Tim Kamp ist Gesellschafter und Mitglied der Geschäftsleitung der Saarbrücker HDW Neue Kommunikation GmbH. Der Diplomdesigner leitete einen Comic-Kurs an der HBK Saar. Dort erblickte Linus Lyoner das Licht der Welt.
Herr Kamp, Sie haben vor ungefähr 30 Jahren an der HBK Saar Design studiert. Der Studiengang heißt heute Kommunikationsdesign. Was beinhaltet er?
Damals hieß der Studiengang auch so, davor sprach man von Grafikdesign. Letztendlich meint man die Lehre der Text-Bild-Kommunikation. Werbung, Plakat, Broschüre – alles was gedruckt wird, und heute, erweitert auf die neuen Medien, beinhaltet Kommunikationsdesign. Von den Grundlagen her gesehen hat sich inhaltlich gar nicht so viel geändert, aber von den Mitteln, den Werkzeugen. Von der Idee zum Entwurf bis zum Druckerzeugnis, befindet sich alles auf dem Bildschirm und geht von dort zum Produzenten. Die Welt war früher analog, heute ist sie digital.
Nach dem Studium waren Sie zunächst Art-Director und sind bis heute Creativ-Director bei der HDW Neue Kommunikation GmbH. Deren Logo zeigt drei unterschiedliche typografische Rufzeichen vor den Buchstaben HDW, darunter den Zusatz „Neue Kommunikation". Ist anders rum schon neu?
Die Frage verstehe ich nicht.
Nun, Ausrufezeichen erwarten wir nicht vor den Buchstaben …
Davor oder dahinter, dem würde ich keine so große Wichtigkeit beimessen. Vielleicht ist es ganz interessant erst mal den Ausruf zu setzen und dann zu sagen, was kommt. Die drei unterschiedlichen Ausrufezeichen stehen mit den drei Gründern in Zusammenhang – einer ein bisschen athletischer, einer ein bisschen runder, einer ein bisschen kantiger. Ausrufezeichen aber auch, weil wir die besten sind. „Neue Kommunikation" bezieht sich auf crossmediale Kommunikation, auf vernetzte Kampagnen. Dabei geht es darum, alle Medien gleich gut mit einer Idee zu bedienen. Und zwar so, dass alle gut zusammenspielen. Wie bei einem Chor oder Orchester, bei dem jede Stimme oder jedes Instrument aufeinander abgestimmt ist.
Braucht der Mensch Werbung, weil er ein Nimmersatt ist?
Oh, eine philosophische Frage. Ob der Mensch ein Nimmersatt ist, entscheidet er für sich selbst! Ist er mündig, dann wird er zu einem bewusst wahrnehmenden Käufer und Entscheider. Ich denke, dass er dazu schon Werbung braucht, und zwar Werbung, die auf ihn passt. Ich bin kein Freund von Werbung, die etwas erzwingt, sondern eher ein vorhandenes Bedürfnis weckt.
„Großes entsteht immer im Kleinen". Mittlerweile ein geflügeltes Wort, das HDW Neue Kommunikation 2014 gemeinsam mit Jung von Matt/Elbe zur bundesweiten Saarland-Kampagne in die Welt gebracht hat. Lässt sich der Erfolg erklären?
Das ist ein starker Claim (Werbeslogan, Anm. d. Red.) und ein tragendes Element. Er trifft den Kern der Mentalität des Saarlandes. Das Saarland ist klein, aber in diesem Claim nicht negativ. Gerade, weil wir klein sind, ist das eine Riesenchance, hier Großes entstehen zu lassen. Das ist ein Lockruf zur Ansiedlung, sowohl für Firmen als auch Studenten, denn die Wege im Saarland sind kurz. Der Saarländer hat ein Identitätsproblem: Er fühlt sich immer klein. Andere sind besser, kreativer, innovativer. Das ist totaler Blödsinn, weil der Saarländer das alles auch hat. Und, um ihm das klar zu machen, funktioniert der Claim total gut. Das Saarland ist speziell – der Claim bringt das auf den Punkt!
Ein leer im All schwebender Karlsberg Urpils-Kasten. Der Geistesblitz aus der Agentur HDW bleibt unvergessen.
Das freut mich, dass Sie das sagen, weil das nach wie vor genial ist.
Wissen Sie noch, wie das Motiv damals in den 90ern entstanden ist?
Die schöne Anekdote ist, dass wir das Motiv gemeinsam in einer Kreativrunde kreiert haben. Es entstand aus verschiedenen Zurufen. Einer hat ein Bild von einem Bierkasten hingelegt. Einer hat gesagt: Mach doch die Flaschen raus. Ein anderer hat gesagt: Dann schreiben wir „All" drüber. Wir haben alle gelacht und zunächst gedacht: Vielleicht ein bisschen zu toll geblödelt. Das Motiv haben wir dann doch in eine Präsentationsreihe eingebaut – es war der absolute Renner. Das Motiv ist ein Evergreen, weil sich jeder Saarländer mit viel Liebe und Freude daran erinnert.
In einem online abgehaltenen HBK-Kurs stellten Sie die Aufgabe, einen Comicstrip für „FORUM – Das Wochenmagazin" zu entwickeln. Michèle Mannschatz erfand den Linus Lyoner. Hat der gezeichnete Wurstkringel das Zeug zum Comicstar?
Ja! Es wurde zwar schon viel lyonert im Saarland, von der Lyoner-Pfanne bis zu den Emojis, aber die Lyoner gehört trotzdem auch zur Saarland-Identität. Als Comicfigur umgesetzt, könnte Linus Lyoner Kultstatus bekommen. Der Comic ist schlau und unterhaltsam gemacht. Die Saarländer lieben sowas, davon bin ich überzeugt.
Für den Saarländischen Rundfunk ist die Zeichentrickfamilie „Saarlodris" unterwegs. Saarländer finden die entweder putzig oder peinlich. (Tim Kamp lacht) Glauben Sie, dem Linus Lyoner wäre ein ebensolches Schicksal zu prophezeien?
Nein, das glaube ich nicht. Der Linus Lyoner ist viel frecher, nicht so lieblich. Er kann ganz andere Storys, von politisch bis witzig-makaber, erzählen. Übrigens habe ich die „Saarlodris" zeichnerisch in die Form der Ampeln transformiert. (In Saarbrücken leuchten acht Ampelanlagen mit Saarlodri-Motiv; Anm. d. Redaktion).
Was Ihre Studentin Manon Scharnstein erdacht und gezeichnet hat, werden wir demnächst zeigen. Worauf darf sich die Leserschaft freuen?
Auf eine wirklich unterhaltsame Cartoon-Serie. Manon hat ja keinen Comicstrip, sondern Cartoons, „Ein-Bild-Gags", gezeichnet. Wir erleben potenzielle Mitbewohner, die sich bei einer Wohngemeinschaft bewerben müssen. Schöne Idee, starke Storys. Ihre Cartoons verleiten zum Schmunzeln oder laut Lachen!