An vielen Bahnhöfen gibt es kaum freie Parkplätze für Fahrräder, vor allem wenig gut geschützte. Damit die Verkehrswende hierzulande gelingt, müssten vielerorts an Bahnhöfen mehr Fahrradparkhäuser errichtet werden. Wir zeigen, wie einige Städte das umgesetzt haben.
Autofahrer stehen tagtäglich vor dem Dilemma: Der Parkdruck in den Innenstädten nimmt zu. Es gibt zu wenige Stellplätze für Pkw, überdimensioniert gebaute SUV erschweren zusätzlich die nervenaufreibende Parkplatzsuche. Doch wer täglich per Velo in die City radelt – beispielsweise zum Hauptbahnhof, um zur Arbeit zu pendeln, oder für die Shopping-Tour in der Innenstadt – hat mit dem gleichen Problem zu kämpfen. In Deutschlands Großstädten fehlt es an Stellplätzen für die umweltschonenden Vehikel. Nicht zu übersehen ist dieser Parkplatzmangel an und in der Nähe von Bahnhöfen, wo die Plätze der öffentlichen Fahrradabstellanlagen zumeist belegt sind, mitunter stehen dort vermeintlich längst vergessene Fahrradleichen. So haben Radler Mühe, einen freien Platz zu ergattern und geraten oft in Zeitnot, wenn sie mit der Bahn weiter zum Arbeitsplatz fahren möchten.
Das Fahrradparken stellt nach Angaben des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), Deutschlands größter Interessenvertretung für Radfahrer mit mehr als 200.000 Mitgliedern, deutschlandweit einen „nach wie vor gravierenden Engpass" dar. In seinem Aktionsplan „So geht #Fahrradland" mit verkehrspolitischen Kernforderungen an die nächste Bundesregierung fordert der ADFC unter anderem die Ausstattung der 1.000 aufkommensstärksten Bahnhöfe mit Fahrradparkhäusern oder Radstationen bis 2030. „Fahrradparkhäuser spielen für die Verkehrswende eine herausragende Bedeutung, denn erst durch ein Fahrradparkhaus wird ein Bahnhof zu einer vollwertigen Schnittstelle für Pendlerinnen und Pendler, die auf das Auto verzichten wollen", sagt ADFC-Bundesgeschäftsführerin Ann-Kathrin Schneider. „In den Niederlanden erreichen bis zu 60 Prozent der Bahn-Passagiere den Bahnhof mit dem Rad. Das funktioniert aber nur, wenn man das Rad dort auch sicher und komfortabel parken kann. Komfortables und sicheres Fahrradparken gibt es in Deutschland aber Stand heute nur an wenigen Bahnhöfen. Potsdam, Karlsruhe und Offenburg sind einige der raren Ausnahmen", sagt die Expertin weiter.
Dabei wäre der Bedarf an guten Fahrradparkplätzen immens. Laut der Studie „Fahrradparken an Bahnhöfen" fehlen deutschlandweit 1,5 Millionen Stellplätze. Das Bundesverkehrsministerium fördere schon jetzt den Aufbau von Fahrradparkhäusern, wie eine Sprecherin von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagt. Das Bundesverkehrsministerium habe bis 2023 alles in allem 1,5 Milliarden Euro für diverse Programme im Radverkehrsbereich locker gemacht, darunter fallen ausdrücklich Fördermittel für den Bau von Fahrradparkhäusern an Bahnhöfen. Die bisher vom Verkehrsministerium bereitgestellten Mittel seien für diesen immensen Bedarf ein wichtiger Baustein, jedoch fehle die Durchfinanzierung auf hohem Niveau bis 2030, erklärt Ann-Kathrin Schneider. In drei Jahren werde erst ein Bruchteil der benötigten Fahrradparkhäuser errichtet sein.
Dabei zeigen einige deutsche Städte seit Langem, dass die Parksituation für Fahrradfahrer gut in den Griff zu bekommen ist. Wir stellen einige Beispiele vor – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
MÜNSTER
Die westfälische Metropole gilt als Deutschlands Fahrradhauptstadt. Auf 312.000 Einwohner kommen 500.000 Fahrräder. 2018 ist die Stadt Münster mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet worden. Münsters erstes Fahrradparkhaus, im Juni 1999 eröffnet, verfügt über 3.300 Stellplätze. Die Radstation bietet sozusagen ein Rundum-sorglos-Paket: bewachtes Fahrradparken von 5.30 bis 23 Uhr, Werkstatt-Service (inklusive Waschanlage) und Vermietung von rund 250 Fahrrädern – angefangen von 28-Zoll-Mietkomforträdern über Kinderräder in verschiedenen Größen, E-Bikes bis hin zu Tandems. Die Auslastung des bundesweit größten Fahrradparkhauses liegt bei nahezu 100 Prozent. „Unser Fahrradparkhaus lag vor Corona bei einer Auslastung von 95 Prozent plus x", sagt Radstations-Betriebsleiter Robin Schäfer. Münsters Radstation wird von der eigenständigen Hundt KG betrieben, bei der 15 Mitarbeiter dauerhaft angestellt sind. Die Hundt KG hat sich jüngst erfolgreich um den Betreibervertrag der künftig zweitgrößten Radstation Deutschlands in Osnabrück beworben, die Ende 2022 in Betrieb gehen wird.
Pendler können sich als Monats- und Jahresparker registrieren und mit Keycards ausstatten lassen. Die Laufzeit der Parkberechtigung wird durch eine Plakette am Rad ausgewiesen. Tagesgäste müssen sich nicht vorab registrieren lassen. „Das läuft bei uns analog vor Ort", sagt Robin Schäfer, der zusammen mit Inhaber Georg Hundt auch städtische Gesellschaften bei der Planung von Fahrradparkanlagen berät.
Und so funktioniert das Tagesparken in der Radstation: Vor dem Einparken des Rades erhält jeder Kunde einen Abholschein, sodass jedes Rad dem rechtmäßigen Eigentümer zugeordnet werden kann. Wem das „einfache" Monats- und Jahresticket nicht ausreicht, kann sogar einen persönlichen Stellplatz – eine eigene Park-Schiene – mieten. „Wir planen für 2022 eine Online-Reservierung für Dauerkunden", kündigt Schäfer an.
Die Preise für einen Stellplatz in der Radstation sind vergleichsweise moderat: 80 Cent pro Tag, eine Sieben-Tages-Karte gibt es für 4,50 Euro. Dauerparker zahlen für einen Monat acht Euro, für ein ganzes Jahr 80 Euro. Für einen persönlichen Parkplatz zahlt man 100 Euro im Jahr.
In Münster gebe es derzeit alleine am Hauptbahnhof einen Bedarf zwischen 9.000 bis 10.000 bewirtschafteten und unbewirtschafteten Fahrradparkplätzen, erklärt Schäfer. Der Parkdruck in der Innenstadt sei generell enorm. Neben der Radstation am Hauptbahnhof können Radfahrer in Münster außerdem das Radlager Parkhaus Bremer Platz, die Radstation in den Münster Arkaden und das Radlager an der Stubengasse zum sicheren und vor Wind und Wetter geschütztem Parken nutzen. Im kommenden Jahr soll Angaben der Stadtverwaltung zufolge ein weiteres Fahrradparkhaus auf der Ostseite des Hauptbahnhofs mit mehr als 2.000 Radstellplätzen eröffnen. Zudem hat sich die Stadt Münster mit dem Entwurf einer „Mobilitätstation" für ein Förderprogramm beworben, das – bei erfolgreichem Abschneiden – über 3.000 weitere qualifizierte Fahrradparkplätze im dann ehemaligen Autoparkhaus Bremer Platz bringen könnte.
FREIBURG
Freiburgs erstes Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof ist 1999 als Alternative zu den öffentlich zugänglichen Fahrradabstellplätzen eröffnet worden. In der Radstation befindet sich ein Café auf dem Dach des modernen Gebäudes, außerdem sind die Volkshochschule mit Atelierräumen und mehrere Mobilitätsanbieter ansässig. An Werktagen wird die Radstation „gut frequentiert", heißt es seitens des Betreibers Freiburger Kommunalbauten Baugesellschaft. Soll heißen: Wer hier spontan vorbeikommt, findet immer noch Platz. „Die Auslastung konnte seit der Eröffnung im Jahr 1999 kontinuierlich gesteigert werden", teilt die Betreibergesellschaft auf Anfrage mit, ohne konkrete Zahlen zu nennen.
Das Parken selbst funktioniert denkbar einfach. Das Drehkreuz wird mit einer Tages- oder Dauerkarte entsperrt. Eine Tageskarte gibt es zum Preis von einem Euro, eine Monatskarte kostet zehn Euro und eine Jahreskarte 80 Euro. Letztere ist nur bei „Freiburg aktiv", einem Anbieter für Stadtführungen, Radtouren und Events, in der Radstation erhältlich.
Zuerst müssen Fahrradparker mit ihren Rädern ein zweigeteiltes Drehkreuz passieren. Dabei wird das Rad mit dem Vorreifen bis in die Mitte einer schwarzen Bodenplatte geschoben. Am Ticketautomaten drückt man den grünen Knopf und zieht eine Tageskarte. Auf der einen Seite wird das Fahrrad durch das sich öffnende Tor geschoben, auf der anderen geht man als Fußgänger durch das Drehkreuz in die Radstation. Holt man den Drahtesel ab, schiebt man das Zweirad auf der einen Seite raus und geht auf der anderen Seite durchs Drehkreuz nach draußen. Der Betreiber versichert, dass die Fahrräder diebstahlgeschützt parken, denn ohne Tages- oder Dauerticket kann keines entwendet werden. Dennoch muss es von den Nutzern der Radstation entsprechend angeschlossen werden. Nachtparker haben übrigens schlechte Karten: Zwischen 1.30 und 4.30 Uhr ist die Radstation geschlossen.
Alles in allem gibt es im Stadtgebiet Freiburgs 9.000 Stellplätze, dazu zählen die Parkplätze in der Radstation und Fahrradboxen an
mehreren Standorten – vornehmlich an Haltestellen von S-Bahn oder Stadtbahn. Doch offenbar reicht das bisherige Angebot an Plätzen nicht aus. Das Angebot an sicheren Fahrradabstellplätzen an ÖPNV-Haltepunkten soll weiter ausgebaut werden. Dazu sind weitere Fahrradboxen und Fahrradsammelgaragen mit eingeschränktem Zugang angedacht. Angaben des Modal Splits aus dem Jahr 2016 zufolge werden in Freiburgs Binnenverkehr 79 Prozent aller Wege mit einem Verkehrsmittel aus dem Umweltverbund zurückgelegt – 34 Prozent auf dem Rad, 29 Prozent zu Fuß und weitere 16 Prozent mit dem ÖPNV.
DARMSTADT
Vor Kurzem ist das Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof im Fürstensteg durch die Deutsche Bahn generalüberholt und mit neuen Doppelstockern ausgestattet worden. 350 Fahrräder können hier an sieben Tagen in der Woche, 24 Stunden, sicher und kostenlos geparkt werden. Eine Besonderheit des überdachten Parkhauses: Von dort aus haben die umweltfreundlichen Parker direkten Zugang zu den Bahnsteigen des Hauptbahnhofs. Betreiber von Darmstadts Fahrradparkhaus ist das Bahnhofsmanagement der Bahn. Ausgerechnet in die Pandemie-Zeit fiel der Zeitpunkt der Wiedereröffnung. Seitdem registriert man „erheblich geringere Fahrgastzahlen", schreibt die Stadtverwaltung der hessischen 153.000-Einwohner-Stadt.
Auch seien keine verlässlichen Aussagen zur Auslastung möglich. Vor der Generalüberholung hatte das Parkhaus eine leicht höhere Kapazität, war entweder immer voll aus- oder überlastet. Doch das lag unter anderem „an einem sehr hohen Anteil an Fahrradleichen", sprich nicht abgeholten Fahrrädern, wie es heißt. „Bei einer Zählung vor der Pandemie wurden rund 1.000 im Parkhaus und rund um den Bahnhof abgestellte Räder gezählt", sagte ein Stadtpressesprecher. Der Radverkehrsanteil lag 2018 laut einer Studie der TU Dresden bei 22 Prozent.
Da die Stadtverwaltung einen Bedarf an Abstellplätzen rund um den Hauptbahnhof für mehr und sicheres Parken erkannt hat, wurde eine Machbarkeitsstudie für ein Radparkhaus erstellt. Auf lange Sicht soll am Darmstädter Hauptbahnhof ein Fahrradparkhaus mit allem Komfort errichtet werden. Daneben sind unter anderem in Innenstadtlage am Pali-Platz, am Ostbahnhof und – Ausgang offen – an weiteren Standorten Fahrradparkhäuser geplant.
BERLIN
Noch steht in der Hauptstadt kein einziges Fahrradparkhaus, doch in Berlins Bezirken laufen dafür die Vorbereitungen. In Zukunft sollen 13 Fahrradparkhäuser mit 500 bis 2.000 Stellplätzen entstehen. Nach einer von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz finanzierten Machbarkeitsstudie, die im Juni gestartet ist, stehen bereits die möglichen Standorte S-Bahnhof Mahlsdorf und U-Bahnhof Haselhorst fest.
Davon unabhängig soll am Ostkreuz ein Fahrradparkhaus mit 1.700 Stellplätzen errichtet werden. Die landeseigene Radinfrastruktur-Gesellschaft Infra-Velo ist für die weiteren Planungen zuständig. Am S-Bahnhof Zehlendorf laufen die Planungen unter der Regie des Bezirks weiter. In der Nähe der Freien Universität soll ein 10,5 Meter hohes vollautomatisches Parkhaus mit 120 Plätzen gebaut werden. An diesen zwei Standorten habe sich also nichts zerschlagen, stellte der Sprecher der Senatsverkehrsverwaltung, Jan Thomsen, klar.
Für das Parkhaus am S-Bahnhof Gesundbrunnen haben Standort- und Potenzialanalysen von Infra-Velo einen Mehrbedarf von 171 Stellplätzen bis zum Jahr 2030 ermittelt. Doch diesem könnte durch die Errichtung von dezentralen Abstellanlagen und der Bedarf an gesicherten Stellplätzen beispielsweise durch Sammelschließanlagen Rechnung getragen werden.