Geschafft. Ein paar Wochen zumindest gab es dann doch so etwas wie eine gewisse Spannung. Was ist nicht alles gedacht, gesagt, geschrieben und gesendet und vor allem spekuliert worden. Das Lustige und gleichzeitig Frustrierende dabei ist: Vieles davon dürfte sich jetzt nach dem Wahlsonntag während der Koalitionsverhandlungen noch mal ziemlich problemlos aufwärmen lassen.
Was also haben wir lernen können? Erst einmal: Der Wähler (natürlich auch in weiblicher und allen anderen Formen) hat sich seinen Status als „Das unbekannte Wesen" zurückerobert, vielleicht zum ersten Mal so richtig erobert. Volatil soll es sein, dieses Wesen, also schwankend, unbeständig, wechselhaft, so die Klagen in Parteizentralen und nicht wenigen Redaktionskonferenzen. Es lässt sich so gar nichts richtig damit anfangen. Schlimmer noch: Je inflationärer die Umfragen und Sonntagsfiktionen, umso weniger scheren sich die Befragten selbst drum.
Das unbekannte Wesen ist wählerischer und eigensinniger geworden.
Dass Koalitionsfindungen schwieriger geworden sind – ja und? Unser aller Leben ist nicht leichter geworden. Und seit wann sind Wähler dazu da, es der Politik leichter zu machen? War das nicht mal umgekehrt gedacht? Und was an großartigen Themen ausgedacht wurde für den Wahlkampf – und was eher keine Rolle spielen sollte – sei’s drum. Es war nicht alles falsch, nur dieses merkwürdige Wesen hat noch ganz andere wichtige Fragen. Und es kann die, zur völligen Überraschung, nicht nur im Netz auskotzen, sondern im leibhaftigen Gespräch erklären.
Die Diskrepanz ist vielen im Berliner Politikbetrieb durchaus klar. Streitsuchende Talkshows, um die sich symbiotisch eine ganze Gilde rankt, die davon lebt, Talkshowauftritte zu begutachten und zu bewerten, ist eine Blasenwelt, in der sich so gut wie alles nur um sich selber dreht. Ziemlich viel voyeuristischer Regenbogenboulevard, ziemlich wenig politischer Diskurs.
Und das unbekannte Wesen? Das wünschte sich schon mal, es hätte mehr als nur eine Zweitstimme, (Studie Rheingold-Institut, Köln), um selbst sein „Koalitionssüppchen" mit seiner Wahl zu kochen. Und zwar vorher. Aber das ist ja nicht vorgesehen. So geht es dann in die nächsten Runden.
Oliver Hilt, Politik-Redakteur bei FORUM.