Die Eisbären Berlin kämpfen mit einer ausgeprägten Heimschwäche, spielen auswärts aber titelreif. All das rückt angesichts der neuen Corona-Entwicklungen jedoch in den Hintergrund.
Nach einem Abbruch und einer Geistersaison hatten die Eisbären Berlin auf eine ganz normale Spielzeit 2021/22 gehofft. Mit vollen Stadien, gesunden Spielern, fairen Wettkämpfen. Doch nach knapp zwei Monaten lautet die bittere Realität: Corona ist nicht verschwunden, weder beim Rekordmeister noch bei anderen Clubs in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Das Virus legt zunehmend den Spielbetrieb lahm.
Die Eisbären mussten teils ausufernde Kritik aus den eigenen Reihen für ihre 2G-Regel ertragen, sie verzeichneten in Mark Zengerle den ersten an Covid-19 erkrankten Profi, und dann ließ das Virus auch noch das Topspiel platzen. Das für den 24. Oktober geplante Duell gegen Red Bull München musste um drei Monaten nach hinten auf den 24. Januar 2022 verschoben werden. Der Grund: Die Münchner wurden vom Gesundheitsamt in Team-Quarantäne geschickt, nachdem sich bei ihnen die Anzahl der Coronafälle binnen eines Tages von 18 auf 22 erhöht hatte. Laut Clubangaben handelte es sich dabei um „zahlreiche Impfdurchbrüche" trotz vorheriger Impfungen.
Spiel gegen München verschoben
Ähnlich gestaltete es sich auch bei der Düsseldorfer EG und den Iserlohn Roosters, die sich ebenfalls in Quarantäne begaben und Spiele verschieben mussten. Der Spielplan ist schon jetzt reichlich verzerrt, weitere Quarantäne-Maßnahmen könnten das Kartenhaus endgültig zum Einsturz bringen. Hinter den Kulissen folgte eine Krisensitzung der nächsten, auch die Eisbären waren und sind in Sorge. „Wir befinden uns leider immer noch mitten in einer Pandemie, die sämtliche Planungen von heute auf morgen zunichtemachen kann", sagte Sportdirektor Stéphane Richer: „Wir wollen einen fairen Wettkampf und ordentlichen Spielbetrieb, darum stand es für uns außer Frage, der gewünschten Spielverlegung zuzustimmen."
Die Münchner, die acht ihrer ersten elf Saisonspiele gewonnen hatten, spürten bei den Berliner Verantwortlichen „in jeder Phase unserer Gespräche ehrlich gemeinte Hilfsbereitschaft", wie es Red-Bull-Manager Christian Winkler ausdrückte: „Hierfür ein, wie man bei uns in Bayern sagt: Vergelt´s Gott." Eisbären-Trainer Serge Aubin nutzte den unerwartet spielfreien Sonntag dazu, „den Jungs ein paar Tage frei zu geben, um sich zu erholen – nicht nur körperlich, sondern auch mental."
Denn zuletzt musste Berlin einen nicht einkalkulierten Rückschlag wegstecken. Im Heimspiel gegen Tabellenschlusslicht Schwenninger Wild Wings setzte es eine enttäuschende 1:3-Niederlage. Die fünfte Pleite im siebten Heimspiel machte Trainer Serge Aubin mächtig zu schaffen. „Unsere Spielweise zu Hause müssen wir wirklich verbessern", sagte der Kanadier, der viel mehr Zielstrebigkeit erwartet: „Da sind wir definitiv zu verspielt und versuchen, das perfekte Tor zu machen." Im kommenden Heimspiel am Freitag (29. Oktober, um 19.30 Uhr) gegen die Fischtown Pinguins verlangt Aubin eine Wiedergutmachung vor heimischen Fans.
Auswärts läuft es dagegen wie geschmiert für den Titelverteidiger, die Bilanz ist mit 21 Punkten aus sieben Spielen noch makellos. Diese Diskrepanz kann sich Aubin nur so erklären: „Wir sind eine gute Mannschaft, wenn wir den Gegner jagen, hart um den Puck kämpfen und vor dem Tor Druck machen. Auswärts haben wir bisher eher so gespielt." Diese Intensivität vermisse er etwas in der Arena am Ostbahnhof, doch man werde weiter hart an der Konstanz arbeiten und „hier und da an ein paar kleinen Dingen feilen". Im Powerplay fehlt noch die Effizienz, was der vorletzte Platz in dieser DEL-Statistik beweist. Doch Aubin ist weiterhin sehr positiv gestimmt, er bittet lediglich um etwas Geduld beim Aufbau der neuen Mannschaft, „die ihr volles Potenzial" sehr bald ausschöpfen werde.
Schon jetzt titelwürdig ist der Teamgeist. „In der Kabine herrscht definitiv eine besondere Stimmung", sagte Blaine Byron. Der 26 Jahre alte Kanadier sieht bei den Eisbären keinen Platz für egozentrische Diven, „jeder denkt nur an die Mannschaft. Von der ersten bis zur vierten Reihe halten alle zusammen." So können auch Ausfälle wichtiger Spieler ohne großen Qualitätsverlust kompensiert werden. Als Topscorer Marcel Noebels gegen die Augsburger Panther (4:2) wegen der Geburt seines ersten Kindes nicht mit zu den bayerischen Schwaben gereist war, schloss Parker Tuomie die Lücke in der Top-Reihe mit Leonhard Pföderl und Byron. „Er hat einen tollen Job gemacht", lobte Byron seinen Teamkollegen.
Die Ausgeglichenheit im Kader könnte sich vor allem in der entscheidenden Phase in den Playoffs bezahlt machen. „Wir sind breit aufgestellt", sagt Richer nicht ohne Stolz auf seine Kaderplanung. Damit ist ein Manko der vergangenen Jahre im Vergleich mit den großen Titelkonkurrenten aus München und Mannheim abgestellt. Gestandene Profis wie Zengerle oder Giovanni Fiore fanden sich zuletzt nicht mal mehr im Spieltagskader wieder. „Der Trainer muss jedes Mal schwere Entscheidungen treffen, wer dabei ist und wer nicht", sagte Stürmer Zach Boychuk. Das beweise „die Stärke, die wir haben".
Formtief trotz eigentlich starkem Kader
Dass sich dieser harte interne Konkurrenzkampf nicht negativ auf die Stimmung auswirkt, spricht für den Charakter der Profis und die Teamführung von Aubin. „Wir haben eine gesunde Konkurrenz, Serge redet viel mit den Jungs", begründete Richer. Dem Sportdirektor ist auch klar, dass unzufriedene Spieler Unruhe reinbringen würden, „aber bis jetzt ist das nicht der Fall". Doch auf Dauer werden nicht alle mit Worten und der bloßen Aussicht auf Einsätze zu halten sein. Vor allem Zengerle, der im Besitz eines deutschen Passes ist und somit bei vielen DEL-Clubs offene Türen einrennen würde, dürfte die Fühler wegen eines Wechsels zumindest mal ausstrecken.
Ärger gibt es jedoch abseits des Eises. Die Entscheidung der Clubbosse, nur noch doppelt Geimpfte oder Genesene zu Heimspielen in die Arena am Ostbahnhof zuzulassen, stieß eine heftig geführte Kontroverse an. Vor allem der Fakt, dass Kinder ab zwölf Jahren genauso behandelt werden wie Erwachsene und quasi keine Chance auf Einlass haben, stieß vielen bitter auf. In sozialen Netzwerken und in Telefonaten mit den Geschäftsstellen-Mitarbeitern wurde jedoch zum Teil „weit unter der Gürtellinie" argumentiert, wie Eisbären-Geschäftsführer Thomas Bothstede berichtete. Ihm fehle „jegliches Verständnis" für einen solchen Umgangston.
Der Klub sah sich sogar dazu veranlasst, auf Twitter ein Statement zu verbreiten. „Hier eine Bitte an alle: Es werden KEINE Mitarbeiter der Eisbären Berlin beleidigt, weder per Telefon noch online", schrieb der Club: „Die ganz harten Fälle werden wir auch an die entsprechenden Stellen weitergeben. Wir erwarten normale Umgangsformen und -töne von allen. Danke." Für die Entscheidung, ungeimpfte Personen trotz eines negativen Testergebnisses nicht zuzulassen, gebe es „mehrere Gründe", so Bothstede. Ein wichtiger Faktor sei ohne Frage wirtschaftlicher Natur: Nur mit einer 2G-Regelung erlaubt das Gesundheitsamt die maximale Auslastung von 14.200 Zuschauern. Doch davon waren die Eisbären in den jüngsten Heimspielen weit entfernt.