Musiker Wolfgang Niedecken ist bekennender Bob-Dylan-Fan. Ganz im Stil seines Idols hat er ein Storyteller-Programm zusammengestellt. Hierbei kommen sowohl Dylan- als auch BAP-Fans voll auf ihre Kosten. Am 16. November gastiert er in der Gebläsehalle in Neunkirchen.
Wolfgang Niedecken und seine Band BAP sind in der deutschen Musiklandschaft schon seit Jahrzehnten eine feste Größe. Aber auch Niedecken und das Saarland blicken auf eine lange gemeinsame Zeit zurück. Angefangen hat alles mit einem Auftritt von BAP in Völklingen einige Jahre nach der Gründung der Band. Die Band, die heute auf mehr als 45 erfolgreiche gemeinsame Jahre zurückblicken kann, gründete sich im Jahr 1976 und traf sich zu Beginn, damals noch in variierender Besetzung, um eigenen Aussagen zufolge „einen Kasten Bier leerzuproben" – ein ambitioniertes Vorhaben, das sich offenbar stimulierend auf die Qualität von Text und Musik ausgewirkt hat. Der Rest ist nämlich Geschichte: Die kölschen Texte von Niedecken und BAP wurden zu ihrem Markenzeichen, heute gehören sie zu den erfolgreichsten deutschen Rockbands. Und auch im Jahr 1981 war BAP bereits mehr als angesagt. In diesem Jahr begann die Liebesgeschichte zwischen BAP, Niedecken und dem Saarland: mit dem ersten Konzert der Kölsch-Rocker an der Saar, nämlich in Völklingen, genau genommen in Wehrden. Gern erinnert sich Wolfgang Niedecken auch heute noch an das Konzert, das fast auf den Tag genau vor 40 Jahren, am 14. Dezember 1981, stattfand. Es war ein voller Erfolg, als die Gruppe ihre erste musikalische Visitenkarte im Saarland abgab. In der kleinen, bis auf den letzten Platz gefüllten Halle beobachtete Niedecken während des Konzerts, „dass durch die Reihen immer wieder mehrere Plastikkanister mit irgendeinem Gesöff rumgingen, von denen jeder mal einen Schluck genommen hat". Bis heute wisse er zwar nicht, was in den Kanistern war, aufgrund der sehr guten und gelösten Stimmung nach einigen Songs, habe er jedoch so eine Vermutung, sagt er. Wasser war es also höchstwahrscheinlich nicht.
So war das also damals in Völklingen, und es gab auch über all die Jahre immer wieder sehr schöne Erlebnisse für den geborenen Kölner im Saarland. So erinnert sich Niedecken auch sehr gern an die „Musikfestspiele Saar" im Jahr 2009, bei denen es zu einer Kombination der ganz besonderen Art kam, die für das Schaffen des BAP-Frontmanns bezeichnend ist. Das schon immer ambitionierte Festival „Musikfestspiele Saar", das sich stets über den halben Sommer zog, hatte damals aufgrund seiner zumeist klassischen Ausrichtung eine breitere Bevölkerungsgruppe lange nicht erreichen können. 2009 änderte sich das. Das Motto der Festspiele lautete damals „Welcome America!" und deckte die gesamte Bandbreite amerikanischer Musik hervorragend ab. Einen ganz besonderen Coup landete die Festivalleitung in jenem Jahr, indem sie keinen Geringeren als Bob Dylan engagieren konnte, der in der Saarlandhalle ein Stelldichein gab. Bob Dylan, heute 80 Jahre alt, damals noch etwas jünger, hat seit Jahrzehnten einen Kultstatus: Er gilt als genialer Poet und als Künstler mit unglaublich vielen Facetten. Seine künstlerischen Verwandlungen während seiner aktiven Zeit sind legendär. Gleichzeitig umweht ihn bis heute ein Hauch von Unnahbarkeit und Verschrobenheit. Dieser Kult-Künstler gab also ein Konzert in Saarbrücken. Was lag da näher, als auch den „deutschen Dylan" an die Saar zu holen? Wolfgang Niedecken galt schon damals als ausgewiesener Dylan-Experte und als Fan mit vielen persönlichen Geschichten rund um den US-Amerikaner. Am 20. Mai 2009 präsentierte er daher in St. Wendel passend zum Saarbrücker Gastspiel des echten Dylans sein Programm „Niedecken singt und liest Bob Dylan", das er im Laufe der Zeit bis zum heutigen Tag immer weiter ausgebaut und mit persönlichen Geschichten erweitert hat.
„So fühlt es sich also an, Bob Dylan zu treffen"
Im Jahr 2017 hat er sich dazu sogar selbst auf den Weg gemacht: nämlich nach Amerika. In Kooperation mit dem Fernsehsender Arte hat er eine Reise in die Geschichte von Bob Dylans Werdegang gemacht und ist auf seinen Spuren gewandelt. In den USA traf Niedecken auf viele Dylan-Weggefährten, auf Journalisten, Künstler, Fotografen, die schon mit ihm zu tun hatten und über „Dylan’s Amerika" berichten konnten. Seine Erlebnisse auf der Reise hat Niedecken nicht nur filmisch festhalten lassen, sondern auch in einem Buch niedergeschrieben, das er auch auf seiner aktuellen Tour mit im Gepäck hat. Im Buch erzählt er anschaulich von persönlichen Erlebnissen, vom Einfluss Dylans auf seine eigenen Songs und auf die Entwicklung von BAP. Dabei muss Niedecken noch nicht einmal unbedingt auf die Informationen von anderen zurückgreifen, um über Bob Dylan zu erzählen. Denn er kann aus erster Hand selbst mehr berichten als viele andere. Niedecken hat nämlich das geschafft, wovon viele nur träumen. Er durfte Dylan selbst kennenlernen. „Wir haben uns zweimal persönlich getroffen. Ganz locker, ohne dicke Sonnenbrillen: das erste Mal im Jahr 2000 in der Lanxess-Arena, als Wim Wenders den BAP-Film drehte. Wir kamen ins Gespräch und ich dachte: So ist das also, so fühlt es sich an, Dylan zu treffen. Unprätentiös und angenehm. Ein kleiner, zerbrechlich wirkender Mann mit schalkhaftem Blick, dem ich zur Begrüßung leider viel zu fest die Hand gedrückt hatte", erinnert er sich an den Augenblick. Auch das zweite Treffen ist Niedecken in guter Erinnerung geblieben, auch wenn Dylan das Händeschütteln dabei eher vermied. Ob er sich an die erste Begegnung nach fast einem Jahrzehnt doch noch erinnerte? „Beim zweiten Treffen, neun Jahre später, brachte ich ihm nach seinem Auftritt in Saarbrücken eine Lapsteel-Gitarre von einem Hannoveraner Gitarrenbauer mit. Händeschütteln war nicht mehr nötig, er hat diesmal den Rapper-Gruß benutzt. Ich werde nie vergessen, wie er sich über diese Gitarre gefreut hat, sie in seinen Tourbus mitnahm und auf dem Weg nach Paris losgerockt hat. Ein Kind, das zu Weihnachten eine Modelleisenbahn bekommt, kann nicht glücklicher aussehen", schwärmt Niedecken. Kaum ein anderer deutscher Künstler hat eine solche Verbindung zu Bob Dylan wie Wolfgang Niedecken. Das wird auch in seinem Buch über seine Amerikareise deutlich, aus dem er auf seiner aktuellen Tour ausgewählte Stellen vorliest. Und nicht nur das: Er untermalt die entsprechende Erzählung auch musikalisch mit dem jeweils passenden Lied. Da die Verbindung von Bob Dylan und Wolfgang Niedecken sich aber nicht nur auf Niedecken selbst, sondern auch auf die Lieder von BAP ausgewirkt hat, bleibt es eine Überraschung, ob der mit der Erzählung verknüpfte Song also ein Dylan-Song oder vielleicht doch einer von BAP sein wird. Dabei muss sich Niedecken nicht hinter dem amerikanischen Meister verstecken. Er selbst, 1951 in Köln geboren, hat die deutsche Musiklandschaft ebenfalls maßgeblich mitgeprägt und blickt auf einen langen künstlerischen Werdegang zurück. Dabei lag sein Fokus zunächst auf einem anderen Schwerpunkt: Von 1970 bis 1976 studierte Niedecken Freie Malerei an der FHBK in Köln. Erst danach gründete er die Kölsch-Rockband BAP, mit der er 1982 den überregionalen Durchbruch schaffte und die aus der Musikszene heute nicht mehr wegzudenken ist. Die Zahlen sprechen dabei für sich. Inzwischen gibt es ganze 20 Studioalben und acht Live-Alben von BAP sowie fünf Soloalben von Wolfgang Niedecken. Erwähnenswert ist dabei auch sein soziales Engagement. Seit 2004 vertritt der Musiker und Maler als Botschafter die Dachorganisation „Gemeinsam für Afrika". Im Jahr 2008 initiierte er das „World Vision Projekt – Rebound" zur Reintegration ehemaliger Kindersoldaten in Norduganda, das im Sommer 2011 auf den Ostkongo ausgeweitet wurde. Im Jahr 2011 dann der Schock: Kurz vor der „Halv su wild"-Tour, am 2. November 2011, erlitt Niedecken einen Schlaganfall. Doch er hatte Glück im Unglück, sodass die Genesung schnell voranschritt. Im März 2012 verlieh ihm die Deutsche Phono-Akademie den „Echo" für sein Lebenswerk.
„Es ist im Saarland, wie nach Hause zu kommen"
Auf seinen Abend im Saarland freut sich Niedecken schon. „Es ist so was wie nach Hause kommen", sagt er im Gespräch. Er mag die Mentalität der Saarländer, die der Kölschen ähnelt, es gibt viele Bekannte und persönliche Kontakte im Saarland. „Es wird ein sehr schöner Abend", verspricht er. Begleitet wird er beim Programm „Niedecken liest & singt Bob Dylan" vom Pianisten Mike Herting. Auf eine letzte Frage antwortet Niedecken wie immer mit blendender Formulierung: „Wenn du Bob Dylan mit einem Satz beschreiben müsstest, wie würde dieser lauten?" Niedecken sagt: „Bob Dylan ist der wirkungsmächtigste Poet der letzten 60 Jahre." Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen.