einen neuen Anlauf, ihr Portfolio mit Elektrofahrrädern zu bereichern. „Das nimmt aktuell wieder an Fahrt auf", sagt Dirk Zedler, der als Leiter des Fahrrad-Prüfinstitut Zedler in Ludwigsburg gute Verbindungen in die Industrie hat und sich jetzt schon mit E-Bikes und Fahrrädern befasst, die erst Ende kommenden Jahres auf den Markt kommen.
High-End-Produkt kostet einiges
Zuletzt machte Porsche auf sich aufmerksam. Der Sportwagenhersteller hat sich mit Rotwild zusammengetan, einem Spezialisten für sportliche E-Bikes im hessischen Dieburg. Dort werden seit diesem Frühjahr zwei Porsche-Modelle gefertigt. Das Design stammt von Porsche, das technische Know-how federführend von Rotwild. Es sind High-End-Produkte zu erwartbar hohen Preisen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Porsche sich der Radwelt nähert, man kooperierte schon mit Fahrradmarken wie Storck und Votec. Und dass die beiden Branchen ganz allgemein anbandeln: Auch das ist nicht neu. „Das mit den Autorädern ist eine sehr lange Geschichte", sagt Zedler. „Schon zu Zeiten des Mountainbike-Booms in den 1990er-Jahren hatte fast jeder Autohersteller MTBs am Start." Und es sei eine wechselhafte Geschichte mit vielen Anläufen.
Typischerweise wurden Fahrräder bei den Autoherstellern unter der Verkaufssparte „Accessoires" einsortiert – mit entsprechend nachrangiger Wertschätzung. Zedler hat die Erfahrung gemacht, dass die meist nur umgelabelten Bikes nicht selten als „Naturalrabatt" wie die klassische Fußmatte an den Autokäufer weitergegeben wurden – wenn das gekaufte Automodell nur teuer genug war. Meist seien die halbherzigen Fahrradprojekte mangels Erfolg wieder eingeschlafen.
Das 2012 gestartete Smart E-Bike etwa war zur Markteinführung mit seinen E-Komponenten vom kanadischen Zulieferer BionX schon technisch veraltet, sagt Zedler. Man hatte sich bei der Entwicklung zu lange Zeit gelassen. Audi kooperierte mit Winora und BH Bikes. Auch Alfa Romeo, Maserati, Lamborghini, Ford, Skoda, VW oder Toyota ließen schon ihr Markenlogo auf Fahrrädern und E-Bikes anbringen. Oft blieb es bei Messestudien. General Motors gründete mit Ariv sogar eine eigene E-Bike-Marke, die jedoch 2020 als Opfer der Corona-Krise ein Jahr nach dem Launch eingestellt wurde.
Auf und Ab liegt an Preispolitik
In die Shops hat es aktuell ein Design-E-Bike von Pininfarina geschafft, doch wird das E-Voluzione derzeit bereits mit Rabatten versehen – kein Einzelfall. Eine Sonderposition nimmt Peugeot ein. Der französische Hersteller bietet seit Jahr und Tag auch Fahrräder an und präsentierte zum Sommer 2020 ein ganze Palette neuer Elektroräder – vom E-Mountainbike bis zum E-Trekkingrad. Entworfen werden die Fahrräder im Peugeot Design Lab, produziert bei Cycleurope im französischen Romilly-sur-Seine. Noch verfügbar sind E-Bikes von BMW mit starkem Mittelmotor vom deutschen Autozulieferer Brose. Die Münchener hatten seit Markteinführung des E-Autos i3 E-Bikes im Programm, lassen ihr E-Bike-Programm derzeit aber auslaufen.
Das Auf und Ab mit den Bikes der Automarken erklärt Experte Zedler zum Teil mit der Preispolitik. E-Bikes mit BMW- oder Audi-Logo seien aufgrund großzügig kalkulierter Handelsmargen oft vergleichsweise teuer: „Beim Pedelec aus dem Fahrradfachhandel kriege ich erfahrungsgemäß mehr E-Bike fürs Geld." Würden Modelle preislich attraktiv angeboten, müsse mit weniger haltbareren Komponenten gerechnet werden. Bei Nabenmotoren aus China könne es vorkommen, dass diese schlecht abgestimmt oder unausgereift seien.
Eine andere Herausforderung ist die Wartung, denn Autohändler bieten bislang kaum adäquaten Fahrrad-Service, der gerade bei E-Bikes aufgrund der vielen Elektronikbauteile wichtig ist. Peugeot verzichtet derzeit auf die Vermarktung in Deutschland – weil hierzulande kein Vertriebs- und Servicenetz existiert, sagt eine Sprecherin von Peugeot Deutschland. Gleichwohl können auch deutsche Kunden im französischen Webshop bestellen.
Der spezielle Boom bei den E-Lastenrädern könnte indes ganz neue Geschäftsfelder eröffnen. Die Wachstumszahlen von Cargo-Pedelecs seien derart hoch, dass Service und Wartung zwar oft nicht gewährleistet werden könnten, sagt Frederic Rudolph, Fahrradmarkt-Experte beim gemeinnützigen Wuppertal Institut, fügt aber an: „Eigentlich spricht das umso mehr für das Einsteigen der großen Automobilkonzerne, denn vor allem die kleinen Fahrradfirmen benötigen Geld." Dass das Cargo-Pedelec Start-up Ono derzeit mit Porsche Consulting an einem Konzept für die letzte Meile arbeite, zeige, dass man sich am Markt „abtastet".
VW will nun mit einem neuen E-Cargo-Bike ebenfalls vieles besser machen: In Hannover haben die Ingenieure von Volkswagen Nutzfahrzeuge ein E-Cargobike entwickelt, für das es nicht nur ein Service- und Wartungsangebot geben wird, so ein Sprecher. Auch beim Preis werde man sich „am Markt orientieren". Es bleibt abzuwarten, mit welchen Angeboten andere Automarken um die Ecke surren.