Nur wenige Kleidungsstücke zu besitzen und daraus trotzdem neue Styles zu kreieren, das ist der Grundgedanke eines minimalistischen Kleiderschrankkonzepts, des sogenannten Capsule Wardrobes. Ein spannender Ansatz zur Slow-Fashion-Bewegung, der sich lohnt.
Laut einer im Jahr 2015 veröffentlichten Greenpeace-Studie nutzen wir Deutschen bei Weitem nicht alle Kleidungsstücke in unserem Kleiderschrank. Jedes fünfte Teil bleibt einfach liegen. Das nimmt wertvollen Raum ein und kostet Zeit. Viel entspannter wäre es, aus einem übersichtlichen Kleiderschrank am Morgen in wenigen Handgriffen den Lieblingslook zu kreieren. Außerdem ließen sich auf diesem Wege wertvolle Ressourcen sparen und damit zum Klimaschutz beitragen. Slow Fashion ist hierbei der Grundgedanke, denn Wert legen echte Capsule Wardrober auf hochwertige Stücke. Diese halten lange und sollten so ausgewählt werden, dass sie einem auch ewig gefallen. Dazwischen reicht der Platz noch für echte Statement-Pieces, also die Stücke, die dem Look den nötigen Pfiff geben. Übersetzt ins Deutsche heißt dieser minimalistische Modestil Kapsel-Garderobe. Diese Bezeichnung wurde bereits in den 40er-Jahren in Modezeitschriften verwendet. Er beschrieb eine übersichtliche Ansammlung von Kleidungsstücken, die sich untereinander immer wieder neu kombinieren ließen. Dazu mussten sie natürlich zwangsläufig in Stil und Farbe harmonieren. Im Jahr 1970 schließlich nutzte Susie Faux, eine Boutique-Besitzerin aus London den Begriff, um ihr Angebot zu umschreiben. Übernommen hat ihn dann Donna Karan, die Gründerin des Modelabels DKNY. Sie legte besonderen Wert auf den Grundgedanken bei der Kleiderauswahl: Hochwertige Stücke zu besitzen, die einem richtig gut gefallen. Es gilt, günstige Teile zu vermeiden und immer so auszuwählen, dass alles zum eigenen Stil im Kleiderschrank passt. Dadurch lässt es sich verhindern, Überschuss anzuhäufen, der dann ungenutzt liegen bleibt. Was dableiben darf, dazu gibt es unterschiedliche Ansätze.
Der bekannteste ist der 37-Pieces-Plan. Ihn nutzt zum Beispiel Caroline Joy, eine Bloggerin, die auf ihrer Webseite un-fancy.com zeigt, wie gut eine abgezählte Auswahl an Lieblingsstücken funktionieren kann. Neben der Grundregel, nur 37 Teile zu besitzen, gilt es diese an die Saison anzupassen. Es gibt also Winterkleidung, Frühlingskleidung, Sommerkleidung und Herbstkleidung. Die Bloggerin erlaubt es sich nur, jeweils in den letzten zwei Wochen vor Auslaufen der aktuellen Saison neue Stücke einzukaufen. Nie dazwischen. Auf diese Weise soll der Konsum eingeschränkt bleiben. Das Spannende daran ist, dass sich trotzdem der eigene Stil variieren lässt und alles immer passend zum Wetter bereitliegt. Wer sich dabei nicht nach den Jahreszeiten orientieren mag, der kann beispielsweise auch nach dem Anlass sortieren. Eine Schrankseite für den Alltagslook, eine für das Business. Wichtig ist, die Anzahl im Auge zu behalten.
Mit einem Plan für 37 Teile unnötige Käufe vermeiden
Die 37-Pieces-Regel umfasst nicht nur Hosen, Pullover, Shirts, Röcke und Kleider, sondern auch Schuhe. Heraus fallen Unterwäsche und Socken. Da die Auswahl dadurch eingeschränkt ist, gilt es, sehr gezielt auszuwählen. Ideal sind Cardigans, Blusen und Tanktops. Sie lassen sich problemlos übereinanderschichten und bilden dadurch echte Basics. Oversize-Hemden sind auch eine gute Wahl, denn die sehen offen getragen über Kleidern und Tops ebenso schick aus, wie zusammengeknöpft oder gebunden über Hosen. Zur Jeans passen alle Arten von Oberteilen. Ähnliches gilt für Kleider. Mit einem Hemd darüber wirken sie casual, mit einem Pullover oben drauf verwandelt sich der Lieblingsdress optisch in einen Rock. Schon sind viele Möglichkeiten gegeben, mit einfachen Wardrobe-Wechseln einen neuen Style zu kreieren. Neben der Vielseitigkeit der Kleidungsstücke an sich, sollten Kleiderschrank-Minimalisten Wert auf Schnitte und Designs legen. Je dezenter diese bleiben, desto einfacher ist die Kombination. Damit sich Farben nicht beißen, legen Profis Wert auf ein harmonisches Miteinander. Schwarz, Weiß und Erdtöne sind hier eine passende Wahl. Sie stehen nicht nur jedem gut zu Gesicht, sie passen auch einfach prima zusammen. Wer trotzdem nicht auf bunte Vielfalt verzichten mag, für den empfehlen sich wenige Key-Pieces, die gezielt hervorstechen dürfen. Ein farbiges Top mit ausgefallenem Muster, ein Kleid in floralem Print oder ein Retro-Seidentuch sind solche klassischen Begleiter. Sie lassen sich einfach kombinieren, stechen trotzdem hervor und machen den Look dadurch interessant. Übrigens ist es gut zu wissen, dass das Seidentuch streng genommen gar nicht zu den 37 Teilen dazugehört. Ausgenommen sind neben der Unterwäsche auch Accessoires und Taschen. Trotzdem bedeutet das nicht, hier über die Stränge zu schlagen, denn ein überzeugter Minimalist hält sich bei der Sammlung neuer Teile trotzdem zurück.
Es scheint fast wie ein Luxus, in Zeiten von Überschuss einen Schritt zurückzugehen und weniger zu besitzen. Für den Einstieg in diese neuen Kleiderschrankwelten sind inzwischen hilfreiche Wegweiser wie der „Seasonal Capsule Planner" von Caroline Joy oder Dariadéhs „Capsule Wardrobe Workbook" zu empfehlen. Auch auf dem Buchmarkt tummeln sich zahlreiche Ratgeber, wie „Capsule Wardrobe: Mini-Garderobe mit Maxi-Wirkung" von Sunray Dollase oder „Das Kleiderschrank-Projekt: Systematisch zum eigenen Stil und zu bewusstem Modekonsum" von Anuschka Rees. Sie alle haben einen Grundgedanken, der beim Start helfen kann. Statt sofort loszurennen und sich 37 neue Lieblingsstücke zu kaufen, erst einmal in den eigenen Kleiderschrank hineinschauen und mutig aussortieren.
Neue Teile nur mit Bedacht und in hoher Qualität kaufen
Hierbei kann auch Marie Kondos „Magic Cleaning"-Konzept hilfreich sein. Zunächst alle Besitztümer herausholen und stapeln. Dann jedes Einzelne in die Hand nehmen und überlegen, ob es einem noch gefällt und Freude bringt. Wenn nicht, „Danke sagen" und das Kleidungsstück entsorgen. Das muss natürlich nicht im Hausmüll sein, sondern in Form von Spenden oder einem Weiterverkauf. Schließlich soll sich beim Ausmisten kein Müll ansammeln. Das Thema Nachhaltigkeit bleibt hier ein wichtiges. Sind erst einmal alle ungewollten Kleider und Pullover aus dem Schrank raus geht es darum, tiefer in sich zu gehen und genau zu überlegen, was wirklich regelmäßig getragen wird und einem gut steht. So reduziert sich Schritt für Schritt der Inhalt des Kleiderschranks und zurück bleiben schon einmal viel weniger Klamotten. Im Laufe der Zeit gewöhnt man sich an das gute Gefühl, weniger zu besitzen und der Kleiderschrank schrumpft immer mehr. Wie viele Teile am Ende übrig bleiben ist unwichtig. Wichtig ist, dass sie alle zusammenpassen und es einem erleichtern, sich so einzukleiden das man sich wirklich wohlfühlt. Neben dem 37-Teile-Plan gibt es auch tiefer gehende Capsule-Wardrobe-Experimente wie die 10x10-Challenge. Diese wurde erstmals von Lee Vosburgh, einer Bloggerin mit der Webseite stylebee.ca ins Leben gerufen. Sie stellt sich selbst die Herausforderung, lediglich zehn Teile zu behalten. Daraus gilt es dann, an zehn aufeinanderfolgenden Tagen zehn neue Looks zu schaffen.
Eine echte Herausforderung, aber eine Möglichkeit, die Capsule-Wardrobe auszuprobieren. Die übrigen Kleider dürfen erst mal bleiben. Es gilt zu erfahren, wie viele Stücke wirklich notwendig sind und wo der Überschuss anfängt. Ist die Challenge geschafft, dann findet vielleicht ein Umdenkprozess statt und der Kleiderschrankinhalt reduziert sich fast von allein. In dieser Hinsicht ist das gesamte Konzept des minimalistischen Kleiderschranks nicht eine Frage des Stils, sondern vielmehr eine Modebewegung die zeigt, wie Slow Fashion wirklich funktionieren kann. Mit der Findung des persönlichen Geschmacks, der Reduzierung aufs Wesentliche und der Erkenntnis, wie angenehm und zeitsparend es plötzlich im Schlafzimmer zugeht. Wer mag, der darf natürlich auch neue Teile kaufen, allerdings mit Bedacht in hoher Qualität und dem eigenen Stil entsprechend. Nichts ist schlimmer als Essentials die entweder schlecht sitzen, nicht zu 100 Prozent gefallen oder einem schlicht nicht stehen. Dann klappt es auch mit der kleinen Kapsel, die für die Aufbewahrung der neuen Lieblingsstücke vollkommen ausreichen dürfte.