Aus dem erfolgreichen Spielmacher-Trio ist bei Meister Alba Berlin einzig Maodo Lo übrig geblieben. Der Nationalspieler soll und will noch mehr Verantwortung übernehmen.
Aus modischer Sicht war das Olympia-Abenteuer für Maodo Lo ein Reinfall. „Yeeeooo, wer ist verantwortlich für dieses Outfit?", schrieb der Basketball-Nationalspieler Maodo Lo in seiner Instagram-Story, in der er das mintgrüne Dress von „Team D" mit bedröppeltem Gesichtsausdruck und schlaffer Körperhaltung trug. Auf dem Parkett machten Lo und die deutschen Basketballer aber eine gute Figur, der Einzug ins Viertelfinale war ein Lichtblick nach dem WM-Debakel vor zwei Jahren. Lo war dafür mitverantwortlich, der Point Guard spielte stark auf und trieb die DBB-Auswahl immer wieder an.
Vertragsverlängerung hatte oberste Priorität
Einen Lo in der Olympia-Form erwartet auch Meister Alba Berlin, der am vergangenen Donnerstag gegen die Telekom Baskets Bonn die neue BBL-Saison eröffnete. Seine Vertragsverlängerung hatte im Club oberste Priorität, „er soll bei uns eine Schlüsselposition einnehmen", erklärte Sportdirektor Himar Ojeda: „Maodo kann jetzt Spiele dominieren." In Ansätzen habe er das bereits in den Play-offs der Vorsaison gezeigt, nun auch in der Nationalmannschaft. „Das ist die Art Spieler, die er sein kann", meinte Ojeda, „wir wollen, dass er dies hier in Berlin weiterentwickelt."
Dieses Vertrauen überzeugte Lo. Er unterschrieb beim Hauptstadtklub kurz vor Olympia-Start einen neuen Zweijahresvertrag, obwohl ihm auch zahlreiche andere Angebote vorlagen. Als bester verbliebener deutscher Free Agent außerhalb der NBA hatte Lo zu jener Zeit eine große Auswahl. Doch er entschied sich für Kontinuität, weil er von Albas Weg komplett überzeugt ist und sich damit identifizieren kann. Und weil er emotional mit Berlin und dem Verein verbunden ist. „Es ist sehr schön für mich, in meiner Heimatstadt, bei meiner Familie und Freunden zu sein", sagte der 28-Jährige.
Nach seinem Wechsel von Albas Dauerrivalen Bayern München vor einem Jahr brauchte Lo etwas Anlaufzeit, um sich auf die ungewöhnliche Spielidee von Trainer Aito Garcia Reneses umzustellen. Das situative System, das Reneses-Nachfolger Israel Gonzales eins zu eins fortsetzt, verlangt weniger Automatismen, dafür mehr Kreativität und Eigenverantwortlichkeit. Von seinen Qualitäten her ist es wie geschaffen für Lo, den Instinkt-Basketballer, der im Eins-gegen-eins mit seinen Crossover-Dribblings so stark aufdrehen kann und im Face-up-Spiel so nervenstark ist.
„Es war offensichtlich, wie gut er sich auf unseren Spielstil eingestellt hat", lobte Ojeda: „Gegen Saisonende hat er dann richtig gezeigt, welch großes Potenzial in ihm steckt". Während der Sportdirektor die Abgänge der ebenfalls überragenden Meister-Spielmacher Peyton Siva und Jayson Granger als branchenüblich schluckte, kämpfte er um Lo wie um keinen anderen Profi, dessen Vertrag auslief. Weil er auch wusste: Einen weiteren Abgang auf der so wichtigen Spielmacher-Position konnte sich Alba nicht erlauben.
Neben Lo sollen auch zwei Neuzugänge das Spiel der Berliner ankurbeln: der Israeli Tamir Blatt und der Amerikaner Jaleen Smith. Nach seiner einjährigen Leihe zu Hapoel Bank Yahav Jerusalem will Blatt beweisen, dass er inzwischen gut genug ist für eine tragende Rolle beim Bundesligisten. Ojeda traut dem 24-Jährigen diesen Schritt zu: „Durch seine Passqualitäten kann er seine Mitspieler in Szene setzen und mit seinem starken Wurf selbst für Punkte sorgen." Der Sohn der Trainer-Ikone David Blatt ist wichtig, um Lo und Smith Verschnaufpausen zu verschaffen, ohne dass die Teamleistung zu stark abfällt.
Smith kam mit der Empfehlung der MVP-Auszeichnung in der Vorsaison, der 26-Jährige hatte eine herausragende Hauptrunde mit den Riesen Ludwigsburg gespielt. Sogar die Philadelphia 76ers und die Phoenix Suns zeigten Interesse an dem 1,90 Meter großen Point Guard, entschieden sich aber nach einem Probetraining gegen eine Verpflichtung. Gut für Alba, die ohne Zögern zuschlugen. „Jaleen passt spielerisch und charakterlich hervorragend in unsere Mannschaft", sagte Trainer Gonzalez: „Mit seiner Vielseitigkeit, Athletik und SpielÂintelligenz ist er sowohl in der Offensive als auch in der Defensive eine große Verstärkung."
Smiths Karriere ging seit dem Ende am College 2017 steil nach oben, von der zweitklassigen ProA in Heidelberg ist er nun beim Deutschen Meister angekommen. „Ich konnte mir schon in den letzten drei Jahren gut vorstellen, einmal hier zu landen", sagte er: „Meine Spielweise passt gut zu Alba. Jetzt bin ich hier." Ojeda schätzt die professionelle Einstellung des US-Profis besonders, „wir sind überzeugt, dass er sich in unserem Programm noch weiter verbessern kann". Denn auf Euro League-Niveau hat Smith seine Fähigkeiten noch nicht unter Beweis gestellt. Doch genau wegen dieser Erfahrung ist er nach Berlin gekommen, er wolle sich „mit den besten Teams Europas messen".
Intern ist aber allen klar: Smith und Blatt benötigen Eingewöhnungszeit. „Der Spielstil bei Alba ist sehr eigen", sagte Lo: „Wenn man das vorher nie gespielt hat, muss man sich daran erst gewöhnen." Ihm erging es nicht anders. In den ersten Monaten suchte der Nationalspieler seine Form, ihm fehlten der Rhythmus und das Selbstvertrauen für die kreativen Momente. „Das hat ein bisschen gedauert, aber man hat nach einer Weile gesehen, dass ich da auch gute Leistungen zeigen kann in dem Aito-System", sagte er.
Zurückgeworfen wurde Lo auch von einer Corona-Erkrankung, die ihn wie sechs andere Teammitglieder auch im Oktober aus der Bahn geworfen hatte. Die Zeit in der Quarantäne war kein Spaß, die Beschwerden über drei Wochen nicht gerade klein. „Ich hatte alle typischen Symptome, die Müdigkeit war aber das Schlimmste", berichtete Lo. Er habe sich „immer schlapp" gefühlt. In der heißen Saisonphase lief Lo aber zur Höchstform auf, diesmal will er von Saisonbeginn an zeigen, dass er als Spielmacher Nummer eins Alba führen kann.
„Auf jeden Fall die richtige Entscheidung"
Privat hat er seinen Wechsel aus München ohnehin nicht bereut. Es sei „auf jeden Fall die richtige Entscheidung" gewesen, meinte Lo, auch wenn sich Berlin in der schlimmsten Corona-Zeit verändert habe: „Berlin ist ganz anders, als ich es gewohnt bin." Doch Bars, Restaurants und sogar Clubs haben in der Hauptstadt wieder geöffnet, in den Straßen tobt allmählich wieder das Leben. Dieses Gefühl braucht Lo für sein Wohlgefühl, dem Sohn der bekannten Berliner Künstlerin Elvira Bach und des senegalesischen Vaters Alioune Lo fiel in einem Atelier in Kreuzberg während des Lockdowns sprichwörtlich die Decke auf den Kopf.
„Maodo ist sehr sozial eingestellt", sagte seine Mutter, „für den Spitzensport fast zu wenig egoistisch." Für Alba sei das aber ein Gewinn, meinte die Malerin: „Auf dem Feld ist das eine große Qualität, weil er seine Mitspieler in Szene setzen will." Lo profitiert auch von seiner Ausbildung, die alles andere als linear verlief. In die Junioren-Nationalteams schaffte er es nie, weil sein Spielstil „früher nicht so anerkannt war in Deutschland", wie er selbst sagte. Deshalb habe er damals „nicht so die Anerkennung bekommen".
Der Basketball, den er sich zuerst auf der Straße, dann im Käfig und schließlich am College in den USA aneignete, ist heutzutage aber auch in Deutschland gefragt. Bei Alba sowieso, hier sind Instinktbasketballer wie Lo sogar das Ideal. Und die gelben Outfits stehen ihm auch besser als die mintÂgrünen bei Olympia.