Während in Berlin um die Klimawende gerungen wird, macht sich die in Luxemburg ansässige Encevo-Gruppe in der europäischen Großregion Saar-Lor-Lux schon an die Umsetzung. Erklärtes Ziel: die Energiewende mitgestalten.
Zwei Wochen lang hat die Weltgemeinschaft auf dem Klimagipfel in Glasgow (COP 26) gerungen. „Lassen Sie uns sicherstellen, dass Glasgow hält, was Paris versprochen hat", forderte Gipfelpräsident Alok Sherma. Zur gleichen Zeit ringen die wohl künftigen Partner bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin um eine entsprechende Politik einer „Ampel" für die nächsten Jahre. Während derart um die politischen Rahmenbedingungen von Klimaschutz und Energiewende verhandelt wird, geht es andernorts längst um die konkrete Umsetzung. Und darum, diese Umsetzung deutlich zu forcieren.
In Deutschland mit dem Fokus auf der Kernregion Saarland/Rheinland-Pfalz haben sich unter dem Dach der Encevo Deutschland GmbH der Netzbetreiber Creos und der Energieversorger Enovos neu aufgestellt mit einem erklärten Ziel: „Wir haben den Anspruch, die Energiewende, dort wo wir aktiv sind, kreativ mitzugestalten", betont Geschäftsführer Jens Apelt, und sein Mitgeschäftsführer Marc André ergänzt: „Da sind wir auch mitten drin".
Die Strategie wird in der Struktur deutlich: Enovos trennt sich vom traditionellen Strom- und Gasgeschäft mit Großkunden und konzentriert sich auf die bereits seit einigen Jahren erfolgreich umgesetzte Erzeugung erneuerbarer Energien mit den Standbeinen Wind und Photovoltaik (PV) im Kerngeschäftsgebiet Rheinland-Pfalz-Saarland, dazu technische Betriebsführung (O&M) von erneuerbare Energie-Anlagen bundesweit. Jüngstes Großprojekt ist das PV-Vorhaben Südeifel mit insgesamt 200 Megawatt Kapazität (MWp), „so viel wie die Höchstlast der Stadt Saarbrücken", erläutern die Geschäftsführer die Dimension. Ohnehin ist das Unternehmen stark mit PV-Anlagen in Rheinland-Pfalz aktiv. Aktuell im Bau sind die Photovoltaik-Freiflächenanlage Leiwen-Sonnenberg (an der Mosel) mit 14,7 MWp sowie Affler (in der Südeifel) mit zehn MWp.
„Mit kommunalen Partnern vor Ort"
Das Unternehmen entwickelt und baut die Anlagen, für den Betrieb wird immer eine Partnerschaft mit einem regionalen Partner angestrebt. „Wir wollen Investitions- und Partizipationsmöglichkeiten bieten für Stadtwerke oder Energiegenossenschaften oder andere regionale Partner", so Marc André. Damit ist man zwar nicht in einer direkten, aber doch indirekten Bürgerbeteiligung, „keine Finanzinvestoren, sondern kommunale Partner vor Ort".
In Sachen Windanlagen sind derzeit zwei Projekte im Saarland weit oben auf der Agenda: Schiffweiler-Wiebelskirchen und Saarwellingen. Natürlich geht es auch da, wie überall bei solchen Projekten, um umweltrechtliche Themen und Artenschutz. „Das ist auch ein Thema der Akzeptanz. Deshalb verzichten wir auch schon mal auf eine Anlage", betont André. So wurden in Saarwellingen statt der ursprünglich geplanten vier lediglich drei Windanlagen beantragt. Ein Beispiel für die bekannte Problematik. Einerseits will auch die Enovos mit ihren Aktivitäten in Sachen erneuerbare Energien den für die Klimawende notwendigen Beitrag vorantreiben, die Energiewende aber auch „positiv begleiten", also im Zweifel nicht sprichwörtlich mit dem Kopf durch die Wand.
Energiewende und Klimaschutz sind eben eine „gesellschaftliche Herausforderung", betont Jens Apelt, und „Akzeptanz ein ganz großes Thema". Deshalb strebe man auch immer eine enge und pragmatische Zusammenarbeit mit den Protagonisten vor Ort an. Häufig gehe es dann nicht um die Frage, „ob gut oder schlecht, sondern wo steht die Anlage". Und oft stelle sich auch die Frage, „ob nicht doch eine Mehrheit für Windkraft ist, aber deren Stimme nicht so ein Gewicht hat wie die einer lauten Minderheit?", fragt sich Apelt. Deshalb wolle man nicht nur mit einzelnen Gegnern sprechen, sondern suche möglichst das Gespräch mit allen vor Ort. Insgesamt sieht man aber auch in dieser Frage eine Entwicklung ähnlich wie bei anderen Themen. In der jungen Generation gebe es andere Ansichten. So wollten junge Menschen im Gegensatz zu früheren Zeiten gar nicht unbedingt ein eigenes Auto. Ein Hinweis darauf, dass eine andere Akzeptanz im Zusammenhang mit den neuen Herausforderungen entstehe.
In Sachen Windkraft wäre das gerade im Saarland erforderlich. Nach einem Peak beim Ausbau bis 2017 herrscht aktuell fast Stillstand. Im vergangenen Jahr sind sieben Anlagen in Betrieb gegangen, im ersten Halbjahr 2021 keine einzige, während es bundesweit wieder einen deutlichen Zubau gegeben habe. Apelt unterstreicht deshalb noch einmal mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen: „Für mich ist das, was die neue Regierung voraussichtlich umsetzen will, mit einem massiven Zubau von Wind- und PV-Anlagen eine gesellschaftliche Aufgabe. Für die einen ist es saubere Energie, für die anderen eine Verschandelung der Landschaft".
Bei Strom liegt der Anteil der erneuerbaren Energien zwar bei etwa der Hälfte, auf die gesamte Primärenergie betrachtet ist es aber lediglich ein Anteil von 17 Prozent. „Diesen Anteil müssen wir vergrößern, je mehr, desto besser. Strom, den wir hier produzieren, müssen wir nicht von Spanien hierher transportieren". Beim Ausbau dieses Anteils will Encevo eine „führende Rolle" spielen.
Das gilt auch für ein anderes großes Zukunftsfeld: Wasserstoff. Hier kommt Creos im Zusammenhang mit dem Projekt „mosaHYc" ins Spiel. Die Idee ist, Gasleitungen für Wasserstoff umzurüsten und damit ein 100 Kilometer langes grenzüberschreitendes (Saarland, Grand-Est in Frankreich und Luxemburg) Netz entstehen zu lassen, das wiederum Teil eines europäischen Wasserstoffnetzes werden soll. Etwa 70 Kilometer Erdgasleitungen müssten umgerüstet und 30 Kilometer neu gebaut werden. Partner sind die Netzbetreiber Creos Deutschland und GRTgaz (Frankreich). Das Netz könnte 2026 in Betrieb genommen werden und bis 2030 eine Kapazität von 50.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr transportieren. Es wäre ein entscheidender Beitrag zur Dekarbonisierung der Industrie in der Großregion. „Durch eine so große Menge könnten wir eine richtige Wasserstoffindustrie etablieren", unterstreicht André.
Zukunftsfeld Wasserstoff
Allerdings gibt es für ein derartiges grenzüberschreitendes Infrastrukturprojekt keine Blaupause, entsprechend komplex ist die Realisierung. Genau darin besteht aber nach Überzeugung der beiden Geschäftsführer auch eine große Chance, nämlich eben zur Blaupause künftiger grenzüberschreitender europäischer Projekte zu werden. Das umso mehr, als es ein Baustein auch für die Transformation der Stahlproduktion mit grünem Wasserstoff wäre.
Für die Energiewende sieht sich die neu formierte Encevo mit ihrer besonderen Expertise bei erneuerbaren Energien (Enovos) und Netzen (Creos) nicht nur gut aufgestellt. Die Pläne sind auch ehrgeizig. Nach eigener Einschätzung geht es dabei in der unmittelbaren Zukunft noch nicht einmal in erster Linie darum, sich im Wettbewerb zu behaupten. „Wir glauben, dass der Markt so groß sein wird, dass es zunächst gar nicht um Wettbewerb geht, sondern um die Frage, wie der Nachfragemarkt bedient werden kann ... Wir setzen hier auf interdisziplinäre Kooperation". Außerdem geht es um die Frage wie der Mangel anFachleuten und Experten und, letztlich auch wie die jüngsten Entwicklungen gezeigt haben, die Engpässe beim Material behoben werden können.
Energiewende bleibe eine gesellschaftliche Herausforderung. „Unser Part ist der energiewirtschaftliche Teil". Die Aufgaben dabei seien gewaltig, „das geht nur mit starken Partnern", so Apelt, „und am besten mit Wertschöpfung vor Ort", ergänzt André.