Die Landtagswahl im Saarland im März ist der erste politische Stimmungstest nach der Bundestagswahl. Die CDU will zeigen, dass sie als Volkspartei nicht abgemeldet ist, die SPD sieht eine realistische Chance für einen Wechsel. Ein verhaltener Wahlkampfauftakt mitten in der vierten Corona-Welle.
Ob geplant oder eher den terminlichen Möglichkeiten geschuldet: CDU und SPD lieferten sich am Wochenende Mitte November zeitgleich ein Fernduell zum Auftakt in den Landtagswahlkampf.
Erwartungsgemäß wurden Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und seine Stellvertreterin, Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) als Spitzenkandidat beziehungsweise -kandidatin gewählt. Tags drauf wurden beide auch an der Spitze ihrer jeweiligen Partei bestätigt. Wahlergebnisse von zwischen 96 und 99 Prozent zeigen, dass beide unangefochten an der Spitze ihrer Parteien stehen. Soweit war alles schon vor Monaten erwartbar.
Nicht erwartbar war, wie sehr die Bundestagswahl die Karten für die Saarlandwahl neu mischen würde. Damit fokussierte sich das Fernduell auf zwei Fragen. Wie werden sich die derzeitigen Regierungspartner inhaltlich und gegeneinander positionieren? Und: Wie gehen die beiden Großkoalitionäre mit dem Ergebnis vom 26. September um, jenem Tag, an dem sich das Saarland politisch komplett in rot gefärbt hat?
Für beide Parteien eine ungewohnte Gefühlslage. Die SPD mit ihrer Dauererfahrung, unabhängig von der eigenen Arbeit als Juniorpartner in der Großen Koalition immer den Kürzeren zu ziehen, geht natürlich beflügelt in diese Wahlauseinandersetzung. So beflügelt, dass die Spitzenkandidatin mit einem realistischen Blick einordnet: „Wir nehmen natürlich den Rückenwind der Bundestagswahl mit, sind aber demütig, was das Ergebnis angeht, wissend, dass das Rennen noch nicht gelaufen ist." Es kann noch viel passieren in den gut vier Monaten bis zum Wahlsonntag.
CDU will mit innerer Sicherheit punkten
Eine Botschaft steht jedenfalls: Die SPD will „nicht nur die gestaltende Kraft in diesem Land, sondern auch die führende Kraft in diesem Land sein". Das darf man als Seitenhieb mit dem Florett auf den Koalitionspartner lesen. Schließlich sieht sich die SPD mit den von ihr geführten Ministerien als die treibende politische Kraft im Land. Das Wirtschaftsministerium, das auf große Ansiedlungen ebenso verweisen kann wie auf den Kampf um die Stahl- und Automobilindustrie und die Gestaltung der Transformation der Wirtschaft. Das Umweltministerium, das zwar gerade in den Pandemie-Jahren nicht unbedingt im Fokus stand, mit teils bundesweit anerkannter Bilanz, sowie das Bildungsministerium, das coronabedingt Krisenmanagement betreiben musste, was naturgemäß ebensoviel Befürworter wie Kritiker auf den Plan ruft
Dass die SPD auf „Unterstützung von Bundeskanzler Olaf Scholz" im Wahlkampf zählen darf, wie es einige Genossen unmittelbar nach der Bundstagswahl als hoffnungsvolle Erwartung geäußert haben, ist zunehmend wahrscheinlicher. Tobias Hans räumt dagegen nüchtern ein, dass „aus Berlin kein Rückenwind" für die CDU Saar zu erwarten ist. Deshalb werde sich seine Partei als „eigene Marke, modern, verlässlich" im Wahlkampf präsentieren. Was aber nicht heißen soll, dass man sich „von der Bundespartei abkoppeln" wolle, im Gegenteil: Die Saarlandwahl soll „Motor sein für die Bundespartei". Die Bundestagswahl sei „nicht das Ende der Volkspartei CDU", betont Hans, und ergänzt: „Wir kommen wieder, und der Anfang dafür wird am 27. März gemacht".
Für beide Parteien haben sich die langjährigen Voraussetzungen somit exakt umgekehrt. Was auch für einen weiteren Aspekt gelten dürfte. Bislang war die Lehre aus den Landtagswahlen, dass der Amtsinhaber oder die Amtsinhaberin am Ende immer ihren Amtsbonus ausspielen konnte. Darauf setzt auch Hans, wenn er immer wieder betont, dass das Land in der Vergangenheit unter CDU-Führung immer gut gefahren sei. Rehlinger ihrerseits kontert: „Wir spüren, dass es möglich ist, nach 20 Jahren CDU-geführter Landesregierung" einen Wechsel herbeizuführen. Und das aus ihrer Sicht nicht nur, weil Berlin gezeigt hat, dass auch der Juniorpartner einer Großen Koalition eine Wahl gewinnen kann.
Das ist sicher nicht einfach eins zu eins auf das Land zu übertragen. Zumal derzeit keine ausgemachte Wechselstimmung erkennbar ist. Was wiederum wesentlich damit zu tun hat, dass derzeit kaum jemand intensiv über seine mögliche Wahlentscheidung im nächsten Jahr nachdenkt. Dafür sorgt alleine schon die Pandemieentwicklung. Die Parteitage haben zu einem Zeitpunkt stattgefunden, der womöglich der letzte in diesem Jahr für Veranstaltungen dieser Art war.
Den Wahlkontrahenten ist klar, dass sie derzeit in ihren Rollen als Regierungspartner und mit neuerlichem Krisenmanagement gefordert sind. Auch das sicher ein Grund, warum auf gegenseitige Attacken weitgehend verzichtet wurde, allenfalls kleine Spitzen deuteten an, worum sich am Ende die Wahlauseinandersetzung drehen dürfte.
Arbeit wird zur „Chefinnen-Sache"
Es sind die klassischen landespolitischen Felder wie Bildung und Sicherheit, in Pandemiezeiten natürlich Gesundheit. Aber das alles bestimmende Thema für die Zukunft des Landes ist die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts, und somit alle Facetten, die inzwischen gemeinhin unter dem Begriff von der „Transformation" zusammengefasst werden. Anke Rehlinger kann auf ihre Arbeit als Wirtschaftsministerin und beispielhaft auf Ansiedlungserfolge (Nobilia, SVolt) verweisen und stellt folglich den Kampf um Arbeitsplätze ganz oben auf die Agenda, kündigt an, das zur „Chefinnen-Sache" zu machen. Tobias Hans als Regierungschef macht sich das teilweise zu eigen. „Ohne unser Zutun" hätte es diese Erfolge nicht gegeben, und eine „Deindustrialisierung" werde es mit ihm nicht geben.
In Sachen Klimaschutz, dem zweiten Megathema der nächsten Jahre, formulieren beide ziemlich ähnlich: Klimaschutz ja, auch ein saarländisches Klimaschutzgesetz, aber ohne dabei Arbeitsplätze und die sozialen Folgen aus den Augen zu verlieren.
In der Bildungspolitik, dem klassischen Streitfall in Landtagswahlkämpfen, liegen die Unterschiede eher in Einzelfragen, eine große Schuldebatte zeichnet sich dabei zurzeit nicht ab. Die SPD kann darauf verweisen, dass der Etat für Bildung unter SPD-Führung massiv gestiegen ist. Umgekehrt gilt das ähnlich für den zweiten landespolitischen Klassiker, die innere Sicherheit, wo Rückstände bei Personal und Ausrüstung der Polizei aufgeholt wurden, derzeit große Neubaustellen zu besichtigen sind.
„Wir haben einen Plan" sagt Anke Rehlinger und nennt beispielhaft: Industrie und Klimaschutz vereinigen, bessere Bildung sowie gute und würdige Pflege. Tobias Hans nennt als Ziel, das Saarland „als liebens- und lebenswerte Heimat bewahren" und spricht in seiner Rede Kommunen und Ehrenamt, Sicherheit, Klimaschutz und Arbeitsplätze, Schulen und Kitas an.
Damit haben sich Konturen eines Wahlkampfes abgezeichnet. Deutlich geworden ist neben den inhaltlichen Unterschieden vor allem auch ein Unterschied im Stil und in den Herangehensweisen. Das alles noch recht verhalten, denn noch liegen vier Monate Regierungszusammenarbeit mit erheblichen Herausforderungen vor den Protagonisten.
Dass der Wahlkampf auf eine Entscheidung zwischen Hans und Rehlinger hinausläuft, wird den kleinen Parteien das Leben erfahrungsgemäß schwer machen. Das machen sie sich allerdings – mit Ausnahme der FDP – derzeit ohnehin selbst am meisten. Die AfD hat ihre internen Kämpfe nicht ausgestanden, die Linke spaltet sich, die Grünen stehen vor einem ungewissen Parteitag und einer neuen Konkurrenz namens bunt.saar, die sich derzeit formiert.
Trotzdem gilt: vier Monate vor einer Wahl irgendeine Prognose zu wagen, wäre mehr als vermessen. Politische Stimmungslagen sind, wie es neudeutsch heißt, volatil. Und das alle beherrschende Thema in diesen Tagen ist ohnehin die extreme vierte Corona-Welle mit noch unabsehbaren Folgen.