Zweiter Profikampf, zweiter Sieg? Boxer Yannik Gödicke aus Göttelborn strotzt vor Ehrgeiz und will schnellstmöglich um die Deutsche Meisterschaft im Supermittelgewicht boxen. Dabei helfen soll ihm ein für Boxer eher untypisches Hobby: Cheerleading.
Die Aussage ist klar: „Ich stehe voll im Saft, bin voll im Training", betont Yannik Gödicke. Der 23-Jährige aus Göttelborn kann seinen zweiten Profikampf als Boxer kaum noch erwarten. Den ersten hatte er im September 2020 gegen Michael Klempert gewonnen. Seit Mitte Juli bereitet er sich darauf vor, am 18. September findet er im Rahmen der zweiten „Fightnight" in der Saarbrücker Scharnhorsthalle statt. Seinen Gegner kennt Gödicke noch nicht. Das ist ihm aber auch egal: „Eigentlich sollte ich gegen einen Russen aus Ludwigshafen boxen, aber das ist wohl noch etwas unsicher. Ich mache mir darüber aber keine Gedanken. Egal, wer es sein wird, ich werde mein Ding durchziehen und ihm meinen Stil aufdrücken", sagt der Supermittelgewichtler selbstbewusst.
„Ich werde mein Ding durchziehen"
„Sein Ding", das ist ein vor allem auf Schnelligkeit und Schlagkraft ausgelegter Boxstil und damit das Gegenteil von seinem sieben Jahr älteren Bruder Marc. Zu dem groß gewachsenen, technisch beschlagenen mehrfachen Saarlandmeister schaute Yannik lange auf, mittlerweile hat er seine aktive Karriere beendet. „Ich bin zwar im Vergleich zu ihm ein Zwerg, aber besser als er", stänkert der Jüngere lachend. Der Boxsport liegt den Gödickes jedenfalls in den Genen. Angefangen bei Vater Stefan, der vor knapp 40 Jahren damit angefangen hat. Zusammen mit Uwe Lorch, einst Deutscher Meister im Cruisergewicht, im Alter von 16 Jahren. „Wie Alex bin ich quasi am Boxring aufgewachsen", sagt Yannik Gödicke und meint seinen Kumpel, Uwe Lorchs Sohn Alexander Lorch, der am 18. September im Hauptkampf um einen internationalen Titel kämpfen wird und mit dem er zusammen trainiert. Einem klassischen Boxstall gehört Yannik Gödicke nicht an, aber seit rund 13 Jahren dem ASC Dudweiler und seit seinem Wechsel in den Profibereich nach 28 Amateurkämpfen (14 Siege, zwei Unentschieden, zwölf Niederlagen) auch dem Bund deutscher Berufsboxer (BDB).
„Mir wurde das Boxen eigentlich schon in die Wiege gelegt", sagt Gödicke und verweist auf seinen Vater Stefan, der seinen Sohn von Beginn an selbst trainierte. „Heute bin ich so etwas wie der Trainer meines Vaters. Die Rollen haben sich quasi getauscht", verrät Gödicke junior. Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich ausgerechnet ebenfalls am 18. September. Dann steht nämlich auch der inzwischen 55 Jahre alte Stefan Gödicke in einem Cruisergewichts-Kampf im Ring und wird von seinem Sohn gecoacht. Vater und Sohn standen sich auch schon des Öfteren selbst direkt gegenüber. „Wir haben schon zig Sparringsrunden hinter uns", berichtet Yannik, „Das war für uns immer nur reiner Sport. Ob man verwandt oder verschwägert ist, spielt im Ring keine Rolle." Wohl aber, wer letztlich der Stärkere von beiden ist: „Gute Frage. Ich würde sagen: ich", findet Yannik auch hier und lacht.
Zwar liegt aufgrund des Wegfalls von Boxveranstaltungen in der Corona-Pandemie sportlich gesehen ein verlorenes Jahr hinter Yannik Gödicke, aber trotz der Widrigkeiten durch die Einschränkungen blieb er fleißig. Zusammen mit seinem Kumpel Alex Lorch traf sich Gödicke immer wieder im Freien, um beispielsweise auf einem Fußballplatz in Dudweiler zu trainieren. „Dafür haben wir zum Beispiel Schlagbälle an ein Fußballtor gehängt und eben dort geboxt – es finden sich halt immer Mittel und Wege", sagt er und betont: „Wir haben einfach zusammengehalten und uns gegenseitig ausgeholfen. Nur so konnten wir trotz geschlossener Hallen durchgängig trainieren. Egal wo und egal bei welchem Wetter. Hauptsache raus und Gas geben." Das muss der gelernte Kfz-Mechaniker auch auf der Arbeit. Im Moment arbeitet er trotz Boxkarriere in Vollzeit und will sich sogar zum Meister ausbilden lassen. „Für das, was einem wichtig ist, nimmt man sich halt die Zeit", sagt er mit Blick auf seine Boxkarriere. Derzeit arbeitet er jeden Tag bis 18 Uhr, danach geht es zum Training. Montags und freitags steht Krafttraining im Rapid Sportzentrum in Saarbrücken auf dem Programm, an den anderen Tagen Boxtraining – nur samstags gönnt er sich eine Pause. In der Vorbereitung trainiert er sogar bis zu siebenmal pro Woche. „Man gewöhnt sich dran", sagt er.
„Ich will mich da reinarbeiten"
Seit etwa einem Jahr nimmt ein neues Hobby zusätzlich Raum in Anspruch: Cheerleading. „Dass das mit dem Boxen so gar nicht zusammenpasst, höre ich oft. Ehrlich gesagt dachte ich auch erst, dass man da nur mit diesen Puscheln wedelt", sagt Gödicke lachend, ergänzt aber direkt: „Das ist totaler Quatsch. Wenn man sich mit dem Thema mal länger beschäftigt, stellt man fest, wie gut das zusammenpasst. Es ist genauso ein Kraft-Ausdauer-Sport wie das Boxen und fördert vor allem die Schnellkraft in Armen und Beinen." Über einen Freund, der Ringer ist, kam er zu einem Training bei den Green Bulls Saarbrücken. Er war sofort angefixt und trainiert seither regelmäßig zweimal pro Woche, vor Wettkämpfen oder Sonderbuchungen sogar bis zu fünfmal. „Ob ich jetzt Gewichte oder eine Frau in die Luft stoße – für beides brauche ich Kraft, Kondition und Koordination", weiß Gödicke, der als „Base" beim Cheerleading für die unfallfreie Durchführung der Hebefiguren zuständig ist. Die Verlautbarung von Vorurteilen ließen im sehr männlich geprägten Boxumfeld nicht lange auf sich warten: „Erst mal ist jeder komplett sprachlos, wenn er davon hört. Aber sobald sie sehen, was man dabei macht und wie anstrengend das Ganze ist, dann verstehen sie schnell, was es bedeutet", berichtet Gödicke, der den Erkenntnisgewinn gern mit Demonstrationen beschleunigt: „Dann haue ich aus dem Stand mal einen Rückwärtssalto raus. Das kommt dann schon cool." Über akrobatische Kunststücke hinaus lernt Yannik Gödicke im Cheerleading weitere Aspekte, die es im Boxen so nicht gibt – zum Beispiel den Teamgedanken: „Beim Boxen gewinnt man alleine, und man verliert alleine. Das geht im Cheerleading nicht, hier ist der soziale Kontakt sehr wichtig. Als Team zu gewinnen und zu verlieren, ist das krasse Gegenteil", erklärt er und gibt zu: „Daran muss ich mich erst noch gewöhnen. Eigentlich mag ich am Boxen, dass man keinem die Schuld geben kann außer sich selbst. Aber ich will mich da reinarbeiten, weil mich diese Sportart einfach interessiert."
Das galt und gilt auch für den Boxsport. Aus Interesse wurde Ehrgeiz, aus Talent Erfolg. Beides treibt ihn immer weiter an. Mit jedem Sieg in einem Aufbaukampf kommt Yannik Gödicke seinem ersten Ziel als Profi immer näher: einem Kampf um die Deutsche Meisterschaft. Dass er diesen dann gewinnen wird, scheint Yannik Gödicke schon jetzt klar zu sein: „Wenn ich mir etwas vornehme, dann mache ich so lange weiter, bis ich es erreicht habe", sagt er.