Das „Go by Steffen Henssler“ hat sich in kürzester Zeit in Berlin einen Namen gemacht. Der Lieferdienst der Premium-Klasse fährt nicht nur das Zentrum an, sondern regelmäßig auch Außenbezirke und das Umland.
Schöner kann sich Lieferessen wohl kaum präsentieren: Auf glänzender schwarzer Pappe liegen verschiedenfarbige Sushi-Rollen, Sashimi-Scheiben und Nigiri-Bänkchen mit Fisch und Wagyu-Rind. Quadrate von ausgebackenem Reis bilden den gelben Sockel für ein rosafarbenes Thunfisch-Tatar. Hamachi-Filet breitet sich in weißen, tropfenförmigen Scheiben mit Kräuter-Augen aus. Was auf der Bestellwebsite von „Go by Steffen Henssler“ beeindruckend inszeniert wirkt, ist in echt nicht minder dramatisch. Wie auf einer schwarzen Guckkastenbühne haben die Sushis von „Go by Steffen Henssler“ ihren großen Auftritt auf meinem Esstisch. Sie glänzen und funkeln in Star-Manier. Sie munden, wie sich das gehört, ebenso glamourös. Sorgsam haben die Freundin, der Fotograf und ich die beiden Schachteln mit den Sushis, unsere Stäbchen und einen Beileger mit einem QR-Code zum „Saucen-Guide“ der schwarzen Papiertüte entnommen. Was uns von einem Mitarbeiter des „The Ritz-Carlton“-Hotels nach Hause geliefert wurde, kommt aufgeklappt und entdeckelt so auf den Tisch, wie es angerichtet wurde. Sehr angenehm, dass ich nicht mit unzulänglichem Gerät und mangelndem Geschick die sorgsam arrangierte Ästhetik zerstören muss. Die Boxen sind stabil und können anschließend in der Papiertonne entsorgt werden. „Nachhaltigkeit ist uns sehr wichtig“, sagt Tristan Mißner, Managing Director von „Go by Steffen Henssler“ in Berlin. „Wir arbeiten nur noch daran, die Plastikfläschchen für die Saucen abzuschaffen und sie in Glas abzufüllen.“
Henssler ist mehr als nur ein Fernsehkoch
Der Sushi-Lieferdienst, für den Steffen Henssler mit seinem Namen, seiner Expertise und seinem Anspruch an Premium-Sushi steht, sei letztlich ein Resultat von Corona, erklärt Mißner: „Eigentlich haben wir es der Pandemie zu verdanken, dass wir uns im angebotsreichen Berlin ausprobieren konnten. Es ist großartig, wie wir hier aufgenommen wurden.“ Das „Go“ in Hamburg gibt es seit 2018. Es hat Dependancen in Frankfurt/Main, München, Stuttgart und Düsseldorf und seit Anfang September seine Berliner Homebase im „The Ritz-Carlton“. „Wir haben einen Teil der Bankettküche angemietet“, sagt Mißner. Von dort aus wird täglich von 12 bis 21:30 Uhr geschnitten, gerollt und gestapelt, was Reis, Nori-Blätter, Fisch und Gemüse hergeben. Seit kurzem verstärkt Sushi-Koch Anh-Tan Nguyen als Küchenchef das 16-köpfige Team. Nguyen hatte zuvor im Tiergartener „Sticks’n’Sushi“ gearbeitet. Im „The Ritz-Carlton“ können die Suppen, Salate, Ceviches und Boxen ebenfalls vor Ort abgeholt werden. Von März bis August war das „Go“ im „Hotel de Rome“ angedockt, zog aber nach dessen vollständiger Wiederinbetriebnahme plangemäß wieder aus. Was in Hamburg zur kulinarischen Allgemeinbildung gehört, ist in Berlin nicht jedem geläufig: Steffen Henssler ist keineswegs nur Fernsehkoch. Er ist ebenfalls ein „Professional Sushi Chef“, ausgebildet von japanischen Meistern in Los Angeles an der „Sushi Academy“, die er als erster Deutscher absolvierte und mit Bestnote abschloss. Ein gut investierter Lottogewinn Ende der 1990er-Jahre! So verwundert es nicht, dass Sushi im Henssler-Style eher dem verspielteren kalifornischen Stil mit variantenreichen Saucen und frei kombinierten Zutaten folgen. Das Produktverständnis ist und bleibt mit seinen strengen Ansprüchen an Frische und Qualität aber durch und durch japanisch. Das Tuna-Teriyaki-Sashimi in unserer „Fancy Box“ beispielsweise ist ganz kurz von außen angebraten. Die Thunfisch-Scheiben bleiben ansonsten pur und roh – hallo Japan! Feine Rallyestreifen von angeschärftem Sauerrahm plus Kimchi-Sesam als Topping fügen eigenständige pikante Noten hinzu – welcome to California!
Der italienische Feinschmeckerfotograf, ansonsten zurückhaltend, was Schärfe angeht, ist überraschend angetan vom Wasabi. „Das ist gut“, meint er. Auch die Umami-Salsa, eine mit Zwiebeln aufgerüstete Sojasaucen-Variante, gefällt ihm zum Hamachi-Sashimi. Die Stachelmakrelenscheiben sind fest und frisch und machen ihren geschmackvollen Job mit und ohne Beigaben super. „1-A-Qualität steht bei uns an vorderster Stelle“, sagt Tristan Mißner. „Wenn ein Fisch nicht in der für uns passenden Qualität geliefert wird, lassen die Köche ihn zurückgehen.“ Auch der grüne Scharfmacher ist von unüblicher Güte: „Bei uns sind zehn Prozent Wasabi drin.“ In den herkömmlichen Pasten steckten meist nur 0,1 Prozent vom Wasserrettich. Ich sage voll versnobt: „Ich mag Wasabi nur frisch gerieben.“ So wie ich ihn bislang ausschließlich aus dem „Vox“ im „Grand Hyatt“ kenne. In näherer Zukunft könnte das im „Go by Steffen Henssler“ ebenfalls möglich werden. In Hamburg ist das Sushi-Konzept im gleichnamigen Restaurant zu Hause. Ein Pop-up in Frankfurt/Main soll sich demnächst in ein richtiges Restaurant verwandeln.
Die Hulk Roll hinterlässt Eindruck
Ich mag den Schärfe-Einschlag vom Extra-Wasabi sonst nicht – zu grob, zu zerstörerisch für den Eigengeschmack von feinem Fisch oder Fleisch. Das hat mit der deutschen Besonderheit zu tun, Sushi in Sojasauce zu tunken und Rettichpaste dazu zu nehmen. „Die Würze gehört eigentlich in das Produkt“, erläutert Mißner die japanische Tradition. Bei den Nigiri-Reisbänkchen etwa wird ein kleiner grüner Streifen aufgestrichen, bevor wie bei unseren Exemplaren Loup de mer, gebratene Wagyu-Streifen oder Lachs aufgelegt werden. Bei den Maki oder California Rolls findet sich die Rettichwürze auf den Nori-Blättern. „Wir halten es im Sushi eher harmonisch und stellen die coole Komplexität über die Saucen her. Das kommt bei Europäern besser an.“ Mir fiel außerdem der eingelegte Ingwer sehr angenehm auf. Er kennt keine Angst vor der Süße zur Säure, bleibt aber dennoch feinwürzig.
Mein Liebling ist die Hulk Roll. Shiso-Blätter zum Einwickeln, Tempura-Spargel, Avocado, Gurke und Affila-Kresse für die Erbsen-Note darüber geschlängelt – mehr Grün auf einmal geht kaum. Die Blätter der Shiso- oder Perilla-Pflanze, die wie hierzulande Nesseln in Asien überall wächst, verbreiten leicht zitroniges Aroma. Wer den schon pur ungeheuerlich guten Geschmack toppen will, gibt von der gleichfarbigen Sauce hinzu. Tolle Kombi! Mein Favorit Nummer zwei ist ein unklassisches Crispy Rice Tuna Tatar. Auf ausgebackenen Reis-Quadraten lagert Thunfisch-Tatar, das von Forellenkaviar, Frühlingszwiebelringen und schwarzem Sesam gekrönt wird. Alle Aromen und Texturen sind bereits eingebaut: cremig angemachter, geschnittener Fisch, Crunch, ein Extra-Umami vom Kaviar sowie nussiges Sesam-Gekrümel. Diese beiden Sushis machen Lust auf weitere Eigenkreationen. Beim nächsten Mal dürfte es gerne die Truffle Beef Roll oder eine Sweet Veggie Roll mit süßem Miso sein. Oder vielleicht doch lieber eine Hot Veggie Roll mit Tempura-Yamagobo? Letzteres ist eine Art eingelegte Klettenwurzel, die sich mit Shiso, Roter Bete und Kimchibutter verwickelt. Die Auswahl im Online-Shop reicht in jedem Fall für mehrere Bestellungen ohne Dopplungen.
Wir haben für drei Personen eine große „Alle Farben“-Box mit 41 Stück sowie eine kleinere „Fancy Box“ mit 25 Sushis erhalten. Wir fürchten zunächst, Reste eintuppern zu müssen. Doch im Verlauf des Abends verspeist sich alles wie von selbst. Und zwar so, dass wir wohlgesättigt, aber nicht beschwert vom Tisch aufstehen. Insgesamt stehen flauschige 159 Euro auf dem Tisch. Das ist nicht gerade ein Alltagsessen für jedermann. In dieser Qualität aber ist es angemessen und für den besonderen Anlass im eigenen Heim geeignet. Die meisten Sushis sind auch einzeln bestell- und kombinierbar. Ab Anruf oder Online-Order tickt die Uhr je nach Entfernung für 50 bis 90 Minuten, bis die Lieferung innerhalb der Stadt ankommt. Sonder- oder allergiebedingte Wünsche wie glutenfreies Sushi brauchen einen Vorlauf von zwei Stunden.
In Berlin wird regulär bis in den Grunewald und nach Zehlendorf geliefert. Selbst das nähere Umland wie Spandau, Reinickendorf, Friedrichshagen oder Potsdam wird angefahren. Ein eigener Kühltransporter läuft die „richtigen“ Berliner Außenbezirke zweimal, alle anderen Orte einmal im Monat an. Abholstationen sind kulinarische Partner wie Küchenstudios oder Weinhandlungen. Selbst recht weit entfernte Städte werden beliefert: Cottbus, Dresden, Bad Saarow, Leipzig und Magdeburg. Das Sushi-„Go“-Mobil hat eingeschworene Fans, verrät Tristan Mißner: „Unsere beste Tour bislang ging nach Hoyerswerda.“