Früher setzte sich FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja für den Erhalt des Tegeler Flughafens ein. Jetzt haben er und seine Partei unter anderem Ideen für bezahlbaren Wohnraum.
Sebastian Czaja ist ein Mann mit langem Atem. Doch bei der ein oder anderen Angelegenheit wird er dann doch schon mal ungeduldig. Zum Beispiel, was die Lieferung seines Hybrid-Autos betrifft. Schon im vergangenen Jahr hatte er den energiesparenden Dienstwagen bestellt. Beim Gesprächstermin mit FORUM ist das Modell noch immer nicht da. Der gebürtige Berliner ist der Spitzenkandidat der Liberalen, die derzeit im Berliner Abgeordnetenhaus in der Opposition sind. Mehr „Technologieoffenheit" wünscht er sich, zum Beispiel, um dem Verkehr der Metropole Herr zu werden: „Man könnte den Verkehr nach Aufkommen steuern, könnte die Fahrzeuge durch die Stadt leiten", sagt er. Zum Beispiel könne man eine Smart-City-Infrastruktur einführen, das heißt, eine intelligente, datengestützte Verkehrsplanung. Dabei hat der 38-Jährige alle Verkehrsteilnehmer im Blick: „Die Verkehrsprobleme unserer Stadt lassen sich nicht lösen, indem Verkehrsträger gegeneinander ausgespielt werden. Wir wollen keinen weiteren Kulturkampf", sagt er.
Mehr miteinander und weniger gegeneinander lautet auch Czajas Ansatz, wenn es um eines der „dringendsten Probleme der Stadt" geht, nämlich bezahlbaren Wohnraum. „Berlin ist eine Stadt, die wächst, hier fehlen 200.000 Wohnungen", sagt er, der selbst mit Frau und Kind in einer Mietwohnung lebt. Den mittlerweile vom Verfassungsgericht gekippten Mietendeckel hat er immer schon kritisch gesehen. Die Debatte habe niemanden etwas gebracht. Stattdessen seien die Preise weiter in die Höhe gestiegen. „In der Zeit hätte man sich besser um den Neubau und Umbau gekümmert. Der Lokalpolitiker schlägt einen „Wohnungsgipfel" nach der Berlinwahl vor. Dieser Gipfel solle mit „allen Akteuren vom Mieterverein bis zur Bauwirtschaft" stattfinden, um sich auf einen gemeinsamen „Fahrplan" zu einigen. Zudem plädiert er für einen Mieten-Tüv sowie ein „Baulückenkataster".
Zwei Koalitionen mit der SPD möglich
Politik sei für ihn „machen", sagt er. „Solange ich denken kann, war ich politisch aktiv." Sein älterer Bruder Mario ist ebenfalls in der Politik: Er ist Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Wuhletal und war mal Sozialsenator. Beeinflusst sind die beiden in Berlin-Mahlsdorf auch durch ihr katholisches Elternhaus und die starke Anbindung der Familie an die Kirche. Sebastian Czaja erinnert sich noch, wie sein Vater deswegen vom SED- Staat „schikaniert" wurde. „Das waren kleine, kontinuierliche Nadelstiche", sagt er. Aber sein Vater habe immer „Rückgrat" bewiesen. „Das hat mich geprägt."
Seinen ersten Antrag im Berliner Senat stellte er im Jahr 2008. Da war der ausgebildete Elektrotechniker Mitte 20. Es ging um einen Handwerkerparkausweis. „Damit war ich lange Zeit allein auf weiter Flur". 2011 stand der Ausweis dann im Wahlprogramm der SPD und 2012 schließlich konnten Handwerker diese Ausnahmegenehmigung einfordern. „Aufgeben war nie mein Ding." Zielstrebig war er auch bei dem von ihm initiierten Volksbegehren für den Flughafen Tegel im Jahr 2015. Zwei Jahre später stimmten immerhin mehr als die Hälfte der Berlinerinnen und Berliner mit 56,4 Prozent für den Weiterbetrieb des Flughafens im Nordwesten der Stadt. Allerdings beinhaltete der Volksentscheid keinen Gesetzentwurf, das Abstimmungsergebnis war rechtlich nicht bindend. Und so hat der rot-rot-grüne Senat Tegel im November 2020 endgültig geschlossen.
Ob das Rote Rathaus in Berlin innen auch Gelb aussehen wird, entscheidet sich am 26. September. Das aktuelle Regierungsbündnis Rot-Rot-Grün hat laut einer Umfrage von Infratest Dimap mit 52 Prozent nach wie vor die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler hinter sich. Die Berliner Liberalen liegen bei acht Prozent. Allerdings verschieben sich die Stimmverteilungen. Koalitionen aus SPD, FDP und Grünen oder aus CDU, SPD und FDP sind möglich. Unter den Berliner Spitzenkandidaten liegt Sebastian Czaja mit einem Bekanntheitsgrad von 20 Prozent auf Platz drei. Erst dann folgen die Konkurrenten von CDU und den Grünen. Sebastian Czaja, der 2016 die Freien Demokraten als Spitzenkandidat zurück ins Abgeordnetenhaus geführt hat, bleibt optimistisch und sagt: „Politik ist ein Marathonlauf". Dann zieht er sein Sakko an und eilt zum nächsten Termin.