Jenseits der Ankündigungen kämpfen die Teilnehmer der Weltklimakonferenz um Transparenzregeln, Berichtspflichten und die finanzielle Unterstützung armer Staaten im Kampf gegen die Erderwärmung. COP26 ist viel Arbeit im Detail.
Es fehlte nicht an Ermahnungen, düsteren Zukunftsbeschwörungen und Gruselaussichten. „Wir schaufeln uns unser eigenes Grab", so Antonio Guterres (UN-Generalsekretär). „Es ist eine Minute vor zwölf", warnt Boris Johnson. „Wir sind nicht da, wo wir hin müssen", sagt Angela Merkel. Auf den „Schrei der Erde und der Armen hören", will der Papst. „COP26 ist ein Moment der Wahrheit für unsere Pläne, den Klimawandel zu stoppen", plädiert Ursula von der Leyen. Alles schon mal da gewesen. Schon 2009 stand die Welt vor einem Abgrund. 2014 hatten sich 100 Staats- und Regierungschefs, darunter Russland, Brasilien, Kanada und die USA, darauf geeinigt, die Abholzung der Wälder bis 2030 zu stoppen, damals also schon. Passiert ist nichts, die Abholzung ging weiter. 2015 in Paris einigten sich 195 Staaten auf eine Begrenzung der Erwärmung auf zwei Grad, die Reduktion der Treibhausgasemissionen auf Null in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts und Finanzhilfen für die Entwicklungsländer. Und schon vor 26 Jahren bei der ersten COP-Konferenz in Berlin warnten die noch wenigen Teilnehmerstaaten vor der enormen Schädlichkeit der Treibhausgasemissionen. Seitdem geht von jeder der jährlich stattfindenden Vertragsstaatenkonferenzen (Conference of the Parties, COP) der UN-Klimarahmenkonvention die Warnung aus, dass es auf der Erde nicht mehr heißer werden dürfe, weil sonst das Klima nicht mehr zu retten sei.
Und wieder klingen die Versprechungen, die auch in diesem Jahr von COP26 ausgehen, optimistisch. Das Ende der Abholzung von Wäldern wurde noch einmal besiegelt. 80 Staaten wollen sich darum bemühen, den Ausstoß von Methangasen zu reduzieren. Mehr als 40 Länder einigten sich auf eine Welt ohne fossile Energie. 22 Länder wollen keine Subventionen mehr in Kohle, Gas und Öl stecken.
Aber wie verbindlich sind diese Beschlüsse? Die Aktivisten wissen, dass sie nur wirksam werden, wenn jemand ihre Umsetzung kontrolliert. Deswegen geht es nach den großen Reden der Staats- und Regierungschefs in der zweiten Woche der Konferenz genau um diese Transparenzregeln, die Kontrollmechanismen und die Überwachungsmöglichkeiten. Nur wenn jeder Staat seine Verpflichtungen einhält, wird es dem Klima nutzen. Und die Maßnahmen müssten sehr viel schneller und verbindlicher umgesetzt werden, so Susanne Winter vom WWF, damit überhaupt noch eine Chance besteht, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. „Das ist besonders wichtig, weil zum Beispiel die Entwaldung für 15 bis 20 Prozent der menschlichen Kohlenstoff-Freisetzungen verantwortlich ist." Und ein Zweites kommt hinzu: Die Industrieländer, die für den Hauptteil der CO2-Emissionen verantwortlich sind, haben den 46 Ländern, die für maximal ein Prozent der globalen klimaschädlichen Emissionen stehen, zum Ausgleich jährlich 100 Milliarden Dollar zugesagt. Das war 2020. Geflossen ist von dem Geld bisher nichts. Also ist noch nicht viel passiert in den armen Ländern. Jetzt verlautete in Glasgow, dass die ersten Milliarden im Jahre 2023 fließen sollen.
Sind die 1,5 Prozent überhaupt noch zu erreichen? Die Regierungschefin von Barbados, Mia Mottley, hat gewarnt: „Zwei Grad ist ein Todesurteil für die Menschen von Antigua und Barbados, für die Malediven, die der Dominikanischen Republik und der Fidschi-Inseln." Die Inseln würden im Meer untergehen.
Mehr private Mittel zur Klimarettung
Alle Zusagen zusammengezählt, so die Internationale Energieagentur, lässt sich die Erwärmung vielleicht auf 1,8 Grad begrenzen. Da ist China mit einem Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen noch gar nicht mitgerechnet. Die Chinesen haben lediglich zugesagt, dass 2030 die Spitze der Verschmutzung erreicht sein werde. Bis 2060 soll die Wirtschaft fossilfrei funktionieren, Indien peilt 2070 an.
Bleibt nur Pessimismus? Greta Thunberg hat den Gipfel bereits als unwirksam verurteilt. Mojib Latif, der renommierte deutsche Klimaexperte von der Kieler Universität, hat wenig Hoffnung auf ein positives Ergebnis in Glasgow. „Wir dürfen ja nicht vergessen, das ist die 26. Weltklimakonferenz. Die sitzen seit über einem Vierteljahrhundert zusammen und haben wirklich nichts geschaffen", sagte er. Die Treibhausgasemissionen stiegen weiter. Es werde am Ende „wieder schöne Worte geben, aber an konkreten Maßnahmen wird nichts beschlossen werden", so Latif.
Auch der Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Ottmar Edenhofer, schätzt die Lage pessimistisch ein. „Wir steuern nicht auf 2,7 Grad zu, sondern auf vier Grad, und damit auf eine nicht mehr zu beherrschende Erderwärmung", sagte Edenhofer der „Neuen Osnabrücker Zeitung". Damit reagierte der Klimaforscher auf die 2,7-Grad-Prognose des UN-Klimasekretariats, die nur aufgehen werde, wenn alle Länder ihre freiwilligen Verpflichtungen einhielten.
„Danach sieht es gerade aber überhaupt nicht aus", so Edenhofer. Im Gegenteil: Nach einem Bericht im Fachjournal „Earth System in Science" von der Forschungsgruppe „Global Carbon Project" sind die CO2-Emissionen nach einem Rückgang während der Corona-Pandemie wieder um 4,9 Prozent gestiegen.
Seine Hoffnung setzt Edenhofer in ein Bündnis der mächtigsten Industriestaaten in der EU, den USA und China, das sich auf CO2-Mindestpreise einigen und Indien, Russland und Japan ins Boot holen würde. Damit habe man schon zwei Drittel der globalen Emissionen unter einem Dach. „Dann wären wir einen riesigen Schritt weiter."
Derweil zeigt sich, dass in die globalen Bemühungen, den Klimawandel zu stoppen, immer mehr private Finanzmittel gesteckt werden. Mehr als 450 Finanzunternehmen aus 45 Ländern kündigten an, 130 Milliarden Dollar an privatem Kapital zu mobilisieren, um die Welt bis 2050 klimaneutral zu machen. Die EU registriert immer mehr private Initiativen von Geldgebern zur Klimarettung.
Und die 25.000 Teilnehmer, die sich in Glasgow versammelt haben, sind nicht einfach nur „Klimatouristen". Viele repräsentieren ihre Gesellschaft, die den Politikern über die Schulter schaut. Noch ist es nicht so weit, dass den Regierenden überall das Volk im Nacken sitzt, damit sie das Klima retten. Doch ein Kanzler, ein Abgeordneter will wiedergewählt werden – das wird sich auch am Klimaschutz entscheiden.