Die Temperaturen sinken, die Diskussionen werden hitziger. Schon wieder Corona. Dabei hatten wir doch gehofft, das Schlimmste überstanden zu haben. (Fast) keine Maskenpflicht mehr, volle Stadien und Kneipen. Weihnachtsmärkte in Planung.
Von all dem zeigt sich die Pandemie sichtlich unbeeindruckt und breitet sich munter aus. Vermutlich sogar deswegen. Zumindest höre ich den letzten Tagen fast überall die Sorge, dass die Lockerungen zu früh und zu weitreichend waren. Da hilft eben auch wenig, wenn sich Menschen aus Vorsicht noch freiwillig selbst an vieles halten, was Experten unablässig einfordern.
Am ersten Tag des strikten Lockdowns im November vor einem Jahr lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei knapp über 120, jetzt liegt sie bundesweit über 210, im Land über 110. Trotz Impfquote von etwas über zwei Drittel der Bevölkerung und in einer Situation, in der die flächendeckenden Bürgertests weggefallen sind. Wir erinnern uns: Mehr Tests heißt höhere Inzidenzwerte. Umgekehrt gilt dann wohl auch: weniger Tests, geringere Quote. Das macht die aktuellen Zahlen bundesweit und im Land umso bedenklicher. Wenn dann jetzt mal wieder darüber gestritten wird, ob ein neuerliches Bund-Länder-Treffen etwas regeln soll, oder die Länder, oder halt sonst wer auch immer zuständig sein mag, dann schleicht sich kurz vor Weihnachten die Erinnerung an das Desaster um einen Osterlockdown wie ein Déjà-vu-Erlebnis ein.
„Weniger Interviews geben", mahnt SPD-Fraktionschef Mützenich. Der Beifall der Verunsicherten ist sicher. Und deren Zahl steigt mit den Inzidenzwerten und mit jeder Äußerung, aus der der Eindruck einer völligen Überraschung über die Entwicklung spricht. Verstehen mag das keiner mehr. Diskussionen um die Booster-Impfungen kennen wir seit Sommer, und jetzt, mitten in der vierten Welle, wird gestritten, wie die laufen sollen. Auch das kommt bekannt vor. Wir dürfen wetten, dass mit den neuen Vorschlägen zum (juristisch) erklärten Ende der pandemischen Lage der Flickenteppichstreit neue Urstände feiert. Adventliche Vorfreude hat schon mal anders ausgesehen.