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WAS MACHT EIGENTLICH...

Ray Dorset mit seiner Band Mungo Jerry bei einem Auftritt in Hamburg in den 70er-Jahren
Foto: picture-alliance / jazzarchiv

…  Ray Dorset?

Mit „In the summertime" komponierte er für seine Band Mungo Jerry 1970 einen der erfolgreichsten Sommerhits aller Zeiten. Er war auch als Komponist und Produzent für andere Musiker tätig und schuf etliche Film- und Fernsehmelodien. Der 75-Jährige will nach einer Bypass-OP mit seinem Song „That’s the colour of love" den Corona-Blues vertreiben.

Viele Musikfans halten „Mungo Jerry" immer noch für den Namen des exzentrischen Sängers einer britischen Band, der mit „In the summertime" ein echtes Pop-Evergreen gelang. Tatsächlich hieß der Frontmann und Kopf des Ensembles aber Ray Dorset. Dorsets auffälliges Aussehen mit großen Koteletten und breitem Lächeln rückten ihn dermaßen in den Mittelpunkt, dass man ihn total mit seiner Band identifizierte und sein richtiger Namen eher unbekannt blieb. Inzwischen hat Dorset den Bandnamen längst als persönlichen Künstlernamen übernommen. „In the summertime" hat er 1968 in wenigen Minuten komponiert. Mit primitiver Instrumentierung, in der auch Haushaltsgeräte zum Einsatz kamen, und ohne viel technischen Aufwand produziert, erschien der Song aber erst zwei Jahre später und schaffte es innerhalb kürzester Zeit zum Superhit: „Die Leute konnten damit was anfangen, lächelten und tanzten, wenn sie ihn hörten", sagte Dorset 2020 im Magazin „UDiscover Music". Der fast 50 Millionen Mal verkaufte Song gilt als erfolgreichster Sommerhit aller Zeiten und wurde vielfach gecovert. Die Single hält sich in der ewigen Bestenliste auf Platz drei hinter Bing Crosby „White Christmas" und Elton Johns „Candle in the wind". „Ich bin zutiefst glücklich, einen Song geschrieben zu haben, der so vielen Menschen auf der ganzen Welt Freude bereitet und wahrscheinlich schon fünf Generationen unterhält", verrät Dorset 2020. Der Erfolg habe ihn damals „völlig überrannt", als Provinzmusiker sei er innerhalb weniger Tage zum weltweit hofierten Star geworden. Heute bedauert er, dass der ganze Rummel ihn daran gehindert hat, mehr auf die Details seiner Verträge und auf mehr Mitspracherechte zu achten: „Mir ging es damals mehr um die Jagd als um die Beute. Mehr um die Musik als ums Geld." Deshalb sei er damals „ausgenommen worden wie eine Weihnachtsgans".

Der 75-Jährige will nach einer Bypass-OP mit seinem Song „That’s the colour of love“ den Corona-Blues vertreiben
Der 75-Jährige will nach einer Bypass-OP mit seinem Song „That’s the colour of love“ den Corona-Blues vertreiben - Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

Sechs Kinder von drei Ehefrauen

Trotzdem haben seine Hits, neben „In the Summertime" noch Top-Songs wie „Lady Rose", „Alright, Alright, Alright" und „Baby Jump", sowie seine Tätigkeit als Komponist und Produzent ihm einigen Wohlstand beschert, er besitzt unter anderem zwei Häuser in England und ein Restaurant. Aber schließlich hatte er auch sechs Kinder von drei Ehefrauen zu ernähren. Inzwischen sorgt der Nachwuchs längst für sich selbst. Sein Sohn Philipp ist ein weltweit gefragter Social-Media-Manager und Miguel ein hervorragender Fotograf, der heute alle offiziellen Fotos seines Vaters macht. Sohn James hat ein eigenes Plattenlabel und ließ es sich im Vorjahr nicht nehmen, zum 50. Jahrestag von „In the Summertime" 100 Musiker zusammenzutrommeln, um für Ray die offizielle Jubiläumsversion des Jahrhundertsongs aufzunehmen. Auch Dorsets Plattenfirma hat ihn 2020 mit einem Lyric-Video des Songs geehrt, die Medien würdigten ihn weltweit als Komponist und Produzent, und der Sender BBC zeigte eine „50-Jahre-Mungo-Jerry-Dokumentation".

Eigentlich könnte Dorset sich zur Ruhe setzen, aber Ruhestand sei etwas für Menschen, die ihr Leben lang in einer Firma angestellt waren und dann etwas ganz anderes machen wollen. „Meine Hobbys waren schon immer Musik und Elektrotechnik. Für mich hängt das eng zusammen. Hier die Musik – und da die elektronischen Prozesse, um Musik aufzunehmen und auf die Bühne zu bringen." Also gibt Dorset weiterhin Konzerte, mal mit seiner Blues-Rock-Band, mal alleine mit akustischer Gitarre. Seine im Vorjahr in Deutschland („Heute mein wichtigster Markt!") geplanten Jubiläumskonzerte sind der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen. Zuletzt veröffentlichte er sogar wieder neue Platten. 2019 kam mit „X-Treme" ein zeitloses Album auf den Markt und 2020 folgte „Touch the sky" in typischer Mungo-Jerry-Manier: ein frischer, moderner Mix aus Blues, Skiffle und Pop. Zudem gab es mit „Cocktail" einen Sampler mit seinen größten Erfolgen. Dorsets ganz aktuelle, im Mai erschienene Single heißt „That’s the colour of love". Sie war ursprünglich für einen japanischen Majo-Hersteller gedacht und ist in Sachen Stimmung, Sound und Songstruktur stark an „In the Summertime" angelehnt. „Ein bisschen habe ich mich selbst beklaut", scherzte Dorset bei der Veröffentlichung im Mai. „Der Song feiert das Leben und soll uns nach schwerer Zeit das Lächeln wieder zurückbringen." Daheim im englischen Bournemouth entstand zum gleichen Zweck kürzlich auch ein „Lockdown-thank-you-Song" mit Guter-Laune-Musik.

„Im Kopf wie ein 18-Jähriger"

Obwohl Dorset sich weiterhin jung fühlt – „Ich sollte eigentlich im Ruhestand sein, aber im Kopf bin ich noch wie ein 18-Jähriger" –, hinterlässt die Zeit auch bei ihm ihre Spuren. 2016 verriet er, dass er seit 45 Jahren an einem Reizdarm-Syndrom leidet, das er auf seine wilden Rock’n’Roll-Jahre zurückführt. Und in diesem Jahr musste er sich einer Bypass-Operation unterziehen. Trotzdem fühle er sich inzwischen aber wieder „wie neugeboren" und verbreitet genau die positive Stimmung, die er mit seiner Musik weiterhin vermitteln will, auch wenn er sich heute ohne sein Markenzeichen präsentiert: Die buschigen Koteletten sind ihm zu unpraktisch geworden.

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