Jonathan Burkardt hat in dieser Saison den endgültigen Durchbruch in der Bundesliga geschafft. Steigerungspotenzial ist dennoch vorhanden. Mittlerweile ist auch Hansi Flick auf den Stürmer aufmerksam geworden.
Vor fast drei Jahren gab der damalige Chefcoach der Mainzer, Sandro Schwarz, eine Einschätzung zu seinem Stürmertalent Jonathan Burkardt ab: „Bei ihm ist es nicht eine Frage des Talents oder Potenzials, sondern, ob der Körper sich weiterentwickelt und mitmacht. Wir müssen darauf achten, dass er trotz der größeren Belastung im aktiven Fußball in der Lage sein wird, Woche für Woche auf dem Platz zu stehen." Zum damaligen Zeitpunkt war „Jonny", wie er genannt wird, gerade aus der eigenen U19 zu den Profis gekommen und hat in der Vorbereitung Tor um Tor erzielt. Zweifel hatten die Verantwortlichen dennoch, ob der Sprung in den Profibereich für das zu diesem Zeitpunkt etwas schmale Talent schon machbar wäre.
Keine Frage des Talents oder des Potenzials
Nach seinem ersten Bundesligaspiel entwickelte sich seine Karriere nicht langsam, sondern erst mal gar nicht. Burkardt musste erst Muskulatur draufpacken, um sich zu einem stabilen Bundesligaspieler zu entwickeln. Die Mainzer wussten, dass sie ein Juwel in ihren eigenen Reihen haben, welches aber einen gewissen Feinschliff benötigte. Dabei ist es eher ein glücklicher Zufall, dass Burkardt bei den Mainzern landete. Denn Mainz 05 war seinerzeit mal wieder schneller als Eintracht Frankfurt. Dabei ist Jonny Burkardt eigentlich immer Eintracht-Fan gewesen, spielte bis zu seinem 14. Lebensjahr für Darmstadt. Seine Eltern, der Vater ist Banker, haben stets darauf geachtet, dass dem Sohn keine Flausen in den Kopf gesetzt werden. Erst bei seinem ersten Profivertrag zogen sie die Agentur Pro Profil von Ex-Nationalspieler Thomas Kroth hinzu, für die auch der ehemalige hessische Zweitligatrainer Herbert Dörenberg als Talentscout und Berater junger Spieler gearbeitet hat. Dörenberg lobt die Familie Burkardt in höchsten Tönen. Die habe gemeinsam mit der Mainzer Nachwuchsschmiede um deren Leiter Volker Kersting dazu beigetragen, dass Jonathan „charakterlich top und klar im Kopf" geblieben ist. „Das sind sehr vernünftige Leute, denen es nie in erster Linie ums Geld ging, Jonny ist dazu ein hochintelligenter Bursche." Und sehr selbstkritisch dazu, wenn es bei ihm mal nicht so gelaufen ist, wie er das selbst von sich erwartet, sagt Burkardt das auch öffentlich in einer Offenheit, die in der Branche selten ist. Burkardt und sein Trainer Bo Svensson sind sich einig, dass er am ersten Kontakt bei der Ballmitnahme noch etwas arbeiten muss und dass seine Effektivität im Torabschluss noch Raum nach oben lässt. Dabei scheint es so als würde seine Arbeit in dieser Saison richtig Früchte tragen.
In der vergangenen Saison hatte Burkardt mit 29 Einsätzen einen großen Anteil am letztendlich souveränen Klassenerhalt. Unter seinem früheren Mainzer Jugendcoach und jetzigen Cheftrainer Bo Svensson ging „Jonny" die nächsten Entwicklungsschritte vom Talent bis hin zur festen Größe bei den Rheinhessen. Dazu kam dann noch der EM-Titel mit der deutschen U21-Nationalmannschaft. Alles in allem ein gelungener Sommer. Zum Start der aktuellen Saison ging es dann gleich genau so weiter. Er hat sich zur festen Größe in der Mainzer Stammelf entwickelt. Anfragen von anderen Vereinen gab es im Sommer, doch die waren vergebens. Burkardt verlängerte seinen Vertrag vorzeitig am Bruchweg bis 2024. „Mir war klar, dass ich die nächste Saison auch hier verbringen möchte, weil ich hier noch viel Entwicklungspotenzial sehe", begründete Burkardt seine Vertragsverlängerung. Auch Sportvorstand Christian Heidel war nach dieser Entscheidung pro Mainz 05 die Erleichterung deutlich anzumerken: „Ich glaube, dass es die beste Entscheidung der Welt war, dass Jonny sich entschieden hat, noch in Mainz zu bleiben. Er spielt in seinem gewohnten Umfeld. Er hat einen Trainer, der ihn so gut kennt wie niemand anderes, und er weiß, dass er sich hier in aller Ruhe weiterentwickeln kann. Das finde ich überragend. Jonny hatte ganz sicher eine Reihe von Möglichkeiten, jetzt schon zu einem größeren Club zu wechseln", schwärmt der 05-Boss bei den Kollegen des SWR.
Unter Bo svensson entwickelte er sich stetig weiter
Mittlerweile spielt Burkardt schon seine vierte Saison bei den Mainzern. Die Einsatzzeiten waren damals noch spärlich. Gerade mal vier Spiele in der ersten Saison. In der zweiten waren es immerhin schon zwölf. Aber der Mainzer Stürmer gibt zu, dass er zum Teil unzufrieden und ungeduldig war: „Du wünschst dir, dass du öfter spielst. Aber ich glaube, das ist ganz normal. Eine gewisse Ungeduld braucht man, um dranzubleiben", meint Burkardt. Und das hat sich gelohnt. Mit viel Einsatzbereitschaft und dem Willen, sich zu verbessern, erhöhte Burkardt seine Spielzeiten. „Im ersten Jahr hatte ich vier Bundesligaspiele, im zweiten acht. Und in der dritten Saison bin ich in fast jedem Spiel eingesetzt worden", sagte Burkardt in einem DFB-Interview.
Eine seiner Stärken, die ihn zum Stammspieler in Mainz machten, ist sein Dribbling. Dazu hat der 21-Jährige ein gutes Tempo, das er ruhig noch häufiger ausspielen könnte. Der U21-Nationalspieler arbeitet viel für das Team, erobert als Offensivkraft viele Bälle mit hoher Laufbereitschaft. Auch deshalb ist er mittlerweile so wichtig für das Spiel von Trainer Bo Svensson. Für dessen Idee vom „Mainzer- Fußball", die Burkardt seit dem Nachwuchs bestens kennt, ist besonders das Gegenpressing essenziell wichtig. „Jonny ist flexibel einsetzbar, aber primär ist er ein Stürmer", erklärt der aus Dänemark stammende 05-Coach. Dass er mittlerweile sogar Führungsqualitäten besitzt, zeigt sich im Kreise der U21-Nationalmannschaft. Vom damaligen Trainer Stefan Kuntz, der mittlerweile in der Türkei arbeitet, wurde er zum Kapitän des runderneuerten Kaders berufen.
Wie weit führt sein sportlicher Weg nach oben?
Wenn Bo Svensson vor der Saison zu Jonny Burkardt gefragt wurde, fiel eigentlich immer der gleiche Satz. Er müsse „an seinem Abschluss" arbeiten. Scheinbar hat der junge Stürmer genau das getan. Denn während sein Abschluss noch eine seiner Schwächen war, ist genau dieser jetzt eine seiner Stärken. Derzeit herrscht fast schon ein Hype um den 21-Jährigen. Das lässt den Stürmer aber kalt. Selbst in das Notizbuch des neuen Bundestrainers Hansi Flick hat sich „Jonny" schon gespielt. Denn mit acht Pflichtspieltoren in dieser Saison hat der Kapitän der U21-Nationalelf großen Anteil am Mainzer Höhenflug – und scheinbar seinen Abschluss enorm verbessert. „Wieder ein Tor geschossen und als Mannschaft in der englischen Woche drei Spiele gewonnen. Das ist überragend", sagte Burkardt nach dem 2:1 bei Arminia Bielefeld gegenüber den Kollegen von SWR Sport. Der junge Stürmer erzielte dabei den Siegtreffer und bestätigte in der englischen Woche seinen Aufwärtstrend in toller Manier. Burkardt hat derzeit einen Lauf. An fünf der letzten sieben Mainzer Tore war er beteiligt. Vor zwei Wochen gegen den FC Augsburg – als Flick auf der Tribüne saß – erzielte er beim 4:1 einen Doppelpack. „Wir stehen gut da, und ich bin im Fokus – aber das hat keine Auswirkungen. Nach ein paar schlechten Spielen kann es schon wieder ganz anders aussehen", betonte Burkardt nun. Sein nächstes Ziel heißt auch nicht Nationalmannschaft, sondern die Stabilisierung in der Liga. „Wir stehen glänzend da, wollen aber so viele Punkte sammeln, dass wir gar nicht erst nach unten schauen müssen", sagte er vor der Länderspielpause.
Der Fokus liegt darauf, sich stetig weiterzuentwickeln. Hier kann Burkardt als Vorbild für eine ganze Generation dienen, die in den kommenden Jahren aus den Nachwuchsleistungszentren in die Bundesligaklubs strömen will. Letztendlich ist es harte Arbeit, die aus einem Talent einen Bundesligaspieler machen kann. Keine Starallüren, hohe Ansprüche oder falsche Berater bringen ein Talent zum Ziel. Sondern Demut und der absolute Wille, sich ganz oben zu etablieren. Jonny Burkardt ist dafür das beste Beispiel – sein Weg ist sicherlich noch nicht zu Ende.