Titelverteidiger Eisbären Berlin hat einen durchwachsenen Start in die neue Saison hingelegt. Offensiv scheint viel Potenzial in der Mannschaft zu stecken, doch die Abwehr zeigte sich anfällig.
Die Wahl des Supermarktes oder Discounters ist hierzulande nicht gerade einfach, denn das Angebot ist groß. Doch für die Fans der Eisbären Berlin – zumindest für diejenigen, die im Stadtteil Köpenick leben – dürfte die Wahl ab sofort leichtfallen. Die 720 Quadratmeter große Penny-Filiale in der Mahlsdorfer Straße 97e fungiert inzwischen als „Eishockey-Meistermarkt", in dem alles in den Vereinsfarben der Eisbären erscheint. Von den Wänden und Kühlmöbeln bis hin zur Arbeitskleidung und zum Warentrenner. Auch ist dort eine Pokal-Replika ausgestellt, um laut Penny „eine regelrechte Fan-Anlaufstelle" zu schaffen.
Der Namenssponsor der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) will mit der Aktion den deutschen Meister der Saison 2020/21 würdigen. „Ich bin begeistert", sagte Verteidiger Jonas Müller bei einem Besuch: „Hier schaut es super aus und es erstrahlt wirklich alles in unseren Eisbären-Farben." Doch ab sofort wollen die Eisbären nicht mehr zurück auf den achten Meistertitel der Clubgeschichte blicken, die Spielzeit 2021/22 hat bereits begonnen. Und zwar mit einem durchwachsenen Start für das Team von Trainer Serge Aubin.
Zum Auftakt verlor der Titelverteidiger zu Hause im Topspiel gegen Red Bull München klar mit 1:4, doch Aubin zeigte sich „weiterhin zuversichtlich". Dass das keine Durchhalteparole war, zeigte sich beim anschließenden 7:4-Spektakel bei den Iserlohn Roosters. Die Eisbären benötigten etwas Anlauflaufzeit, feuerten ab Mitte des zweiten Drittels aber ein Offensiv-Feuerwerk ab. „Die Special Teams waren gut, alle waren gut. Jeder hat sich eingebracht, es war ein Erfolg der kompletten Mannschaft", lobte Aubin: „Es war ein guter Tag und ein guter erster Schritt."
Agierten mutig und aktiv
Marcel Noebels sprach gar von einem „Riesenschritt nach dem verlorenen Start", der Doppel-Torschütze war sichtlich erleichtert: „Wenn man den ersten Sieg hinter sich hat, tut das immer gut. Das schweißt zusammen, das bringt Selbstvertrauen." Anders als gegen München agierten die Berliner mutig und aktiv, bei Scheibenverlust setzen sie sofort nach. „Wir haben gespielt, um zu gewinnen, nicht, um zu gucken, was passiert", meinte Noebels. Für den Nationalspieler ist die Leistung gegen Iserlohn ab sofort der Maßstab: „Wenn wir so spielen, dann gewinnen wir noch viele Spiele dieses Jahr." Am Freitag (17. September) und Sonntag (20. September) stehen die Partien bei den Fischtown Pinguins und gegen die Adler Mannheim auf dem Programm.
Doch klar ist auch: Defensiv muss sich das Aubin-Team noch erheblich steigern. Jeweils vier Gegentore in den ersten beiden Ligaspielen sind viel zu viel, um wirklich oben mitzuspielen. „Eigentlich wollen wir keine Spiele 7:4 gewinnen, sondern lieber 3:1 oder 4:2", sagte Noebels: „Mit vier Gegentoren auswärts drei Punkte zu holen, ist eigentlich selten der Fall." Dabei zählt das Torhüter-Duo Mathias Niederberger/Tobias Ancicka zum Besten, was die Liga zu bieten hat. Doch die Abstimmung zu den Vorderleuten ist noch nicht optimal, außerdem zeigten die Abwehrspieler zu viele Fehler im Aufbauspiel.
Zu sehen war das auch schon in der Vorbereitung. Die vier Pleiten mit 21 Gegentoren in der Champions Hockey League (CHL), die als hochkarätig besetztes Turnier die Formkurve gut widerspiegelt, ließen Schlimmes erahnen. „Wir müssen anfangen, Hockey zu spielen und ein paar Spiele gewinnen", hatte Aubin danach seine Spieler aufgefordert. Nach dem 3:5 gegen den schwedischen Club Skelleftea AIK war dem Trainer sogar richtig der Kragen geplatzt. „Das war inakzeptabel. Das muss jetzt aufhören", schimpfte der 46-Jährige völlig gefrustet. Gegen München war trotz der Niederlage schon eine Leistungssteigerung zu erkennen, gegen Iserlohn gefiel das Team über weite Strecken.
Das Ziel der Eisbären ist auch in dieser Saison der Griff nach der Meisterschale. „Natürlich wollen wir Titel Nummer neun", tönte Neuzugang Kevin Clark. Auch Aubin lässt sich vom durchwachsenen Saisonstart nicht davon abbringen, die Berliner erneut auf den Eishockey-Thron hieven zu wollen. „Wir wissen jetzt, wie schön das schmeckt und wollen nichts anderes mehr haben", sagte der Trainer, der „das letzte Spiel gewinnen" will. Dann wären die Eisbären in jedem Fall wieder deutscher Meister. „Bis dahin", ist sich Aubin bewusst, „ist es eine lange Reise." Eine Reise, die auf den ersten Metern holprig begann.
Anders als im Vorjahr, als vor allem München und Mannheim als Titelkandidaten in der Öffentlichkeit galten und Berlin lange unter dem Radar blieb, ist die Erwartungshaltung nun von Beginn an groß. Doch das sei teamintern kein großes Problem, versicherte Kapitän Frank Hördler: „Wir sind die Gejagten, das ist ein schönes Gefühl. Wir wollen das bestätigen, was wir letztes Jahr geleistet haben." Bleibt das Team von Verletzungen verschont, „sind wir gut aufgestellt", lobte Hördler die Kader-Zusammenstellung von Sportdirektor Stéphane Richer: „Wir haben noch mal deutlich an Qualität dazugewonnen."
Doch extern sind die Zweifel etwas größer, ob die zahlreichen Abgänge durch die sechs in der Sommerpause verpflichteten Neuzugänge tatsächlich qualitativ ersetzt werden konnten. Vor allem die Abschiede von Assistenzkapitän John Ramage und von Ryan McKiernan, der in den Play-offs mächtig aufgedreht hatte und zum MVP der K.-o.-Runde gewählt worden war, schmerzen.
Clark ist Gewinn für die Offensive
Hördler verspricht sich vor allem Manuel Wiederer, Yannick Veilleux und Blaine Byron, die allesamt von nordamerikanischen Farmteams in die Hauptstadt wechselten sowie Kevin Clark einen Gewinn für die Offensive. Und die beiden Verteidiger Morgan Ellis (1,87 Meter, 94 Kilogramm) und Nicholas Jensen (1,89 Meter, 102 Kilgramm) bringen Wucht und Physis mit. „Sie haben sich gut eingefunden, haben eine hohe Qualität, sind eine Bereicherung für uns als Mannschaft", lobte der Kapitän. Auch Trainer Aubin hat einen guten ersten Eindruck von den Neuen: „Es sieht so aus, als ob sie gut reinpassen würden."
Die größten Hoffnungen auf eine erfolgreiche Saison 2021/22 ruhen auf Kevin Clark. 2015 war der Kanadier in der DEL Torschützenkönig und „Spieler des Jahres", was einerseits eine beeindruckende Visitenkarte ist, andererseits aber auch schon sechs Jahre zurückliegt. Doch intern ist man von seinen Qualitäten vor allem vor dem Tor überzeugt. Nicht nur Aubin, der mit Clark schon bei den Hamburg Freezers erfolgreich zusammengearbeitet hat, sondern auch die Mitspieler erhoffen sich viele Treffer vom Stürmer. „Er ist ein technisch unheimlich versierter Spieler, läuferisch sehr gut", sagte Hördler. Der Verteidiger hat im Training selbst so seine Probleme mit Clark: „Er scheut sich nicht, dahin zu gehen, wo es wehtun. Er ist sehr wendig und agil, das ist unheimlich schwer zu verteidigen. Und deshalb wird er uns viele Möglichkeiten erarbeiten."
Menschlich hat sich der Neuzugang bereits bestens eingelebt. „Die Jungs haben mich super aufgenommen", berichtete der 33-Jährige. Er habe schnell mitbekommen, „wie großartig es ist, in dieser Stadt und unserer Halle spielen zu können." Kurzum: „Ich fühle mich wohl." Auch sportlich passt Clarks Bilanz nach zwei Spielen mit jeweils einem Tor und einem Assist.