40 Jahre ist es her, dass die U96 in See stach. „Das Boot" ist eine der erfolgreichsten deutschen Kinoproduktionen – und eine mit einem langen Erbe. Denn die Story wurde in mehreren Versionen veröffentlicht, zu einer Serie verarbeitet, schob viele Karrieren an und ermöglichte sogar einen Musikhit.
Es fährt genau auf die Kamera zu, es blubbert, es tuckert, Sonargeräusche ertönen – und aus Schemen wird ein Kriegsgerät. Es ist ein Bild, das sich nachdrücklich einbrennt, wenn „Das Boot" aus dem grünstichigen Nichts auftaucht. Die U96 befindet sich 1941 auf Feindfahrt, legt aber eigentlich erst 40 Jahre später so richtig ab – und somit vor inzwischen 40 Jahren. Am 17. September 1981 ist die Uraufführung von Wolfgang Petersens Verfilmung des 1973 erschienenen Bestsellers in München, einen Tag später startet die Erfolgsmission dann regulär in deutschen Kinos.
Die Kinoversion von „Das Boot" ist eine deutsche Produktion der Superlative und wird ein Welterfolg. Sie verschlingt rund 32 Millionen Mark, was heute umgerechnet und inflationsbereinigt etwas mehr als 36 Millionen Euro entspricht. Zum Vergleich: „Der Untergang" wird 2004 mit 13,5 Millionen Euro der drittteuerste Film der deutschen Filmgeschichte, nach „Die unendliche Geschichte" (ebenfalls von Petersen) – und nach „Das Boot". Sogar Hollywood nimmt von der packenden Hatz unter Wasser Notiz und ehrt den Streifen mit sechs Nominierungen für den Oscar, darunter sind die technischen Kategorien für Ton und Tonschnitt und eine für Petersen als bester Regisseur. Für den besten fremdsprachigen Film schlägt Deutschland jedoch „Fitzcarraldo" von Werner Herzog vor – doch der wird am Ende nicht mal nominiert. Die Film-Fahrt der U96 ist aber nicht nur ein packendes Drama auf höchstem technischen Niveau, sondern lanciert auch die Karrieren von zahlreichen Beteiligten. Als ebenso schweigsamer wie namenloser, aber immer alles im Blick behaltender Kommandant brilliert Jürgen Prochnow. Der gerade 80 Jahre alt gewordene Haudegen zeigt vorher sein Talent am Theater, bevor er zum Film wechselt und unter anderem in Volker Schlöndorffs „Die verlorene Ehre der Katharina Blum" bekannt wird. Er spielt später noch unter David Lynch in „Der Wüstenplanet", den Bösewicht in „Beverly Hills Cop 2" und eine größere Rolle in „Air Force One", erneut unter der Regie von Petersen.
Die kurze Filmkarriere von Herbert Grönemeyer findet mit „Das Boot" ihren Höhepunkt und gleichzeitig auch schon fast den Abschluss. Der heute 65-Jährige spielt den Kriegsberichterstatter Leutnant Werner und konzentriert sich danach auf seine Musikkarriere – mit Erfolg, wird er mit fast 20 Millionen verkaufter Tonträger doch der kommerziell erfolgreichste Musiker Deutschlands. Dass er dennoch auch als Schauspieler Talent hat, zeigt er noch in „Frühlingssinfonie" von 1983, in dem er den Komponisten Robert Schumann verkörpert. Viel später tritt er erst wieder für seinen alten Weggefährten, den Videoclip- und Filmregisseur Anton Corbijn, vor die Kamera und übernimmt Nebenrollen in „Control" (2007) und „A Most Wanted Man" (2014).
Das weitere Aufgebot ist auf den Punkt besetzt und liest sich wie das Who’s who der deutschen Filmgeschichte: Klaus Wennemann verkörpert hier den Leitenden Ingenieur und wird später „Der Fahnder". Skandalnudel Martin Semmelrogge spielt den 2. Wachoffizier und schauspielt in den 90er-Jahren sogar unter Steven Spielberg in „Schindlers Liste". Bootsmann Lamprecht wird dargestellt von Uwe Ochsenknecht, für den es kurz darauf mit „Männer" und Schtonk!" durch die Decke geht. Auch die Karrieren von Jan Fedder, Claude-Oliver Rudolph, Ralf Richter und Heinz Hoenig erhalten durch „Das Boot" einen ordentlichen Schub.
Buchvorlage von Lothar G. Buchheim
Regisseur Wolfgang Petersen zeigt nach dieser Produktion erneut sein Faible für Superlative und erhält für die Verfilmung von „Die unendliche Geschichte" noch mehr Geld: rund 50 Millionen Mark. Er wechselt nach Hollywood, erregt dort 1984 erste Aufmerksamkeit mit „Enemy Mine – Geliebter Feind" und reiht danach (fast) Hit an Hit: „In the Line of Fire – Die zweite Chance" mit Clint Eastwood, „Outbreak – Lautlose Killer" mit Dustin Hoffman, „Air Force One" mit Harrison Ford, „Der Sturm" mit George Clooney, „Poseidon" mit Kurt Russell und „Troja" mit Brad Pitt.
Seiner Regie ist es zu verdanken, dass „Das Boot" auch heute noch eine mitreißende Angelegenheit ist. Die Kamera ist nah dran an den Gesichtern, die mit fortlaufender Mission – Handelsschiffe im Atlantik vernichten – immer durchfurchter und bärtiger und die Augen gleichzeitig immer lebloser werden. Die klaustrophobischen Zustände in einem U-Boot hält Petersen genial fest, indem er eine Handkamera durch die Enge des Raumes schickt. Als die englischen Zerstörer ihre Wasserbomben abwerfen, meint man als Zuschauer, sich mitten im Geschehen zu befinden. Wenn das U-Boot immer weiter auf Tauchfahrt geht und der zunehmende Druck es zu zerreißen droht, fühlt man quasi die sich lösenden Schrauben an einem vorbeifliegen. Mit für die realistische Darstellung verantwortlich sind die Modelle der U96. Ein sechs Meter langer Nachbau wird für Unterwassersequenzen genutzt. Für einige Außensequenzen kommt ein Elf-Meter-Modell zum Einsatz, um den Wellengang einigermaßen korrekt darzustellen. Für die Fahrt auf offener See und für Szenen des Auslaufens wird ein 67 Meter langes Modell ohne Innenleben genutzt. Das 55 Meter lange Modell, in dem mit den Darstellern gedreht wird und das ohne die ohnehin nicht begehbaren Bug- und Heckspitzen auskommt, steht heute in der Bavaria Filmstadt in Geiselgasteig. Dort kann man sich von der beklemmenden Enge ebenso überzeugen wie von der detailgetreuen Ausstattung.
Die Geschichte um eine rund 50 Mann starke Besatzung, die im Laufe der Handlung zwischen Blut, Schweiß, Tränen und Erbrochenem zu menschlichen Wracks wird, hat sich der Mann mit der Augenklappe ausgedacht: Lothar-Günther Buchheim feiert mit dem Roman, der auf seinen eigenen Erfahrungen beruht, einen großen Erfolg. 1995 schickt er mit „Die Festung" eine Fortsetzung hinterher und schließt die Geschichte 2002 mit „Der Abschied" als Trilogie ab.
Er selbst war als Maler und Autor Kriegsberichterstatter bei der Propagandakompanie der Marine und verarbeitet seine Erfahrungen auf verschiedenen U-Booten in seinem Werk. Von einigen Szenen der Verfilmung distanzierte er sich später jedoch. Wer den Film in seiner 143 Minuten dauernden Fassung im Kino verpasst hat, kann sich später mit der TV-Fassung anfreunden. Die erscheint zunächst 1984 in Großbritannien und einige Monate später als Dreiteiler in Deutschland; 1987 kommen dann sechs Teile mit je 52 Minuten Spieldauer im TV.
Filmmusik erobert als Remix die Charts
Ende 1997 legt Wolfgang Petersen einen Director’s Cut nach, der 208 Minuten aufweist. Dies stellt die Fassung dar, die er gerne im Kino gezeigt hätte, die wegen der Laufzeit kommerziell seinerzeit aber nicht machbar ist. Der Director’s Cut auf Blu-ray läuft sogar acht Minuten länger. Noch mehr legt die TV-Filmfassung mit 282 Minuten drauf. Insgesamt bringt es „Das Boot" als Serie auf 309 Minuten – inklusive zusammenfassenden Erzählsequenzen aus der Sicht von Grönemeyers Figur.
Als direkte Fortsetzung dient die Fernsehserie, die ebenfalls „Das Boot" betitelt ist und seit 2018 produziert wird, die jedoch die U612 auf Mission schickt. Sie nimmt Stränge aus Petersens Klassiker, aus der Romanvorlage sowie aus „Die Festung" auf und ist beim Sender Sky im Programm zu sehen. Sie tritt erwartungsgemäß ein schweres Erbe an, und so ist es kaum verwunderlich, dass die bisherigen zwei Staffeln als deutlich zu glatt produziert kritisiert werden. Sogar als Theaterstück wird der Stoff umgesetzt und in Deutschland erstmals 2012 aufgeführt.
Was neben den eindringlichen Charakterdarstellungen, der technisch genialischen Umsetzung und den furiosen Actionszenen in La Rochelle ebenfalls Einzug ins kollektive Gedächtnis erhält, ist die Filmmusik. Die ist zwar mehr oder minder spärlich eingesetzt, doch die Titelmelodie von Klaus Doldinger mit ihren einleitenden Sonartönen und der eingängigen Melodie sticht deutlich heraus. So deutlich sogar, dass das Musikprojekt „U96" 1991 einen Remix veröffentlicht, der ebenfalls „Das Boot" heißt und – kein Wunder bei dieser Vorlage – ein Erfolg wird. Das Lied gilt als früher Hit der danach einsetzenden Techno-Welle und verkauft weltweit mehr als zwei Millionen Tonträger – fast eine Million alleine in Deutschland.