Im Saarland ist das Ergebnis der Bundestagswahl mit besonderer Aufmerksamkeit aufgenommen worden. Im kleinsten Flächenland findet in einem halben Jahr die erste Landtagswahl nach der Bundestagswahl statt. Auswirkungen sind jetzt schon sichtbar.
Im Grunde können im Saarland die Stellwände für die Wahlplakate stehen bleiben. Sie werden noch gebraucht für die Landtagswahl Ende März kommenden Jahres. Der Wahlkampf dafür ist längst derart im Gange, dass gelegentlich die Bundestagswahl wie eine Art Testwahl für den Urnengang an der Saar wirkte. Das Ergebnis der Bundestagswahl hat die Ausgangslage dafür gründlich verändert.
Die SPD hat alle vier Wahlkreise direkt gewonnen, somit der CDU drei abgejagt. Bemerkenswert dabei ist, dass Außenminister Heiko Maas im direkten Duell den Wahlkreis von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (direkt gewählt seit 2009) gewinnen konnte und dass der als für die CDU sicher angenommene Wahlkreis St. Wendel an die SPD fiel. Zudem war Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer in Saarbrücken unterlegen. Altmaier und AKK ziehen über die Landesliste in den Bundestag. Schon alleine diese Gewinne hätten der Saar-SPD Auftrieb genug geben können.
Die Sozialdemokraten litten unter der bis dato fast gesetzmäßigen Erfahrung, dass in einer Großen Koalition der Juniorpartner am Schluss immer das Nachsehen hat, weil auch seine Erfolge auf den Regierungschef und damit den größeren Partner reflektieren. Diese bittere Erfahrung haben die Sozialdemokraten vor fünf Jahren gemacht, als sie in Umfragen Wochen vor der Wahl zeitweilig fast auf Augenhöhe mit der CDU lagen, ein Wechsel greifbar nahe schien, und dann AKK in einem fulminanten Endspurt davonzog und damit gleich auch noch den damaligen Schulz-Zug im beginnenden gleichzeitigen Bundestagswahlkampf ausbremste.
Ganz anders das Bild jetzt. Nicht Umfragen, sondern reale Wahlergebnisse bringen der Sozialdemokraten neue Zuversicht. Neben den direkt gewonnenen Wahlkreisen verbucht die SPD landesweit ein Plus von über zehn Punkten (37,3 Prozent). Flächendeckend hat sich das Saarland damit rot gefärbt. Der Koalitionspartner CDU muss dagegen Verluste von 8,8 Punkten hinnehmen und landet bei 23,6 Prozent.
Die Karten für die Landtagswahl sind neu gemischt
„Schmerzhafte Verluste, da gibt es auch gar nichts umzudeuten", reagierte Ministerpräsident und CDU-Landeschef Tobias Hans noch am Wahlabend. Dagegen stellt seine Stellvertreterin, Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger, zugleich SPD-Landeschefin, fest: „Die SPD ist wieder da. Viele hatten uns abgeschrieben, das war ein Fehler". Der 26. September hat die Karten für die Landtagswahl am 27. März neu gemischt.
Seit 2012 regiert im Saarland eine Große Koalition als Folge eines gescheiterten „Jamaika-Experiments". Vor fünf Jahren ließ die Konstellation im Landtag keine andere Möglichkeit als die Fortsetzung der Groko unter CDU-Führung zu. Grüne und FDP hatten den Einzug ins Landesparlament verpasst, mit der AfD wollte niemand zusammenarbeiten, für SPD und Linke zusammen reichte es nicht. Als Annegret Kramp-Karrenbauer dann Anfang 2018 nach Berlin wechselte, zog Tobias Hans als Ministerpräsident in die Saarbrücker Staatskanzlei ein.
Obwohl auch im Saarland die Groko nicht gerade das politische Lieblingsprojekt der Beteiligten ist, funktioniert sie in der Sache weitgehend effektiv und zumeist vergleichsweise geräuschlos. Der Tonfall hatte sich aber in der jüngsten Vergangenheit zunehmend verschärft. Die SPD-Fraktion hat sich wesentlich auf die CDU-Kabinettsmitglieder Monika Bachmann (Gesundheit) und Klaus Bouillon (Innen) eingeschossen, die CDU-Fraktion ihrerseits geizt nicht mit kritischen Bemerkungen in Richtung der SPD-Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot. Damit sind auch die wesentlichen Themenfelder für den Landtagswahlkampf abgesteckt.
Schon die Versammlungen zu den Listenaufstellungen für die Bundestagswahl standen bei allen Parteien bereits ganz im Blick auf den Landtagswahltag. Personell zeigten sowohl CDU als auch SPD neue Gesichter, bei FDP und AfD standen bereits die Fragen über mögliche Spitzenkandidaturen für den kommenden März im Raum. Linke und Grüne waren dagegen vorrangig mit den eigenen internen Streitereien beschäftigt.
Eine Klarheit hat Linke-Fraktionschef Oskar Lafontaine gleich am Tag nach der Bundestagswahl geschaffen. Er will bei der kommenden Landtagswahl nicht mehr antreten. Eine Folge der Dauerauseinandersetzung mit Linke-Landeschef Thomas Lutze, der vom knappen Wiedereinzug der Linken in den Bundestag profitiert. Die Botschaft dürfte die SPD zusätzlich beflügeln. Mit Lafontaine an der Spitze hatte die Saar-Linke für West-Verhältnisse immer überdurchschnittlich gute Ergebnisse erzielt, zulasten der SPD. Mit seinem Rückzug kann sich die SPD hoffen, verlorene Wählerstimmen zurückzugewinnen.
Die Wahl wird alles andere als langweilig
Wie es mit den Saar-Grünen weitergeht, ist völlig offen. Die Partei hatte sich vor der Bundestagswahl in einem bundesweit beachteten ziemlich einzigartigen Schauspiel selbst zerlegt bis hin dazu, dass sie wegen einer nicht zugelassenen Liste nur Zuschauer waren. Dass sich die Partei in den nächsten Monaten wieder berappelt, ist schwer vorstellbar. Das massiv verlorene Vertrauen in der kurzen Zeit zurückzugewinnen ist ohnehin eine wohl kaum leistbare Aufgabe. Bei der Bundestagswahl sind die ehemals grünen Stimmen offenbar wohl eher bei der SPD gelandet. Angesichts der hohen Wahlbeteiligung dürfte wohl nur ein geringerer Teil in den Nichtwählerbereich gewandert sein.
Die AfD hat trotz Führungswechsel vor einem Jahr ihre internen Auseinandersetzungen aus der Ära von Josef Dörr noch nicht überwunden. Parteichef Christian Wirth ist wieder in den Bundestag eingezogen, mit dem aus der Fraktion ausgeschlossenen Parteivize Lutz Hecker stünde ein Spitzenkandidat für die Landtagswahl zur Verfügung. Die Partei scheint mit zehn Prozent eine Stammwählerschaft gefunden zu haben.
Die FDP dürfte getragen vom derzeitigen Bundestrend gute Chancen haben, in den Landtag zurückzukehren. Offen ist, wer die Partei in den Wahlkampf führt. Viele gehen davon aus, Parteichef Luksic, der erneut in den Bundestag eingezogen ist, könnte in die Landespolitik wechseln und darauf spekulieren, womöglich bei einer künftigen Regierungsbildung mitreden zu können.
Der Herbst wird die ersten Weichenstellungen bringen. Die SPD hat es eilig und bereits jetzt ihre traditionelle Saarlandklausur für Anfang Oktober angekündigt, bei der üblicherweise die zentralen inhaltlichen Perspektiven formuliert werden. „Wir sind zuversichtlich für die Landtagswahl, aber wir haben auch noch ein halbes Jahr ordentlich zu regieren", unterstreicht Fraktionschef Ulrich Commerçon. Sein CDU-Kollege Alexander Funk meint: „Wir sind personell gut aufgestellt und werden in den nächsten Wochen dafür sorgen, auch inhaltlich gut aufgestellt zu sein." Allerdings stehen der CDU nach den Verlusten im Saarland einige Diskussionen ins Haus, womöglich auch personelle, nicht zuletzt infolge der verlorenen Direktmandate. So war bereits spekuliert worden, dass Peter Altmaier zugunsten von Nadine Schön (St. Wendel) verzichten könnte, oder dass womöglich Nadine Schön im Blick auf die Landtagswahl eine Rolle spielen könnte. Vor fünf Jahren gehörte sie bereits zum Team von AKK im Wahlkampf. Allerdings hatte sie immer, zuletzt auch im FORUM-Interview betont, sie sehe ihre Aufgabe für das Saarland in Berlin. Das war vor der Wahl.
Wer bislang von einem eher langweiligen Landtagswahlkampf ausgegangen war, dürfte seine Einschätzung nach der Bundestagswahl korrigieren. Im Saarland ist einiges in Bewegung gekommen. Der Tonfall zwischen den Koalitionären wird sich wohl verschärfen. Bei der CDU aus Nervosität, bei der SPD aus zusätzlicher Angriffslust. Aber die sechs Monate bis zur nächsten Wahl sind eine lange Strecke, auf der sich vieles ändern kann.