Zur Pasta Week vom 22. bis zum 28. November kreiert Sergio Priore in seinem Friedrichshainer Restaurant „Medeaterranean Trip" eigens neue Pasta-Gerichte. Hausgemachtes wie Porchetta, Parmigiana, Tiramisu und vegane Pannacotta stehen bei den Gästen hoch im Kurs.
Woher nimmt der Mann diese Energie? Während die beiden eigens zur Pasta Week entwickelten Pasta-Gerichte im „Medeaterranean Trip" im Feintuning sind, ruft das neue „Spacca Napoli" um die Ecke nach Anwesenheit. Es ist also mehr als genug los in den Lokalen von Sergio Priore. Der Inhaber des vor drei Jahren eröffneten Restaurants in der Gabriel-Max-Straße und der funkelnagelneuen Pizzeria „Spacca Napoli" in der Wühlischstraße muss einen eingebauten Generator haben. Und über ein großes Reservoir an Kreativität verfügen, das ihm ermöglicht, im „Medeaterranean Trip" namensgerecht nicht nur bodenständig italienisch zu kochen, sondern auch die Aromen mehrerer Länder rund ums Mittelmeer einfließen zu lassen.
„Ich habe so viele Reisen gemacht", sagt der studierte Bauingenieur mit Neigung zum Rezepte-Sammeln. „Ich habe hier was von einer alten Oma und dort was von den Nachbarn gelernt." Als ihm sein bisheriger Beruf zu eindimensional wurde, ließ sich der gebürtige Neapolitaner an der von der Unesco anerkannten Pizzaschule ausbilden. Sie wacht über die Echtheit des immateriellen Unesco-Kulturerbes „Pizza Napoletana". 2013 blieb Sergio Priore in Deutschland, das richtige Zertifikat und Wissen im Gepäck: „Eine meiner Reisen ging nach Berlin." Wie praktisch, dass immer mehr Foodies und Gastronomen das gleiche Verlangen nach qualitätsvoller italienischer Küche, gern auch nach Regionen differenziert, hegen. Es läuft im „Medeaterranean Trip": In den letzten Oktobersonnenstrahlen sitzen die Gäste coronabedingt auf der Terrasse und lassen es sich bei Porchetta, Parmigiana, Oktopus, Tiramisu und Pannacotta gut gehen.
„Die Focaccia mit Porchetta war mein Soulfood im Lockdown", sagt die italienische Begleiterin, deren Büro gleich um die Ecke ist. Das mit der hausgemachten Schweinerolle gefüllte Brot sei häufig ihre Rettung für Mittagspause und Gemüt gewesen. Verständlich, denn das hausgebackene Brot mit üppiger fleischiger Zwischenschicht schmeckt außerordentlich kräuterwürzig gut. Der im Schmetterlingsschnitt aufgeklappte, knochenlose und mit Kräutern zusammengerollte Schweinebauch nimmt 24 Stunden bei 70 Grad in einer „Kochtüte", wie Sergio Priore sagt, die Aromen von Thymian, Salbei, Rosmarin, Knoblauch und Fenchel an. Nach dem Auspacken kommt das Fleisch bei 300 Grad für 20 Minuten in den Ofen: „Für die Crosta!" Das rundum tröstlich mundende Italo-Sandwich gibt’s alternativ in der Veggie-Ausführung mit Scamorza und gegrilltem Gemüse.
Geheimnis steckt im Kochwasser
Doch wir sind nicht allein zum Brot-Essen da. Wir wollen insbesondere die beiden Pasta-Kreationen für die dritte True Italian Pizza Week verkosten. „Medeaterranean Trip" ist seit 2018 dabei. Auf dem ersten Teller liegen mit Ricotta und Kürbis gefüllte Ravioli. Sie wurden mit einer Salbeibutter übergossen – einfach, formschön, köstlich! Variante Nummer zwei sind Tagliatelle mit Salsiccia-Brät und Kräuterseitlingen in einer Weißweinsauce. „Hausgemachte Salsiccia!", betont Priore. „Wann und wo macht ihr die denn in der Küche?", will der italienische Feinschmeckerfotograf wissen, der zuvor in dem nicht gerade ausufernden Raum fotografiert hatte. Doch wo die Food-Leidenschaft zu Hause ist, findet sich immer Platz für eine Wurstmaschine; vorbereitet wird parallel zum Tagesgeschäft.
Wir sind nicht nur vom Aufwand, sondern vor allem vom hervorragenden Geschmack beeindruckt. Dieser Teller versöhnt sofort mit den nicht so schönen Seiten von Herbst und ollem November. Zur kulinarischen Aufhellung der dunklen Jahreszeit trägt die True Italian Pasta Week regelmäßig bei. Die „True Italian"-Agentur ist Botschafterin des qualitätsvollen italienischen Essens, dem sie mehrfach jährlich mit Pizza Week, Pasta Week und Ice Cream Week, 72 Hours True Italian Food, einem Streetfood sowie einem Pistazien-Festival in Berlin ernsthaft huldigt. In diesem Jahr wird es sogar am 11. und 12. Dezember erstmals einen italienischen Weihnachtsmarkt im napoleon komplex im Friedrichshain geben. Der charakteristische Flyer im U-Bahn-Liniennetz-Look weist den Weg zu den 33 an der Pasta Week teilnehmenden Restaurants in der Stadt. Vom 22. bis zum 28. November bieten diese je zwei spezielle Pasta-Gerichte an, eines davon veggie oder vegan. Für 14 Euro wird aufgetischt; ein Glas Wein oder Aperol Spritz inklusive. Wer bei einem Instagram-Fotowettbewerb mitmachen will, kann einen Aufenthalt in Bari gewinnen.
Bereits beim „Festival di Pistachio" im September wurden Oktopus-Burger im Pistazien-Bun von „Medeaterranean Trip" hoch gehandelt. Die Schlangen am Stand waren lang. Kein Wunder, ist das Lokal doch bekannt für das „alla napoletana" lang gekochte, abgekühlte und dann erst mit Paprika gebratene Meeresgetier. Der auf Sardinien aufgewachsene Fotograf, der als Kind im Meer „häufig genug den Oktopussen ins Auge sah", ist von den gebratenen Tentakeln mit Kartoffeln und Oktopus-Mayo sehr angetan. „Das ist konzentrierter Pulpo, kein einfacher."
Das Geschmacksgeheimnis steckt im Kochwasser: „Wir reduzieren es auf zehn Prozent ein und geben es in die Mayo. Schwarze Oliven hinterlassen verbrannte Erde auf dem Teller. Sie wurden zur „Terra Bruciata" geröstet und zermahlen. Darauf noch ein Schluck vom Barbera Appassimento, der durch seine Basis aus rosinierten Trauben eine intensive Dichte gewinnt!
Fische und Meeresfrüchte haben einen guten Stand im „Medeaterranean Trip". Nicht zuletzt am 24. Dezember, an dem es in diesem Jahr hoffentlich wieder ein großes Fischessen in neapolitanischer Tradition geben wird. „Viele Leute aus der Gastro können nicht über Weihnachten in die Heimat. Also machen wir es an Heiligabend so, wie wir es aus der neapolitanischen Kultur kennen." Zur „Cena della Vigilia di Natale" gehört „magerer" Fisch in mehreren Gängen. Erst am Weihnachtstag kommt Fleisch auf den Teller. Wer Lust auf Dorade, Oktopus, Hummer & Co. zum besonderen Anlass hat, sollte im Dezember bei Sergio Priore nachfragen.
Aber auch das genaue Gegenteil, die vegane Küche, hat einen festen Platz auf der Karte. 30 bis 40 Prozent der etwa monatlich durchwechselnden Gerichte sind es inzwischen. Ein Risotto mit Steinpilzen, eine Lasagne mit einer Hafermilch-Béchamel, Kürbis, Pilzen und einem veganen „Käse" sowie eine vegane Pannacotta sind darunter. „Gerade beim Käse war es nicht einfach, etwas Gutes zu finden." Aber Priore und seine vier Köche wären keine Italiener, wenn sie sich beim Essen nur mit dem Einfachen und nicht mit dem Besten zufriedengäben! Es dauerte zwei Monate, bis die Parmigiana gelungen war. „Wir haben so viel probiert, bis wir sie selbst nicht mehr sehen konnten."
Glücklich bis zum letzten Bissen
Das geht den Gästen glücklicherweise anders. Sie lieben den Auberginenauflauf mit Tomaten, Mozzarella und Parmesan. Eine Abweichung von der Tradition macht den Essenden das Leben buchstäblich leichter: Die Auberginen werden nur angebraten, nicht frittiert. Eine Tomatensauce, bei der es sich streng genommen um ein sieben bis acht Stunden einreduziertes vegetarisches neapolitanisches Ragù handelt, bringt fruchtige Tiefe. Ich liebe solche aufwendigen, nicht Singlehaushalt-kompatiblen Gemüsigkeiten wie Parmigiana oder Caponata und freue mich besonders über diesen Teller. Ich bekomme einen Booster-Tipp für die Zubereitung der nächsten DIY-Caponata: „Gib am Ende eine Prise Kaffee hinein." Das verstärke unmerklich die Aromen des süßsauren Schmorgerichtes aus Auberginen, Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch und Stangensellerie.
Zum Dessert verzichten wir auf das Tiramisu nach dem Rezept von Sergio Priores Oma. Wir sind gespannt auf die vegane Pannacotta aus Mandelmilch und Mandelmus, die mit Agar-Agar zum Stocken gebracht wird. Ein Erd- und Waldbeerkompott mit Orangenzesten fügt fruchtig-frische Säure hinzu. „Sehr fein nussig. Und viel leichter als mit Sahne", sagt die kulinarische Freundin.
Wir sind glücklich bis zum letzten Bissen und mit der Gewissheit, einen spannenden Ort zum richtig guten Essen im Friedrichshain entdeckt zu haben. Das Ziel der nächsten Erkundung steht ohnehin fest: Wir wollen Sergio Priore als Pizzabäcker im neuen „Spacca Napoli" erleben.