Edgar Theobald liebt Schmetterlinge. Der saarländische Naturschützer unterstützt mit viel Sorgfalt und fundiertem Fachwissen den Erhalt verschiedener Arten.
Schon als Schulkind faszinierten Edgar Theobald kleine Tiere mit dünnen Beinen. In der Pause fütterte er Spinnen mit selbst gefangenen Insekten. Mit Käfern und Bienen kennt er sich ebenfalls aus. Am liebsten beschäftigt er sich aber mit Schmetterlingen. Theobald ist ein großer Fan der kleinen Falter. „Sie machen eine vollkommene Metamorphose durch", schwärmt der 81-Jährige in seinem Haus im Schwalbacher Ortsteil Hülzweiler. Ei, Raupe, Puppe, Falter – beim Züchten kann er die verschiedenen Entwicklungsstufen der Schmetterlinge hautnah beobachten. „In der Natur erfüllen sie zwei wichtige Aufgaben", erklärt der Experte, „zum einen sind sie eifrige Blütenbestäuber, zum anderen dienen sie sowie ihre Eier, Raupen und Puppen zahlreichen Tierarten als Nahrungsgrundlage." Bei Vögeln, Kröten, Spinnen und Schlupfwespen stehen die Falter auf der Speisekarte.
Im 3.000 Quadratmeter großen Naturgarten des Rentners fühlen sich die Schmetterlinge genauso wohl wie ihre Fressfeinde. Der Umweltschützer legt keine akkuraten Beete an, Obst und Gemüse müssen nicht in Reih und Glied wachsen. Viel lieber lässt er der Natur freien Lauf. Ein schmaler Trampelpfad führt vorbei an Eisenkraut, Nachtkerzen, Brennnesseln und Weiden. Neben Brombeeren, Tomaten, Mirabellen, Kürbissen und Kirschen erntet Edgar Theobald rund 30 verschiedene Apfelsorten. Eine alte, mit Wasser gefüllte Badewanne lädt die Vögel zum Planschen ein. Igel und Füchse streifen durch das Naturparadies. Auch ein Dachs wurde schon gesichtet, ab und zu schaut ein Reh vorbei. „Und natürlich gibt es hier alle möglichen Insekten", sagt der Hobbygärtner.
Kürzlich hörten er und seine Ehefrau Martha ein leises Surren im Rahmen des Wohnzimmerfensters. Als sie dem Geräusch nachgingen, entdeckten sie einige Töpferwespen. In kleinen Hohlräumen hatten sie Nester für ihren Nachwuchs gebaut. Der Hausbesitzer nutzte die Gelegenheit, die Wespe zu studieren. Nach Informationen musste er nicht lange suchen. Ein Griff in seine gut ausgestattete Tierbibliothek genügte. Allein zehn dicke Bände über Schmetterlinge stehen im Schrank. Schätzungen gehen davon aus, dass es weltweit mehr als 180.000 Falterarten gibt; davon leben etwa 3.700 in Deutschland.
Bis zu 1.600 Exemplare pflegt er pro Jahr
Edgar Theobald lernte zunächst Stahlbauschlosser und Stahlbauzeichner, später bildete er sich zum Bautechniker weiter. Er ist Naturschutzbeauftragter der Gemeinde Schwalbach, 2012 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Vor etwa 35 Jahren begann er, sich intensiv mit Insekten zu beschäftigen. Damals war ihm aufgefallen, dass nach langen Autobahnfahrten weniger Mücken an der Frontscheibe klebten als früher. Er schätzt, dass die Zahl der Insekten seitdem in unserer Region noch einmal um 75 Prozent gesunken ist. Seine Züchterlaufbahn begann mit einer Schwalbenschwanzraupe, die er im Garten am Möhrenkraut fand und großzog. Schnell zeigte sich, dass er ein Händchen für die Schmetterlinge hat. Im Laufe der Zeit wurden es immer mehr. Bis zu 1.600 Exemplare hegt und pflegt er im Jahr – solange, bis die Falter schlüpfen. „In der Regel suche ich in freier Natur Eier oder Kleinstraupen", erklärt der Saarländer. Weil er die Futterpflanzen kennt, weiß er, wo er suchen muss. Brennnesseln zum Beispiel sind beim Tagpfauenauge, beim Kleinen Fuchs und beim Admiral beliebt. Die Eier kommen in klassische Einmachgläser. „Zum Schutz", erklärt Theobald. Damit sie nicht von Parasiten befallen werden. Unten ins Glas legt er ein Blatt Küchenpapier für die Ausscheidungen. Die heranwachsenden Falter haben ordentlich Appetit, an manchen Tagen verfüttert Theobald einen großen Sack Brennnesseln.
Die Puppen hängen an Holzstäbchen oder selbst gebastelten Drahtgeflechten. Zunächst passen bis zu 40 Exemplare in ein Glas. Wenn sie größer sind und mehr Platz brauchen, werden einige umgesiedelt. Nach der Verpuppung dauert es noch zwei bis vier Wochen, bis die Falter schlüpfen. „Ich lasse alle fliegen", versichert Edgar Theobald. Sobald sie mit den Flügeln schlagen, öffnet er den Glasdeckel. Als er während unseres Besuches ein junges Tagpfauenauge in die Freiheit entlassen möchte, bleibt der Schmetterling einige Sekunden auf seiner Hand sitzen. So, als müsse er sich erst noch entscheiden: raus in die große weite Welt oder doch lieber zurück in die sichere Puppenstube. Theobald schätzt, dass es in der Natur von 100 Eiern nur ein, zwei bis zum Schmetterling schaffen. Bei ihm ist die Erfolgsquote viel höher, etwa 95 von 100 Eiern entwickeln sich zu Faltern. Doch die behütete Kindheit ist keine Garantie für ein langes Leben. Bei den Vögeln der Umgebung hat es sich natürlich herumgezwitschert, dass in Hülzweiler leckere Schmetterlingshäppchen serviert werden. Geduldig warten die Rotschwänzchen hinterm Haus auf ihr Festmahl. Deshalb hat Theobald seine Taktik geändert. Meist packt er die Einmachgläser ins Auto und fährt mit ihnen aufs freie Feld oder an den Waldrand.
Auch der Klimawandel macht ihm Sorgen
Viele Schmetterlingsarten seien vom Aussterben bedroht, erklärt der Fachmann. Pflanzenschutzmittel und das Verschwinden von Wiesen und Feldern sind schuld daran, die Falter reagieren empfindlich auf Eingriffe in ihren Lebensraum. Deshalb plädiert Theobald dafür, Wildkräuter dort wachsen zu lassen, wo sie niemanden stören. Zum Beispiel an den Grünstreifen neben vielen Straßen. Er versteht nicht, dass die Wiesen an manchen Straßenrändern auf einer Breite von mehreren Metern gemäht werden – während anderswo gleichzeitig künstlich Blühwiesen anlegt werden. Auch der Klimawandel macht dem Schmetterlingsfreund Sorgen. Wegen der steigenden Temperaturen, so vermutet er, überwintert der Admiral immer häufiger in unseren Breiten. Zitronenfalter hingegen fürchten weder Eis noch Schnee. Das eingelagerte Glycerin wirkt wie eine Art Frostschutzmittel und verhindert, dass die Körperflüssigkeit gefriert. Kaum kommen im März die ersten warmen Sonnenstrahlen, erwacht der Frühlingsbote aus seiner Winterstarre. Einen zweiten Sommer kann der Zitronenfalter aber nicht genießen. Nach der Paarung und der Eiablage im April endet sein Lebenszyklus. Theobald kann auch viel Spannendes erzählen über die unglaubliche Reise der Monarchfalter: Im Frühjahr wandern die orange-schwarzen Schmetterlinge von ihren Überwinterungsplätzen über mehrere Generationen von Mexiko nach Kanada. Ab Oktober geht’s dann 4.500 Kilometer zurück in den warmen Süden. Dabei legen die 100-köpfigen Flugtruppen bis zu 300 Kilometer am Tag zurück.
Sein Wissen gibt der Experte gern weiter, fast 500 Schulkassen hat er bereits besucht. Ein Zeitungsfoto, das er aufgehoben hat, zeigt einige Schüler mit großen Augen und offenen Mündern. Theobald erinnert sich noch gut an den Besuch in Wallerfangen. Das Timing war perfekt: Die Jungs und Mädchen staunten nicht schlecht, als direkt vor ihren Augen eine Schwalbenschwanzpuppe schlüpfte. Theobald weiß aber auch: Wenn die Kinder älter werden und selbst Schmetterlinge im Bauch haben, sinkt die Begeisterung für die flatternden Insekten. Bei den älteren Semestern stößt er dann aber wieder auf offene Ohren, häufig ist er bei Obst- und Gartenbauvereinen zu Gast. Nicht bei allen Gärtnern sind Schmetterlinge gern gesehen, sie fürchten Schäden. Einzelne Raupen an Gartenpflanzen seien unproblematisch, versichert Theobald. Wenn sich hingegen Massen von Buchbaumzünslern in einer Hecke niederlassen, droht Kahlfraß.
In seinem Garten gibt es genug Nahrung für alle, gern teilen er und seine Frau Obst und Gemüse mit den Schmetterlingen. Zum Beispiel den Fenchel: Die Knolle lässt sich das Ehepaar schmecken, das Grün drum herum futtern die Schwalbenschwanzraupen. Edgar Theobalds Bitte an die Gartenbesitzer: „Alles ein bisschen wachsen lassen". Er weiß, dass sein Wunsch oft auf taube Ohren stößt, auch bei ihm in der Nachbarschaft brummen im Sommer fast täglich die Rasenmäher. Auf die modernen Mähroboter ist er nicht gut zu sprechen. In seinem Garten kämen sie aber sowieso nicht weit. Wenn Edgar Theobald sein Grün stutzen möchte, dann greift er zur großen Motorsense.