Dienstwagen-Privilegien und die damit verknüpften Steuervorteile führen zu einer ökologischen Schieflage, so eine Analyse von Öko-Institut und Agora Verkehrswende. Sie fordern mehr Anreize, um CO2 einzusparen.
Wasser predigen, aber Diesel saufen, formulierte es das NDR-Satiremagazin „Extra 3“ in seiner Rubrik „Realer Irrsinn“. Die Aussage bezog sich auf Birgit Hesse, die frühere Bildungsministerin von Mecklenburg-Vorpommern. In dieser Funktion hatte sie die Freitags-Klimaschutz-Demos gelobt. Kaum wechselte sie dann das Amt und wurde zur Landtagspräsidentin in Schwerin, tauschte sie den alten Dienstwagen, einen Audi A8 TDI quattro, in ein neueres Modell dieses Typs in einer anderen Farbe. Sportliches Blau statt schwarzer Karosse, verteidigte sie ihren neuen Diesel mit 286 PS. Was man nicht sah, war der Schadstoffausstoß. Die längere L-Version liegt mit 159 Gramm CO2 pro Kilometer über dem EU-Grenzwert von 130 Gramm.
Passt nicht wirklich dazu, dass sie zuvor als Bildungsministerin mit den Freitags-Demos sympathisiert hat, indem auch sie „unsere sorglose Art zu leben, die die Jugendlichen aufschreien lässt“ verurteilte und Fernreisen zur Disposition stellte.
Dass die Dienstwagen von Spitzenpolitikern Klimakiller sind, vermeldete die Deutsche Umwelthilfe schon vor Jahren. Daran hat sich wohl nicht viel geändert. Und es sind beileibe nicht nur die dicken schwarzen – oder blauen – Fahrzeuge, die man aus den Fernsehnachrichten kennt. Viele dieser großen Limousinen gehören Unternehmen. Woran es liegt, dass gerade solche Wagen angeschafft werden? Es lohnt sich! Steuervorteile führen zu einer milliardenschweren sozialen und ökologischen Schieflage, fanden Öko-Institut und Agora Verkehrswende in ihrer aktuellen Studie mit dem Titel „Dienstwagen auf Abwegen“ heraus. Ziel dieser Analyse im Rahmen des vom Bundesumweltministerium geförderten Projekts Compan-e ist es, Wege zu einer elektrischen und nachhaltigen Unternehmensmobilität aufzuzeigen.
Schieflage durch Steuervorteile
Vor allem Haushalte mit höheren Einkommen und größere Autos mit höheren Emissionen werden vom Fiskus steuerlich begünstigt, so die Analyse. Auch weil der Staatshaushalt dadurch Milliarden Euro pro Jahr verliert, wie vorgerechnet wird, plädieren die Analysten für das Ende der Verbrenner-Privilegien. Ihren Schätzungen zufolge kosten die gewährten Steuernachlässe auf die private Nutzung von Firmenwagen den Staat zwischen drei und sechs Milliarden Euro pro Jahr, Tendenz steigend. Und die Verteilung ist ungerecht: Etwa die Hälfte des Geldes geht an das Fünftel der Haushalte mit den höchsten Einkommen, während die Haushalte der unteren Einkommenshälfte nur etwa ein Fünftel abbekommen. Die geförderten Dienstwagen sind besonders klimaschädlich, weil sie mit durchschnittlich 160 PS deutlich mehr Motorleistung als privat zugelassene Pkw (115 PS) haben und mit rund 30.000 Kilometern doppelt so viel im Jahr fahren. Der Anteil der voll- und hybridelektrischen Fahrzeuge lag im ersten Halbjahr 2021 mit acht Prozent bei gewerblichen Neuzulassungen nur halb so hoch wie bei privaten.
Christian Hochfeld, Direktor der Denkfabrik Agora Verkehrswende, findet, dass eine Reform der Dienstwagenbesteuerung überfällig ist. Es reiche nicht aus, „eine unsoziale und klimaschädliche Regelung ein bisschen ökologisch aufzuhübschen. Sie muss von Grund auf neugestaltet werden.“ Was das konkret bedeutet? Schluss mit jeglichen Privilegien für Verbrennerdienstwagen, so Hochfeld. „Ob ich privat mit meinem eigenen Auto oder dem meines Arbeitgebers fahre, darf steuerlich keinen Unterschied machen. Aufbauend auf diesem Prinzip der Steuerneutralität kann die Bundesregierung vorübergehende Anreize für den Kauf und die Nutzung von nachweislich emissionsarmen Firmenwagen setzen.“
Konstantin Kreye vom Öko-Institut und Co-Autor der Studie bemängelt, dass „die geltende Regelung den geldwerten Vorteil viel zu niedrig bemisst.“ Damit bekämen die meist gut verdienenden Beschäftigten ein größeres Auto, als sie sich privat kaufen würden. Zusätzlich würden die Betriebskosten meist vollkommen vom Arbeitgeber übernommen, sodass sie viel günstiger fahren als mit einem eigenen Pkw oder auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine fatale Wirkung haben zudem die häufig vom Betrieb bereitgestellten Tankkarten. Diese würden wie eine Flatrate wirken: „Je mehr ich fahre, desto mehr bekomme ich für mein Geld.“
Laut der Analyse „Dienstwagen auf Abwegen“ ist die Dienstwagenbesteuerung ein wichtiger Grund für die im EU-Vergleich besonders hohen Emissionen bei gewerblichen Neuzulassungen in Deutschland. Mit 140 Gramm CO2 pro Kilometer lag der Wert 2020 weit über dem von Spitzenreiter Niederlande mit 98 Gramm CO2.
Dienstwagen sind bei weitem kein Politikerphänomen. Zwei von drei neuen Pkw werden gewerblich zugelassen, so die Studie. Die Nutzergruppe reicht vom Mitarbeiter eines Handwerksbetriebs, der den Kleinbus in begrenztem Maße auch für Privatfahrten verwenden darf, bis zum Manager eines Großkonzerns, der seine Limousine als Gehaltsbestandteil in erster Linie zur privaten Nutzung bekommt. Der Umfang der privaten Nutzung reicht von gelegentlichen Fahrten bis hin zur nahezu ausschließlich privaten Nutzung. Bei der Dienstwagen-Überlassung und Übernahme der Kraftstoffkosten für private Fahrten durch den Arbeitgeber verzichten die Beschäftigten im Gegenzug auf einen Teil ihres Gehalts. Verbreitet sind zudem Modelle, bei denen man zumindest einen Teil der Betriebskosten für die private Nutzung des Dienstwagens selbst trägt.
Für Arbeitgeber und Beschäftigte lohnt es sich, besonders teure, oft große und damit tendenziell emissionsstarke Fahrzeuge anzuschaffen, weil dann der Steuervorteil durch die Absetzbarkeit der Anschaffungskosten und den Vorsteuerabzug im Vergleich zum privaten Auto am größten ist. Nach nur zwei bis vier Jahren gehen diese Autos in den Gebrauchtwagenmarkt über und werden noch lange Zeit privat gefahren.
Kein Phänomen der Politik
Wer fährt Dienstwagen? Am Steuer eines Dienstwagens trifft man vor allem Männer mit hohem Einkommen im Alter von 40 bis 60 Jahren an. Rund die Hälfte aller an Beschäftigte überlassenen Dienstwagen nutzen Angestellte mit einem Bruttoeinkommen von 5.000 Euro pro Monat und mehr. Die große Fahrleistung von Dienstwagen geht auch darauf zurück, dass die Besteuerung meist pauschal anhand des Listenpreises festgesetzt wird. Ausgaben für Anschaffung und Betrieb der Fahrzeuge kann der Chef von der Steuer absetzen. Am Ende spart er meist mehr Lohnkosten ein, als er in den Dienstwagen investieren muss.
Die soziale und ökologische Schieflage bei der Dienstwagenbesteuerung ist in Deutschland besonders groß, so die Studie. Länder wie Großbritannien und Belgien gehen einen anderen Weg: Bei der Bemessung des geldwerten Vorteils wird nach CO2-Emissionen differenziert. Das bedeutet: Je höher die Emissionen, desto höher die Steuerabgabe durch die Beschäftigten. Auch die Möglichkeit des Arbeitgebers, die Fahrzeugkosten steuerlich abzusetzen, können je nach Höhe der CO2-Emissionen eingeschränkt werden.
Dass viele Unternehmen an dem Dienstwagenprivileg festhalten, kritisiert die Studie als eine Haltung von gestern. Längst könnten sie über betriebliche Regelungen von der Bahncard bis zum „Firmen-E-Bike“ Anreize für eine nachhaltigere Mobilität setzen.