Zu Recht wurde Judith Hermanns Roman „Daheim" für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Bildhaft, atmosphärisch dicht und mit unmerklicher Tiefe schreibt die Autorin eine Geschichte darüber, was es heißt, in sich verwurzelt zu sein.
Der Roman erzählt von einer jungen Frau, deren Leben in einer Stadt grau und langweilig abläuft: Arbeit in der Zigarettenfabrik und eintönige Wohnung mit Blick auf eine Tankstelle. Da verspricht die Begegnung mit einem alten Mann dem täglichen Einerlei ein Ende zu setzen. Er sei ein Zauberer auf der Suche nach einer neuen Assistentin. Ob sie bereit sei, sich in eine Kiste zu legen und sich zersägen zu lassen, um anschließend unversehrt wieder herauszusteigen. Tatsächlich nimmt die Ich-Erzählerin an einem ersten Probetermin teil. Die Kiste hat etwas in der Frau verschüttet. Nur bruchstückhaft sind ihre Erinnerungen an dieses Ereignis. Die Frau erinnert sich an sich selbst nur wie an eine Fremde. Als wäre das Ganze ein Traumbild, ein Trauma gar.
Inzwischen lebt die Frau auf dem Land in Küstennähe. Allein in einem Haus. Sie arbeitet bei ihrem Bruder in einer Kneipe. Sie schreibt ihrem Ex-Mann, sehnt sich nach ihrer Tochter. Das Leben hier draußen ist einfach und ursprünglich. Keine romantische Idylle. Es gibt freundschaftlichen Kontakt zur Nachbarsfrau im nächsten Hof und einem Schweinebauern.
Über die Jahre hat sich die Frau verändert. Obwohl als Ich-Erzählerin namenlos, ist sie vor allem Mensch geworden, mit lebendigen Gefühlen und Beziehungen.
„Daheim" ist mehr als die Geschichte eines Neuanfangs. Der Roman erzählt von einer Verwandlung. Die Kiste des Zauberers kann als Symbol gesehen werden für das Begraben vergangenen Lebens. Die Säge spricht für das Erleben von Selbstentzweiung, dem Gefühl, nicht mit sich im Einklang zu sein. So wird es unerheblich, ob das Erlebnis mit dem Zauberer Traum oder Wirklichkeit ist. Die Episode wirkt wie eine Aufforderung, sich auf den Weg zu machen, um bei sich anzukommen.