Die Band Toto kommt bis heute auf 40 Millionen verkaufter Tonträger. Der neue Konzertmitschnitt „With A Little Help From My Friends" fängt eine Nacht im Herbst 2020 ein, als Steve Lukather, Joseph Williams und David Paich für ein globales Streaming-Event auftraten. Der Songschreiber und Leadgitarrist über seine Freundschaft zu den Beatles und vieles mehr.
Mr. Lukather, Sie haben ja aufgrund der Pandemie viel Zeit. Machen Sie gerade mehr Musik denn je?
Nein, eigentlich nicht. Es ist eher so, dass ich zurzeit mehr denn je auf Familie mache. Ich war ja 45 Jahre lang auf Tour und bin nun seit einem Jahr zu Hause. Ich habe eine Soloplatte vor dem Lockdown fertiggestellt. Seitdem habe ich kaum neue Musik geschrieben, sondern eher spirituelle Bücher gelesen. Ich bin inzwischen 63 Jahre alt und will nicht mehr so weitermachen wie bisher.
Wann stehen Sie morgens auf?
Ich wache immer um 5 Uhr auf und fange dann an zu üben. Aber im Großen und Ganzen bin ich jetzt Familienmensch.
Und wie sind die jungen Leute, die jetzt bei Toto mitspielen?
Die wurden uns von alten Freunden empfohlen. Das sind sehr spezielle Musiker, denen wir hundertprozentig vertrauen. Die neue Besetzung fühlt sich sehr organisch an. Diese Jungs sorgen dafür, dass die Musik von Toto frisch bleibt.
Der Titel des neuen Live-Albums von Toto lautet „With A Little Help From My Friends" und ist eine Anspielung auf die Beatles. Warum haben Sie Toto überhaupt reformiert?
Die Band lag ein Jahr auf Eis, und wir haben jetzt die Namensrechte gekauft. Ich muss sagen, dass es keinen Spaß macht, vor Gericht zu ziehen. Das Ganze dreht sich weniger um richtig oder falsch, sondern eher um teure Anwälte. Reine Zeitverschwendung! Wir haben das getan, weil der Name Toto für Qualität steht. Diese starke Marke wollten wir nach über 40 Jahren nicht sang- und klanglos verschwinden lassen. Wir haben uns überlegt, dass wir wieder als Toto auf Tour gehen wollen. Neben den Klassikern sollen auch unsere Solosachen zu Gehör kommen.
Auf Ihrem aktuellen Solowerk „I Found The Sun Again" spielen ja auch Ihre Toto-Kollegen mit. Stimmt es, dass Sie die Songs aufgenommen haben, ohne sie zuvor zu proben?
Korrekt. Ich wollte eine Old-School-Platte im Sound von 2021 machen, auf die ich stolz sein kann. In den frühen 1970ern ist man ins Studio gegangen, hat die Songs eingespielt und dann noch ein paar Overdubs gemacht. Fertig. Heute entstehen Alben am Computer, das ist ein komplett anderes Spiel. Ich stehe aber auf Improvisationen und Zusammenspiel. Ich will mit hervorragenden Musikern arbeiten.
Sie spielen auch regelmäßig mit Stars im fortgeschrittenen Alter. Wie ist das?
Mein Freund Ringo Starr ist 80, sieht aber aus wie 40. Er trainiert jeden Tag eine Dreiviertelstunde. Wie viele 80-Jährige schaffen das? Er will auf jeden Fall weiter mit uns auf Tour gehen. Ich stehe praktisch in den Startlöchern.
Wie fühlt es sich an, mit Ringo einen Beatle auf Ihrer Soloplatte zu haben?
Das ist eine große Ehre. Ringo und ich sind in den letzten neun Jahren gute Freunde geworden. Das bedeutet mir sehr viel. Er ist der lustigste und coolste Typ, den ich kenne.
Was mögen Sie an Ringos Schlagzeugstil?
Ringo war der erste Rock‘n‘Roll-Drummer. Hören Sie sich mal die Platten an, auf denen er mitgespielt hat. Darauf gibt es keine Clicktracks, die als Metronom bei der Aufnahme dienten. Seine Beiträge zu den Beatles sind einzigartig.
Sie haben die Beatles im Jahr 1964 gesehen ?
Ja, in der Ed Sullivan Show. Eine lebensverändernde Erfahrung. Ich wollte auch so werden wie diese Typen, die solch einen geilen Sound machten. Die Leadgitarre der Beatles hat mich umgehauen. Das tut sie immer noch. Ich habe später mit Paul, George und Ringo zusammengearbeitet. George Harrison war als Gitarrist definitiv unterbewertet. Für mich persönlich war er ein ganz bedeutender Musiker.
Wie haben Sie zu Ihrem eigenen Stil gefunden?
Indem ich mir alles angehört habe, was mit den Beatles zu tun hat – plus Platten von Eric Clapton, Jeff Beck, Jimmy Page, Jimi Hendrix. Diese Musik war damals völlig neu. Leider war ich zu jung, um Hendrix live zu erleben. Meine Eltern hätten mich da niemals hingehen lassen.
1984 haben Sie aber an Paul McCartneys Soloalbum „Give My Regards to Broad Street" mitgewirkt.
Das erste Mal war ich mit Paul im Studio, als wir zusammen an Michael Jacksons „Thriller" arbeiteten. Ich habe versucht, cool zu bleiben, als mein größtes Idol den Raum betrat. Aber er und seine wundervolle Frau Linda gaben mir sofort ein gutes Gefühl. Später habe ich mit Paul und Ringo die TV-Show „50th Beatles Anniversary" gemacht. Das war unglaublich! Schön, dass ich ein kleiner Teil dieser großen Geschichte sein durfte.
„Thriller" ist im selben Jahr erschienen wie „Toto IV", einem der erfolgreichsten Alben des Jahres 1982 mit fünf Millionen Verkäufen.
Unser zweites Album hatte sich auch schon eine Million Mal verkauft. Bis heute kommt Toto auf drei Milliarden Streams und 40 Millionen verkaufte Tonträger. Wir wurden recht erfolgreich im Lauf der Jahre. Allein 1983 haben wir vier Grammys bekommen.
In den 70er- und 80er-Jahren wirkten Sie an rund 1.500 Alben von Aretha Franklin, Paul McCartney, Eddie van Halen, Michael Jackson, Elton John, Rod Stewart, Earth, Wind & Fire und vielen anderen mit. Wurde diese Arbeit gut bezahlt?
Yeah. Mir ging es damals ziemlich gut. War auch eine aufregende Zeit für mich.
Was zeichnet einen guten Studiomusiker aus?
Du musst auf alles und jeden eingestellt sein und schnell arbeiten können – immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Du solltest auch ein paar gute Ideen mitbringen für das Projekt, für das du angeheuert wurdest. Auf Session-Musikern lastet ein großer Druck. Du benötigst dafür die entsprechende Persönlichkeit. Keine Ahnung, ob ich die hatte, ich war wohl der richtige Mann zur richtigen Zeit. Rückblickend ein großes Glück. Die Session-Szene existiert heute nicht mehr, weil die meisten Musiker ihre Platten im Homestudio aufnehmen.
Welches ist das beste Studio, in dem Sie jemals gearbeitet haben?
Oh, es gibt so viele. Das Capitol-Studio und Sunset Sound in L.A. zum Beispiel. Right Track in New York. Das Plattengeschäft wird aber immer unbedeutender für Musiker, meine Scheibe zum Beispiel brauchte ein Jahr, bis sie ein Label gefunden hatte. Zeiten ändern sich.
Wie lange geben Sie dem Format Album noch?
Das Format stirbt einen langsamen Tod, „I Found The Sun Again" ist vielleicht meine letzte Studioplatte. Viele Leute haben nicht mehr die Geduld, sich einen Longplayer von A bis Z anzuhören. Ich bin aber niemand, der die ganze Zeit auf dem Sofa sitzt, ich will kreativ sein. Deshalb sind diese Zeiten sehr hart für mich. Ich habe mit dem Gärtnern angefangen, bei dem ich meine Hände in den Dreck stecken kann. Ich versuche auch, ein guter Vater zu sein, der jede Nacht in seinem eigenen Bett schläft.
Vier Mitglieder von Toto waren an der Entstehung des Jahrhundertalbums „Thriller" beteiligt. Wer hatte Sie damals angeheuert – Michael Jackson oder sein Produzent Quincy Jones?
Es war Quincy Jones’ Büro, das mich anrief. Ich hatte zuvor an einem Album der Dukes mitgewirkt, welches Quincy sehr mochte. Ich erinnere mich, wie Michael mich eines Morgens in den frühen 1980ern anklingelte. Ich glaubte zuerst nicht, dass er es war.
Damals ist doch kein Popstar so früh aufgestanden! Ich legte also auf und er rief wieder an. Dieses Spiel wiederholte sich ein paarmal, bis Quincy mich später anrief und bestätigte, dass es wirklich Michael war und ich mich dringend bei ihm melden solle. Solch ein Quatsch passierte mir ständig. Auch mit Eddie van Halen.
Hat Michael Jackson Ihnen genau vorgeschrieben, was Sie für ihn spielen sollten?
Er nannte mir eigentlich nur ein paar Riffs, die ich unbedingt spielen sollte. Der Rest war auf meinem eigenen Mist gewachsen. Man hört mich unter anderem auf „The Human Nature", „The Girl Is Mine" und „Beat It".
Wie hat man in den 80er-Jahren Hit-Alben gemacht?
Wenn du für eine Session engagiert wurdest, musstest du ohne Umschweife zur Sache kommen. Du kamst rein, hast ein paar Takes und ein paar Overdubs aufgenommen und konntest dann wieder gehen. Was sie mit deinem Beitrag anschließend angestellt haben, ging dich nichts an. Manchmal haben sie monatelang an einem einzigen Stück herumgefeilt.
Und wie hat Toto damals gearbeitet?
Wir haben im Studio die Akkorde geschrieben und dann den Song aufgenommen. Bei uns wurde für ein Album nicht geprobt. Das haben wir nur vor einer Tour getan.
Wir haben es gehasst, aber es musste sein, weil unsere Begleitmusiker die Songs nicht kannten. Ein Hit ist Fluch und Segen zugleich. Man freut sich, wenn man einen hat, ist aber dazu verdammt, ihn für den Rest seines Lebens live zu spielen.
Der Kern von Toto setzt sich zusammen aus Joseph Williams, David Paich und Ihnen. Sind Sie drei eigentlich beste Freunde?
Ja, wir stehen uns sehr nah. Wir kennen uns seit Jahrzehnten und denken gleich, was das Business und die Musik angeht. Heutzutage kann jeder eine Platte aufnehmen, der einen Computer besitzt. Das ist nicht unsere Art. Wir sind Oldschool-Performer.
Werden die berühmten Musikclubs in Kalifornien die Pandemie überleben?
Ich höre nichts Gutes. Viele Läden gehen jetzt pleite. Es ist bitter.
Welcher Club war wichtig für Ihre Karriere?
Das Blah Blah Café und The Baked Potato Jazz Club, den es noch immer gibt. Eigentlich müsste ich dort ein Benefizkonzert spielen, aber ich werde mein Leben nicht für eine Gratisshow riskieren. Mein zehnjähriger autistischer Sohn ist mir wichtiger als das, denn er darf auf keinen Fall krank werden.
Sie haben aufgehört zu trinken und zu rauchen. Hat sich die Abstinenz auf Ihre Kreativität ausgewirkt?
Yeah. Sie hat sich positiv auf meine Seele, meinen Geist und meine Hände ausgewirkt. Ich bin heute viel fokussierter, nicht nur, was Musik angeht.
Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Hoffentlich irgendwo auf einer Bühne. Musiker gehen nicht in Rente.