Datenübermittlung im Gesundheitswesen muss deutlich schneller gehen
An Marktständen drängen sich vor allem Senioren immer wieder zwischen den Sicherheitslücken beim Schlangestehen durch. Sie wollen die angebotenen Waren aus der Nähe begutachten, bevor sie selbst an der Reihe sind und ihre Wünsche schnell äußern sollen. Hier würden digitale Großbildschirme helfen, auf denen die Früchte und Gemüse des Tages mit ihren Preisplaketten wie am laufenden Band vorbeiflanieren. So könnten auch Kurzsichtige diszipliniert mit zwei Metern Abstand zu den Kunden vor ihnen stehen und mit den Augen auf dem Heimkinoleinwand großen Display ihre Vorauswahl für den Einkauf treffen.
Zugegeben: Für die Marktstand-Betreiber ist es schwierig, solch großen Aufwand für ihre mobilen Marktstände zu betreiben. Sehr viel naheliegender wäre hingegen mehr Digitalisierung bei Ärzten und Ärztinnen. Statt Termine mit realistischen Zeitfenstern online zu vergeben und per SMS an deren Wahrnehmung zu erinnern, haben viele Hausärzte in den vergangenen Monaten ihre Patienten unter Corona-Rahmenbedingungen im Freien und in Treppenhäusern Schlange stehen lassen. Glückskinder waren hier Senioren, die in der Nähe ihrer Hausarztpraxis wohnen und vom Fenster sehen konnten, wann die Schlange während der Sprechzeit gerade angenehm kurz war. Doch ein solcher Blick aus dem Fenster ist die Ausnahme und sollte generell durch einen Blick auf einen Buchungsbildschirm ersetzbar sein.
Für alle unübersehbar ist, dass Digitalisierung im Gesundheitswesen durch Corona beispielsweise mit Video-Sprechstunden stark beschleunigt wurde und doch noch viel zu zögerlich daherkommt. Besonders die Hausärzte stehen auf der Bremse. Fast jeder fünfte Arzt tauscht Informationen mit Kollegen noch via Faxgerät aus. Das besagt eine Umfrage, für die der Digitalverband Bitkom gemeinsam mit dem Ärzteverband Hartmannbund Antworten bei mehr als 500 Ärzten in Deutschland eingeholt hat.
Das heißt, der Inhalt eines beschriebenen beziehungsweise bedruckten Stücks Papier wird von einem Faxgerät kopiert und auf einem zweiten Faxgerät am anderen Ende der Fernmeldeleitung auf einem weiteren Stück Papier wieder ausgedruckt. Sofern die Faxadresse stimmt und die Leitung gerade nicht belegt ist. Irgendwann wird das Fax – hoffentlich – von Mitarbeitern oder Medizinern entdeckt, die gerade nicht „am Patienten" arbeiten.
Stichwort „Telemedizin": Haben Männer besondere Hemmungen, wenn es um Innovationen geht, die der Gesundheit nützen? Der Verdacht drängt sich auf, denn immerhin Dreiviertel der befragten Ärztinnen sehen die Digitalisierung im Gesundheitswesen als Chance. Fast ein Drittel ihrer männlichen Kollegen betrachten elektronische Daten im medizinischen Betrieb hingegen vorrangig aus der Risikoperspektive.
Hier müssten die Krankenkassen ran, um die Krankheitsexperten beim Einrichten und Erproben ihrer digitalen Hard- und Software-Ausstattung an die Hand zu nehmen. Daneben existiert ein Modell, demzufolge Gesundheitsunternehmen den Ärzten Laptops, Software-Umgebung und technologische Unterstützung liefern, wenn diese sich revanchieren, indem sie einige Stunden via App ärztliche Beratung und Sprechzeiten im Auftrag der Health-Company anbieten.
Klar ist: Die Technik hinter Video-Sprechstunden muss anwenderfreundlich und intuitiv nutzbar sein, durch Ärzte wie durch Patienten. Doch solange Video-Konsultationen nicht auf Dauer ebenbürtig zum Sprechzimmer-Besuch der Patienten honoriert werden, haben Ärzte keine Motivation, sich mit der verfügbaren Technik zu beschäftigen. Das bedeutet, die Patienten bleiben im Regen stehen. Beispielsweise, wenn sie sich während einer Pandemie nicht im Wartezimmer anstecken sollen und trotzdem mit dem Arzt eine Operation vorbesprechen müssen.
Deutschland muss sich beeilen: Nicht nur beim Begrenzen von Infektionsausbrüchen durch geeignete Software kann langes Zögern Menschenleben kosten.