Fiat hat sein erstes Elektroauto auf den Markt gebracht – den neuen 500, den es nicht mehr als Verbrenner gibt. Äußerlich fast der alte, wurde der Kleinstwagen von Grund auf neu entwickelt. Das ist gut für die Reichweite. Mäkeln lässt es sich nur im Detail.
Erinnern Sie sich an den Namen Karabag? So heißt ein Fiathändler in Hamburg, der im Jahr 2010 dem italienischen Konzern mit einer Idee weit voraus war. Er verkaufte zum Elektroauto umgerüstete Versionen des Fiat 500, die er bei einer italienischen Firma umbauen ließ. Der erste elektrifizierte Cinquecento im Handel war allerdings ein teurer Spaß: Knapp 50.000 Euro verlangte der Händler für ein Exemplar. Solche Preise und auch der Karabag 500 sind Geschichte. Stattdessen ist seit Kurzem das erste „echte“ Elektroauto von Fiat im Handel – dank Umweltbonus ist es sehr viel günstiger.
Fiat hat den 500 gänzlich neu entwickelt und auf eine neue Plattform gestellt – was man dem Kleinstwagen kaum ansieht, da er dem Vorgänger zumindest so ähnlich sieht, dass es sich auch um ein Facelift handeln könnte. Doch bei genauerer Betrachtung sind die Unterschiede erkennbar, vor allem die Frontpartie mit Kühlergrill und massiven Lufteinlässen wirkt aggressiver und das ganze Auto damit etwas weniger knuddelig als der ab 2007 gebaute Vorgänger. In den Dimensionen ist der Kleinstwagen aber nur um jeweilige Zentimeter gewachsen.
Um den Unterschied zu markieren, ist beim neuen oft vom 500e die Rede. Offiziell heißt der kleine Stromer aber schlicht weiterhin Fiat 500, und das hat einen Grund: Das Modell wird ausschließlich als Elektroauto gefertigt. Die durchaus vielgestaltige Motorenpalette vom Zweizylinder Twin-Air bis zu Erdgas- und LPG-Verbrennern hat der Hersteller beim Neuen komplett ad acta gelegt. Den 500 treibt stattdessen ein Elektromotor mit wahlweise 70 kW/95 PS und 87 kW/118 PS an.
Es wirkt fast nur wie Facelift
Wichtiger als der pure Leistungsunterschied ist aber: Der schwächere wird mit einer Lithium-Ionen-Batterie von 23,8 Kilowattstunden (kWh) ausgeliefert, während das potentere Modell die größere Batterie mit 42 kWh in den Unterboden eingebaut bekommt – und die damit mehr bietet als die Konkurrenz von Mini E, Honda E, Smart EQ, Renault Twingo Electric oder Dacia Spring. Mit dem großen Akku liegt die offizielle WLTP-Reichweite bei 321 Kilometern, mit dem kleineren bei 190.
Wer stets kalkulierbare Wege in der Stadt fährt, dürfte mit dem kleinen Pack auskommen – das können Kuriere und Boten sein. Zumal der Kleine ziemlich schnell Strom nachtankt. Wer mehr Reichweitenpuffer benötigt – etwa, weil es auch mal über Land geht – dürfte zum größeren Energiespeicher greifen.
Der Verbrauch auf unseren Testfahrten lag mal bei gut 13, mal bei um die 15 kWh und damit sogar teils unter dem von Fiat angegebenen kombinierten Verbrauch von 14,7 kWh. Unsere hochgerechnete Gesamtreichweite für die netto nutzbaren 37,3 kWh im 118-PS-Modell lag bei 253 Kilometer – ein Wert, der dem standardisierten ADAC-Ecotest von 245 Kilometern im gemischten Betrieb nahekommt. Einkalkulieren sollte man stets jedoch Ladeverluste, wenn das Auto länger steht. Wir bewegten den Testwagen einmal vier Tage nicht – der Ladestand der Batterie schmolz von 80 Prozent auf 61 Prozent.
Fiat verspricht, dass beim Gleichstrom-Schnellladen mit 85 kW binnen etwa fünf Minuten Strom für 50 Kilometer in die Akkus fließt. Um die Batterie auf 80 Prozent aufzuladen, sei ein Stopp von rund 35 Minuten nötig. Weil die Ladeleistung zum Schutz der Batterie jedoch schrittweise verringert wird, dauert es noch mal rund eine halbe Stunde, bis der Speicher voll ist. Doch nur allzu oft dürfte der 500 an einer der nach wie vor verbreiteten 11-kW-Säulen mit Wechselstrom hängen; hier ist mehr Geduld gefragt: Einmal vollladen dauert über vier Stunden. Wer eine Wallbox zu Hause hat, kann den Kleinen so aber über Nacht prima auffrischen.
Äußerst frisch kommt der 500 auch vom Fleck, beim Rangieren zeigt sich das Gaspedal unsensibel, das Auto fast ungestüm. Das Drehmoment von 220 Newtonmeter setzt der 1,4 Tonnen schwere Fronttriebler direkt in Vortrieb um, in 3,1 Sekunden zeigt das Digitalcockpit Tempo 50 an. Erstaunlich ist, dass das Wägelchen kaum dazu neigt, die kleinen Räder durchdrehen zu lassen, ohne dass die Traktionskontrolle dabei zu viel Leistungspower lahmlegt. Sportlicheren Fahrern dürfte die Elektronik aber etwas zu vorlaut sein. Andererseits liegt das Wägelchen dank Akku-Mehrgewicht satt auf der Straße, der Fahrwerkskomfort geht als durchschnittlich durch. Bis 150 km/h hält der 500 auf der Autobahn mit, nur dringen dann die Windgeräusche deutlich ins Bewusstsein.
Beim Rangieren wird er fast ungestüm
Vielleicht gibt es präzisere Lenkungen, doch der Spaß kommt nicht zu kurz. Herrlich ist das Autoscooter-Feeling, das der 500 vor allem im Range-Modus vermittelt: Dann rekuperiert der Antrieb mehr Energie, bremst also ab, wenn man vom Fahrpedal geht – und lässt sich so auch stoppen. Wer vorausschauend unterwegs ist, kann ganz ohne Bremspedal auskommen. Die anderen beiden Fahrstufen, die sich per Wippschalter ganz analog in der Mittelkonsole ändern lassen, heißen „Normal“ für volles Drehmoment und „Sherpa“. Hinter Letzterem verbirgt sich ein Stromsparmodus für mehr Reichweite, der die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h drosselt und Sitzheizung wie Klimaanlage deaktiviert.Seine Wendigkeit und der quirlige Charakter verdankt der Fiat auch seiner kleinen Bauform, was klassentypisch Abstriche im Innenraum mit sich bringt. Vorn sitzen auch größere Personen bequem, doch hinten geht‘s sehr beengt zu. Auch der Kofferraum ist ein Witz mit seinen 170 Litern, doch klappt man die Sitzbank im Fond um, kommen bis zur Fensterkante immerhin 460 Liter zusammen. Generell luftiger wird’s in der Cabrioversion (3.000 Euro Aufpreis) bei geöffnetem Stoffverdeck, und auch eine neue Karosserieform 3+1 bietet Fiat an, um immerhin den Einstieg in den kleinen Fond zu erleichtern: Für 2.000 Aufpreis bekommt der 500 hinten rechts eine dritte, gegenläufig öffnende Tür.
Viele elektronische Helfer sind an Bord
Der Serienumfang ist jedoch ordentlich: Digitalinstrumente und schlüsselloses Starten sind immer an Bord, ebenso ein Paket an elektronischen Helfern vom Notbrems- über einen Spurhalte- bis zu einem Verkehrszeichen-Assistenzsystem. Der Abstandstempomat des Systems – „Co-Driver“ (plus 1.500 Euro) – funktionierte im Testwagen bei schönem Wetter gut. Bei schlechter Sicht jedoch quittierte das System schnell den Dienst. Und nach kurzen Stopps wie etwa hinter einer sich schnell wieder auflösenden Autoschlange im stockenden Verkehr oder an der roten Ampel, fährt der Fiat nicht automatisch wieder an – was andere Autos mit ähnlichen Assistenten oft können, wenn der Halt nicht mehr als einige Sekunden andauert. Auch der aufpreispflichtige 10,25-Zoll-Touchscreen nervte durch Behäbigkeit; Touchbefehle nahm er im Testwagen nur schleppend entgegen. Reibungslos dagegen: die Kopplung des Smartphones. Wir probierten es mit Apple Carplay aus, auch mit Android Auto soll sich der 500 gut verstehen. Auf besondere Art nimmt der 500 auch Kontakt mit der Außenwelt auf: Weil E-Autos allgemein, der Fiat im Speziellen aber sehr leise sind, gibt auch der kleine Italiener bei niedrigem Tempo Geräusche von sich, um vor allem im Stadtverkehr auf sich aufmerksam zu machen. Diese klingen sehr spacig, wie Walgesänge aus der Zukunft.