Deutschlands bester Basketballer Dennis Schröder hat einen Vertrag abgelehnt, der ihm 84 Millionen garantierte. Er empfand ihn als „nicht fair". Jetzt muss er für einen Bruchteil dieser Summe spielen. Wie konnte das passieren?
Dennis Schröder ist seit dem Abschied von Dirk Nowitzki der beste deutsche Basketballer. Der Aufstieg des mittlerweile 27-Jährigen endete in diesem Jahr aber unerwartet – vor allem finanziell. Daran ist in Schröders Fall aber nur eine Person schuld: er selbst. Die NBA-Legende Shaquille O’Neal formulierte dazu recht passend: „Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht?".
Denn als das Video mit seiner Vorstellung bei den Boston Celtics online ging und seine emotionale Achterbahnfahrt nun endlich ein Ende hatte, hing trotzdem ein großer Schatten über dem vergangenen Sommer. Irgendwie passte die Szenerie aus dem Video dazu. Es ist Nacht in einem kalten Ambiente aus Beton und Graffiti. Schröder trägt Mütze und fährt mit seinem Skateboard gekonnt durch die Bildmontage. Den ein oder anderen Kickflip sowie riskante Sprünge zeigt er auch – ungewollt eine kleine Analogie zum vergangenen Sommer. Als er das kurze Video hochlud, wurde ihm etwas zuteil, was in den vergangenen Monaten eher selten der Fall war: Sympathie. Fast 85.000 Menschen drückten auf das in sozialen Medien übliche „Gefällt mir". Damit war diese Posse um seinen Vertrag endlich beendet – der Wechsel zu den Boston Celtics stand fest. Jedenfalls schrieb Schröder in seiner Instagram-Story, er sei „stolz" und es werde „eine Ehre sein, das Grün-Weiße anzuziehen und zu tun was ich liebe". Den Angaben nach einigte er sich auf einen Vertrag für die kommende Saison, eine offizielle Bestätigung durch die Celtics stand zu diesem Zeitpunkt noch aus.
Eigenen Marktwert erheblich überschätzt
Dass er seinen Wechsel mit einem Skateboard-Video publik machte, passte zu Schröder. Denn aus seiner Liebe zum Skaten hat Schröder nie ein Geheimnis gemacht. Als das amerikanische Fachmagazin „Slam" vor zwei Jahren Klay Thompson von den Golden State Warriors zitierte, der behauptete, er sei „wahrscheinlich der beste NBA-Spieler auf Skateboards", stellte Schröder gleich mehrere Videos von sich ins Netz. Verbunden mit der provokativen Bitte an den Meisterspieler zu zeigen, was er draufhat. Am besten bei einem gemeinsamen Treffen. Offensichtlich hatte Schröder ignoriert, was Thompson im selben Atemzug gesagt hatte: „Ich bin vertraglich dazu verpflichtet, nicht mehr zu skaten." In Thompsons Fall war es clever, sich an diese Auflage zu halten, denn wenig später verlängerte er bei den Golden State Warriors um fünf Jahre für 189 Millionen Dollar. Damit hatte er wirtschaftlich keine Probleme, als er sich zuerst das Kreuzband riss und dann durch eine Achillessehnenruptur erneut ausfiel. Von einer Absicherung in solchen Dimensionen kann Schröder derzeit nur träumen. Denn hier beginnt eine Zockerei, die deutlich nach hinten losging. Er war bis zuletzt vertragslos, nachdem er vor einigen Monaten ein Angebot der Los Angeles Lakers abgelehnt hatte, mit dem ihn die Franchise für mehrere Jahre an sich binden wollte.
Die Lakers boten ihm 84 Millionen garantierte Dollar – diese Offerte war dem Braunschweiger zu niedrig. Schröder, der in der NBA für die Atlanta Hawks, die Oklahoma City Thunder und die Lakers gespielt hat, glaubte, er könne auf dem Spielermarkt deutlich mehr für sich herauskitzeln. „Das ist einfach mal eine Sache, das will ich mal fühlen, das will ich mal erfahren, wie es ist", sagte er im Frühjahr gegenüber deutschen Journalisten. Mittlerweile hat er genau diese Erfahrung gemacht – und hätte wohl lieber darauf verzichtet. Nach dem frühen Ausscheiden der Lakers in den Play-offs Anfang Juni, wo Schröder mit seinen Leistungen durchaus einen Anteil daran hatte, verlor nicht nur sein aktuelles Team das Interesse an ihm. Alle weiteren Klubs, die ebenfalls eine vakante Spielmacherposition hatten, schienen nach seinen Auftritten in den Play-offs nicht mehr interessiert an ihm zu sein. Den Spott in den sozialen Medien hatte Schröder danach sicher, höhnische Stimmen gehörten für ihn auf diesen Plattformen zur Tagesordnung. Denn während Schröder zu Hause bangen musste, konnten andere Basketballprofis beim olympischen Turnier in Tokio Werbung in eigener Sache machen. Schröder, der bei der verpatzten Weltmeisterschaft 2019 in China den Leitwolf einer schwachen deutschen Mannschaft gemimt hatte, konnte das nicht. Den Deutschen Basketball Bund hat Schröder zudem vor eine unlösbare Aufgabe gestellt: Die Verantwortlichen des Verbandes sollten eine Versicherung finden und natürlich bezahlen, die eine Phantom-Gehaltssumme von mehr als 100 Millionen Dollar eines nicht existierenden Beschäftigungsvertrags abdeckt, für den Fall, dass sich der Spieler im Nationaltrikot karrieregefährdend verletzt.
Lakers Ausscheiden als einer der Gründe
Als Anfang August das sogenannte Transferfenster aufging, zeigte die NBA ein erbarmungsloses Gesicht und ganz deutlich, was sie für Spieler bereithält, die sich ordentlich verzocken: den freien Fall. Vor allem, wenn sie solche immensen Forderungen stellen wie Schröder. Die 17,5 Millionen Dollar pro Jahr waren dem Deutschen zu wenig, dieses Jahr sollte deutlich mehr auf dem Gehaltszettel stehen. Doch das war nicht alles. Zudem sollte eine Führungsrolle innerhalb der Mannschaft garantiert sein, die möglichst um die Meisterschaft spielen sollte.
Noch vor ein paar Wochen gab es sicherlich Clubs mit tiefen Taschen, die diese Forderungen wohl auch mitgemacht hätten. So wurde Schröder mit den Chicago Bulls und den New York Knicks in Verbindung gebracht – doch mittlerweile hatten die ihren Kader ohne den Deutschen fertiggestellt. Was Schröder blieb, waren dann allenfalls Kompromisse als Lückenbüßer. Wie jetzt bei den Boston Celtics, wo er für ein Jahr und ein Gehalt deutlich unter seinen Erwartungen unterschrieben hat. Schröder sei „einer der besten verfügbaren Spieler auf dem Markt" gewesen, teilten die Celtics mit: „Er soll eine wichtige Rolle als Scorer und Spielmacher im Celtics-Team einnehmen, das einen Spieler mit solcher Erfahrung und solchen Fähigkeiten braucht."
Nun muss er sich bei den Celtics beweisen
Für einen Normalverdiener ist es kaum nachvollziehbar, dass 21 Millionen im Jahr als zu wenig angesehen werden können – doch Schröder hatte sich einen Vertrag in den Kopf gesetzt, an dessen Ende er jenseits der 100 Millionen verdient hat. Wie stehen die Chancen, dass es im kommenden Jahr damit funktioniert? Der Plan scheint klar zu sein. Bei den Celtics will der Deutsche sich wieder beweisen, seine schlechte Leistung aus den Play-offs vergessen machen und die Schmach des vergangenen Sommers abstreifen. Die Konkurrenz in der kommenden Free Agency hat es aber in sich. Die Liste der Guards, die 2022 Free Agent werden, liest sich wie das Who is Who der NBA. Russell Westbrook, Kyrie Irving, James Harden, John Wall, Bradley Beal. Was alle diese Spieler eint: Sie haben eine Player-Option, können also bei ihrem bisherigen Team bleiben, wenn sie die Option ziehen. Westbrook dürfte bei den Lakers bleiben, sollte nichts Außergewöhnliches passieren. Irving und Harden verhandeln Berichten zufolge ohnehin bereits mit den Nets über eine Vertragsverlängerung. Daneben laufen unter anderem auch die Verträge von Terry Rozier, Goran Dragic, Ricky Rubio, Victor Oladipo, Marcus Smart, LaMelo Ball und Zach LaVine 2022 aus. Für Dennis Schröder also reichlich Konkurrenz. Natürlich spielen viele unterschiedliche Variablen mit hinein, dennoch stehen die Chancen eher schlecht. Vor allem nicht bei einer Top-Franchise. Bislang konnte er noch nicht überzeugend darstellen, dass er sich als Starting Point Guard für einen Titelfavoriten eignet. Bei den schwächer eingeschätzten Teams sind seine Chancen auf einen hoch dotierten Vertrag deshalb deutlich besser. Die Möglichkeit eines gut dotierten Vertrages bietet sich Schröder 2022 bestimmt, vor allem, wenn er sich im Celtics-Trikot stark präsentieren kann. Für den Deutschen wird es nur darauf ankommen, im richtigen Moment zu unterschreiben, nicht dass erneut eine astronomische Verlust-Summe die Runde macht. Er wird aus seinem Fehler diesen Sommer hoffentlich gelernt haben.