Es ist Wahlkampf. Endlich! Sagen die einen, schließlich ist es keine Bundestagswahl wie jede andere. Eigentlich müsste die Spannung knistern. Keine Amtsinhaberin mit Amtsbonus, der Außenseiter im Triell (der Begriff ist immer noch gewöhnungsbedürftig) setzt sich im Zwischenspurt an die Spitze, drei Parteien zuletzt gleichauf. Da müsste eigentlich jedem wetteifernden Wahlkämpfer das Herz aufgehen. Nun gut, Rote-Socken-Kampagnen hatten wir schon mal, und die derzeitigen Grünen in eine linke Ecken zu stellen, ist auch ein bisschen verwegen. Aber damit sind zumindest die Schnellfinger im Netz erst einmal beschäftigt.
Es ist Wahlkampf. Na und?
Mag ja ganz unterhaltsam sein, sich tagelang über TV-Performances der Triellisten und anderen auszutauschen. Die Wahlkämpfer an Ständen und Haustüren erfahren, dass die Menschen darüber ganz gerne plaudern, aber im Alltag und wirklichen Leben ganz andere Sorgen umtreiben.
Es ist Wahlkampf. „Ich habe Angst vor dieser Wahl", sagt eine aus meinem kleinen Dorfverein zu diesem Treiben. Den Satz habe ich auf meinen Touren als journalistischer Wahlkampfbeobachter vorher noch nicht gehört. Warum Angst? Weil sie sich nicht vorstellen kann, dass sich in dieser aus den Fugen geratenen Welt irgendetwas bessert. Afghanistan, Hochwasser, was für eine Welt für die Enkel, und außerdem: Egal wer gewinnt, man weiß nicht, ob der dann auch Kanzler wird. (Kanzlerin sagte sie nicht). Angst ist vielleicht ein großes Wort für diese Verunsicherungen.
Über die angeblichen oder tatsächlichen Fettnäpfen im Wahlkampf kann sie sich amüsieren, ernst nimmt sie das alles nicht wirklich. Ja, am Ende wird sie wohl doch wählen gehen. Dass der (oder die) mit den aggressivsten Sprüchen oder bissigsten Pointen die Stimme kriegt, ist eher unwahrscheinlich.
Es ist Wahlkampf. Einer, bei dem es wohl mehr als jemals vorher jenseits der aufregergesteuerten Netzkommunikation um Vertrauen geht. Mehr noch als zu Merkels „Sie kennen mich"-Zeiten. Das hatte behäbigen Stillstand signalisiert. Jetzt geht es um große und nicht mehr vermeidbare Veränderungen, die auch Angst machen können. Deshalb verbietet sich jeder Wahlkampf, der weitere Ängste schürt, ob vor Flüchtlingen oder was auch immer.