Nach mehreren Verschiebungen des Starttermins, der ursprünglich im November 2019 sein sollte, kommt mit „Keine Zeit zu sterben" nun endlich der 25. James-Bond-Film in die Kinos – der diesmal wirklich letzte Film mit Daniel Craig als 007. Fans und Industrie können es kaum noch erwarten.
Für den Rekord würde es nicht reichen – findige Bond-Fans hatten schon bald nach der erneuten Verschiebung des Startermins für den 25. (offiziellen) James-Bond-Film „Keine Zeit zu sterben" auf den 28. September 2021 nachgerechnet. Die längste Zeitspanne zwischen den Premieren zweier Bond-Filme – „Lizenz zum Töten" (1989) und „Golden Eye" (1995) – beträgt 2.344 Tage. Für einen neuen Rekord müsste die Erstaufführung also nach dem 27. März 2022 stattfinden. Ein schwacher Trost, war die Premiere von „Keine Zeit zu sterben" doch ursprünglich für November 2019 geplant.
Dabei ging es so gut los, war es doch gelungen, Großbritanniens Regie-Darling Danny Boyle („Slumdog Millionär") zu verpflichten. Doch damit begannen auch die Probleme. Boyle bestand darauf, seinen Stamm-Drehbuchautor John Hodge mitzubringen, das Drehbuch der Bond-Autoren Neal Purvis und Robert Wade – an jedem Bond-Film seit „Die Welt ist nicht genug" (1999) beteiligt – sollte nicht verwendet werden. Doch Hodges Entwurf gefiel den Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson nicht, und so kam es zur Trennung von Boyle und Hodge wegen „kreativer Differenzen".
Schon einen Monat später, im September 2018, wurde Cary Joji Fukunaga („True Detective") als neuer Regisseur vorgestellt – der erste Amerikaner, der bei einem offiziellen Bond-Film Regie führt. Das Purvis-Wade-Script wurde wieder hervorgeholt und zunächst von Oscar-Preisträger Paul Haggis bearbeitet, danach noch einmal von Scott Z. Burns („Das Bourne Ultimatum"). Auf Wunsch von Daniel Craig bekam das Drehbuch noch eine weitere Überarbeitung, diesmal von der britischen Schauspielerin und Autorin Phoebe Waller-Bridge. Auch Craig selbst und Regisseur Fukunaga legten noch einmal Hand ans Drehbuch an. Zu diesem Zeitpunkt war längst klar, dass der November-Termin nicht zu halten war, die Premiere wurde zunächst auf Februar, wenig später dann auf April 2020 verschoben.
Erste Verzögerung durch Wechsel des Regisseurs
Böse Zungen hatten das Gerücht gestreut, Waller-Bridge sei verpflichtet worden, um das Script „#meetoo"-tauglich zu machen. Bond solle endgültig der Macho-Zahn gezogen und aus dem ehemaligen „frauenfeindlichen Dinosaurier" ein weichgespülter Waschlappen werden. Dem widersprachen die Produzenten, Craig und Waller-Bridge energisch. Ihre Aufgabe sei in erster Linie gewesen, die Dialoge zu polieren – diese waren noch nie wirklich eine Stärke von Purvis und Wade gewesen – und eine Prise Humor einzustreuen. Dass sie dabei auch darauf achte, dass Frauen im Film anständig behandelt werden, verstehe sich von selbst, sagte die 36-jährige Emmy-, Golden Globe- und Bafta-Gewinnerin.
Im April 2019 begannen schließlich die Dreharbeiten auf Jamaika, in unmittelbarer Nähe von sowohl Bonds literarischer als auch seiner filmischen Wiege: Ian Flemings Villa „Goldeneye", wo er einst den Agenten 007 mit der Lizenz zum Töten ersann und auch all seine Romane geschrieben hatte, und Oracabessa Beach, wo Ursula Andress als Honey Ryder im weißen Bikini aus den Fluten gestiegen war und den Mythos des Bond-Girls begründet hatte. Wobei, es soll ja jetzt nicht mehr Bond-„Girl" sondern Bond-„Woman" heißen, was eigentlich schon seit mindestens den 1990er-Jahren propagiert wurde, sich aber nie wirklich durchgesetzt hat.
Gedreht wurde außerdem in der Kulturhauptstadt Europas 2019, Matera in Süditalien, zudem in Norwegen, Schottland, London – sowohl in der Stadt selbst als auch in den dort ansässigen Pinewood Studios – und auf Färöer. Während der Dreharbeiten kam es zu diversen Zwischenfällen. In Jamaika verletzte sich Daniel Craig am Knie und musste operiert werden. In den Pinewood Studios misslang eine geplante Explosion, wobei ein Mitarbeiter leicht verletzt wurde. Die britische Arbeitsschutzbehörde sperrte daraufhin das Set für einige Tage.
Eher amüsant mutet da eine Episode aus Norwegen an: Wenige Tage vor Beginn der Dreharbeiten auf der spektakulären Atlantic Ocean Road hatte ein norwegischer BMW-Club durch das fleißige Üben von Burnouts die Straße über mehrere Kilometer mit dicken schwarzen Streifen „verziert". Versuche der norwegischen Behörden, die Streifen zu entfernen, waren wenig erfolgreich, und so wurde vermutlich mittels digitaler Tricks versucht, das Beste daraus zu machen. Aufgrund dieser Zwischenfälle hatte die britische Boulevard-Presse in ihrer üblichen Art versucht, „Keine Zeit zu sterben" zum „verfluchten Film" hochzustilisieren – aber auch das gehört mittlerweile bei jedem Bond-Film fast schon traditionell dazu.
Im Oktober 2019 waren die Dreharbeiten offiziell beendet, Nachdrehs folgten noch bis Dezember. Im November wurde bekanntgegeben, dass Komponist Dan Romer das Projekt ebenfalls aufgrund kreativer Differenzen verlassen habe. Als sein Nachfolger wurde im Januar niemand Geringeres als der deutsche Star-Komponist Hans Zimmer vorgestellt. Den Titelsong würde die damals 18-jährige Billie Eilish sowohl schreiben als auch singen, die heißeste Newcomerin auf dem weltweiten Musikmarkt. Alles war bereit, es hätte so schön werden können. Und dann kam Corona.
Premiere per Streaming kam nicht infrage
Bereits Ende Januar 2020 war klar, dass die geplante Promotion-Tour durch China, Japan und Südostasien nicht wie geplant würde stattfinden können. In China waren die Kinos bereits geschlossen. Welche Auswirkungen die Pandemie auf den Rest der Welt haben würde, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Anfang März aber war klar, dass es bis zur Lösung des Problems noch eine ganze Zeit dauern würde, und so wurde eine Verlegung des Starttermins auf November 2020 verkündet. Spätestens im September stand fest, dass es auch im November nichts mit einer Premiere werden würde. Nur wenige Tage, nachdem die Marketing-Maschinerie mit einem neuen Trailer erneut angelaufen war, wurde der Starttermin gekippt. Im April 2021 solle es aber endlich soweit sein.
Parallel dazu gab es Spekulationen über eine mögliche Premiere bei einem Streamingdienst. Disney hatte mit der Realverfilmung von „Mulan" erfolgreich vorgeführt, dass das funktionieren kann, hatte dabei allerdings den großen Vorteil, eine eigene Streamingplattform zu besitzen. Diesem Beispiel folgend hatten verschiedene andere Studios nachgezogen, schließlich mussten Geld verdient und Aktionäre zufriedengestellt werden. Damit hatte man allerdings den Zorn der Kinobetreiber auf sich gezogen. Und Bond? Netflix und Apple sollen angeblich 600 Millionen Dollar für die Streaming-Rechte von „Keine Zeit zu sterben" geboten haben, was aber von Produzentin Barbara Broccoli rundweg abgelehnt wurde. Ein Bond-Film hat seine Premiere im Kino zu haben und sonst nichts. Zudem war das Angebot ohnehin zu niedrig.
2021 kam, aber Corona ging nicht. Schon im Januar gab es eine erneute Terminverschiebung, im Oktober solle es aber wirklich soweit sein, hieß es. Vier Wochen später wurde der Termin doch noch einmal geändert, dieses Mal aber vorverlegt auf Ende September – nicht ganz zwei Jahre nach dem Termin, der 2017 erstmalig bekanntgegeben wurde. Ein Satz aus dem Trailer dürfte den Fans während dieser Zeit öfter durch den Kopf gegangen sein: „Sie sind spät dran, Mr. Bond."
Anfang September lief das Marketing wieder an, neue Trailer und Fotos erschienen, und Sponsoren nahmen ihre Kampagnen wieder auf. Spätestens jetzt war klar, dass es kein Zurück mehr gibt. So stand es auch zu Beginn des neuen Trailers zu lesen: „Das Warten hat ein Ende". Der Film muss jetzt in die Kinos kommen, damit man rechtzeitig zu Weihnachten DVDs und Blu-rays in die Regale stellen kann. Auch ein Streamingangebot soll es spätestens bis zum Fest geben. Schließlich wird vom neuen Bond Großes erwartet: Um als erfolgreich zu gelten, müssen die Einnahmen die geschätzten Produktionskosten von 300 bis 400 Millionen Dollar um das Dreifache übersteigen, die Marke von einer Milliarde Dollar muss also geknackt werden.
Außerdem soll er auch noch ganz nebenbei die Welt retten, nämlich die der Kino-Industrie. Dort hofft man inständig, dass der Film die Lust des Publikums auf das Kinoerlebnis wieder anfacht und dass nach langem Darben endlich wieder Umsätze generiert werden können. Aber so etwas ist ja bekanntermaßen eine von Bonds leichtesten Übungen.