Das „Noumì" in Mitte erfindet mit variantenreicher frischer Pasta die indochinesische Küche neu. Leicht, alltagstauglich und farbenfroh fanden die Gerichte gleich nach der Eröffnung zahlreiche Fans, die gern in das Restaurant hinter dem Auswärtigen Amt einkehren.
Die kulinarische Welt wird gleich hinterm Auswärtigen Amt bunt. Bien Nguyen dreht im „Noumì" jeden Tag farbige Teigplatten durch die Walze ihrer Nudelmaschine. So entstehen „Carrot Mì", „Pink Mì", „Curcumì" oder „Noir Mì". Dazu kommen noch zartgelbe „Sesamì" oder mit Spinat gefärbte „Fresh Mì". Leuchtend weiße „Stick with Mì" aus Klebreis werden allerdings mit dem Messer von Hand geschnitten, erklärt ihr Bruder Tuyen Pham.
Die Geschwister hatten die Idee zum etwas anderen, indochinesischen Nudelrestaurant. Sie planten und schliffen zweieinhalb Jahre lang am Konzept. Die Eröffnung, gemeinsam mit Geschäftspartner Linh Pham, war im April dieses Jahres. Coronabedingt erst als Take-away, aber bald schon startete das Ecklokal mit Terrasse und Diplomatenausblick richtig durch. Den Ritterschlag erteilte die vietnamesische Community. Man kehrte ein und gab Feedback, dass das „Noumì" gut sei.
„Sis" Bien, wie Bien Nguyen respektvoll genannt wird, hatte mit ihrem Bruder Tuyen bereits in dessen erstem Restaurant, dem „Umami" im Prenzlauer Berg, zusammengearbeitet. Vietnam, das Herkunftsland der beiden, ist eine Nation, die auf Reisnudeln setzt. Aber da gibt’s ja noch chinesische, japanische und koreanische Pasta! Und auch die Spuren der ehemaligen französischen Kolonialherrscher: Baguettes, Cà Phê, Kräuter und Gemüse vom Dill bis zur Karotte gingen in die heimische Küche ein.
Das vielfältige Essen im weiteren indochinesischen Raum bot Bien Nguyen und Tuyen Pham genügend Anregungen, um ihre eigene, zeitgenössische Handschrift zu entwickeln. Der Name „Noumì" ergab sich beinah von selbst: eine Kreuzung aus „Nouille" und „Mì", dem französischen und vietnamesischen Namen für die Nudel.
Meine Lieblingsfarbe verpflichtet mich geradezu, die „Pink Mì Pho" am schönsten zu finden: Mit roter Bete gefärbte schmale Nudeln, lila Blumenkohl, grüne Zuckerschoten und weiß-grüne Pak-Choi-Blätter schippern in der kräftigen Rinderbrühe herum. Sie setzen markante Farbakzente zu den mit gehacktem Rindfleisch gefüllten Shisoblatt-Röllchen und Entrecôte-Streifen. Das sieht gut aus und schmeckt auch so. Sehr angenehm: Die Veggie-Variante steht auf der Karte gleich darunter. Sie ist mit Seitan in den Röllchen und geräuchertem Tofu ausgestattet.
Wir haben beim ersten Besuch aber als Veggie-Hauptgericht einen „Petit Monk" auf dem Teller. Der kleine Mönch besteht aus gedämpftem Tempeh und Tofu in einer Pflaumen-Honig-Soja-Reduktion. Er hat zu den spinatgrünen Nudeln am liebsten Zucchini, Brokkoli, Shiitake-Pilze und Spinat um sich. Plus etwas klares Sesamöl, Koriander und Kimchi für weitere eigenständige Akzente. So entsteht eine sehr yummige und stimmige orange-grüne Portion Essglück. Ich trinke an diesem warmen Mittag einen Eistee, der mich anflirtet: Scheibchen von Ume-Pflaumen, die in ihm herumschwimmen, arrangieren sich zu einem Zwinker-Emoji unter der Oberfläche. „Alter Süßholzraspler!", sage ich und liege damit völlig richtig. Die Wurzel verleiht dem kühlen Tee einen Hauch lakritzige Süße. Cute!
Das Essen hier ist ein bezahlbares Vergnügen
„Wir haben natürlich auch Reisgerichte", sagt Restaurantchef Linh Pham. Ein Mango-Bœuf oder ein Mango-Tofu werden mit Mango- und Fisch- oder Sojasauce sowie Gemüse, Edamame, Erdnüssen und Vollkornreis serviert. Bei der „Coco Temple"-Schale mit Hühnerfilet-Spitzen oder Tofu in rotem Curry ist es ein Vollkorn-Jasminreis. Er begegnet mir ebenfalls in Kuchen-Form: Bei den Vorspeisen standen Taro-Reiskuchen-Dreiecke mit Prawns, Soja-Honig-Dip und Coleslaw auf dem Tisch. Sie waren in bester Gesellschaft von gedämpften Dumplings mit Garnelen, Huhn und Pak Choi.
Rettich-Reiskuchen wiederum begleitete einen „Lazy Tuna" von der Wochenkarte, den ich bei einem zweiten Besuch aß. Der außen medium gegrillte, innen nur warm gezogene Thunfisch hatte es sich gerollt und aufgeschnitten unter einer Szechuan-Pfeffer-Marinade bequem gemacht. Der Baby-Leaf-Salat erhielt seine besondere Note durch gedämpfte grüne Spargelstücke und ein leicht süßes, umamivolles Sesam-Miso-Dressing. Der Drei-Komponenten-Teller à la Indochine war hervorragend abgestimmt und verhinderte zudem das „Suppenkoma". Kein unwichtiges Kriterium für die Gäste aus den Büros, die gern auf einen Mittagsteller einkehren!
Ohne es zu ahnen „detoxe" ich nebenbei und sage „Hello Spring" zu einem Smoothie aus Spinat, Spirulina, Ananas, Gurken, Aloe Vera, Reismilch, Limette und Agavendicksaft. Er ist nicht zu süß und vor allem nicht zu sättigend ausgefallen. Ich fühle mich wie der Schönheitsfarm entsprungen.
Das Essen im „Noumì" ist ein bezahlbares Vergnügen: Die Vorspeisen kosten zwischen 4,60 und 6,40 Euro. Bowls, Teller und Suppen liegen zwischen 7,80 und 16,80 Euro. Für Letzteres gibt’s den Star unter den Hauptgerichten: Beim „Noumì Rainbow" liegen alle sieben Nudelsorten auf dem Teller. Grünspargel, Blumenkohl und Brokkoli sind drumherum drapiert. In bester Surf’n’Turf-Manier lagern ein medium gegrilltes Entrecôte plus Großgarnele obenauf. Eine cremige Spinat-Basilikum-Sauce mit einem Tick Wasabi verbindet alles ideal miteinander. Ein schmackhaftes Angebot für die „Einmal alles!"-Fraktion!
Die Herstellung der Nudeln ist eine Wissenschaft für sich
Wer in Begleitung am Tisch sitzt, sollte sich unbedingt quer durch Gemüsegarten, Meer und Stall essen: Die Gerichte lohnen das Teilen und sehen dabei überaus schmuck aus. Veggies haben kein Problem; die Alternativen sind vielfältig. Auch die veganen Varianten sind im „Nudel-Guide" ausgewiesen. Für die Glutenfrei-Esser gibt’s allerdings ausschließlich Reisnudeln. Die leuchten dafür besonders strahlend weiß von den in Vietnam hergestellten Steinzeug-Tellern.
Wer in der richtigen Richtung sitzt, kann seinem Essen beim Entstehen zuschauen. Die offene Küche und Bar ziehen sich die beinah komplette Längsseite entlang. Die täglich hergestellten Nudeln kommen à la minute ins heiße Wasser. Auch die Suppen werden immer frisch angesetzt: „Morgens um sechs kommt jemand, um die Rinder- und die vegetarische Brühe zu kochen", sagt Tuyen Pham. Hinter den Nudeln „wie bei Mama" steckt mehr Arbeit als gedacht: Ist der Teig geknetet, ruht er einen Tag. Erst dann wird er mit den Gemüsen, Gewürzen oder Sepia eingefärbt. Anschließend ruht er erneut ein bis zwei Tage, bevor er ausgewalzt wird.
„Wir haben nächtelang experimentiert, wie und was am besten funktioniert", sagt Tuyen Pham. „Die schwarzen Nudeln dürfen zum Beispiel nicht zu weich werden." Sie werden mit der Tinte vom Tintenfisch eingefärbt. Gemüse wie Kartoffeln, Spinat oder Süßkartoffeln kommen möglichst von Anbietern aus der Region, ergänzt Linh Pham. „Nachhaltigkeit ist uns wichtig", sagt er. Ganz neu seien die To-go-Behälter über das Mehrwegsystem von Vytal. Das ist besonders wichtig für die Stammgäste, die ihr Essen regelmäßig mitnehmen. „Wir achten auch darauf, dass wir nichts grundlos wegwerfen." Kohlrabi- oder Möhrengrün etwa kommen als Geschmacksbooster in die Brühen.
Als Süßschnabel komme ich am Dessert und einem vietnamesischen Cà Phê, der langsam in Kondensmilch tropft, nicht vorbei. Die drei Kuchen-Varianten können was und das richtig gut. Eine Hokkaido-Tarte mit Kokosfleisch ist fluffig weich, die Kokoscreme obendrauf ein Träumchen. Der Matcha Cheesecake erfrischt kompakt, ist aber dennoch supercremig und mit vielen frischen Beeren obenauf. „Madame Rosé" präsentiert sich als rot-weißes Streifenhörnchen. Die Crêpe-Torte mit Erdbeerpüree und Sahnecreme kommt geradezu luftig daher. Die Desserts für 5,40 bis 6,40 Euro eignen sich bestens für eine Extra-Einkehr zum „Konditern".
Unerwartete Kombinationen sind Resultate der professionellen Verspieltheit von Gründer Tuyen Pham und seiner Partner in mehreren Lokalen. Er gründete die „Umami"-Restaurants 2014. In diesem Jahr kamen das „Bless" am Hausvogteiplatz und das „Noumì" hinzu. Pham arbeitete anfangs als Barkeeper. „Bei den Getränken kann man die Zutaten mixen", sagt der 33-Jährige. „Das ist beim Essen nicht so anders."
Leichtigkeit und Frische der vietnamesischen Küche und des weiteren asiatischen Raums spiegeln sich in den Gerichten. Sie zeigen, wie eine zeitgenössische asiatische Küche aussehen kann, die zwanglos Exotisches und Lokales sowie traditionelle Zubereitungsarten mit modernen Zutaten mixt. „Berlin ist in der asiatischen Gastronomie in Deutschland Vorreiter", sagt Linh Pham. Die Gastro-Kreativen rund um Tuyen Pham tragen das Ihre dazu bei: Ein nächstes Restaurant an einem attraktiven Ort am Wasser ist bereits in Planung.