„Le Petit Chef" kommt gerade ganz groß raus, insbesondere in deutschen Top-Gaststätten. Das Erfolgsrezept: Das Fünf-Gänge-Menü wird von einem einmaligen audio-visuellen Entertainment-Programm begleitet. Das Ganze nennt sich Dinner Table Mapping.
Anfangs sieht alles so aus, als begönne gleich ein „normales" Mehrgänge-Menü in einem „normalen" Fünf-Sterne-Hotel: Rund 30 Gäste nehmen im leicht abgedunkelten Restaurant des erst 2019 eröffneten „Andaz München" Platz und bekommen Aperitifs serviert. Im Hintergrund läuft in angenehmer Lautstärke französische Gute-Laune-Musik. Man wähnt sich gleich in Paris. Mehrere Bestecke und Gläser sowie eine separate Weinkarte deuten auf die gehobene Klasse hin. Und ein unauffällig platzierter Projektor über jedem Tisch auf das besondere Unterhaltungsprogramm, das dann auch nach einiger Zeit startet. Dabei wird die komplette Tischfläche visualisiert, jeder der jeweils vier Tischgäste erblickt das mehr oder weniger gleiche Bild, das jedoch fließend in die anderen übergeht, sodass jede Fläche komplett angestrahlt wird. Wie das funktioniert? Mittels sogenannter 3D-Projektmapping-Technologie.
Der kleine Koch ist 58 Millimeter groß
Und das sieht dann in unserem Fall so aus: Das beamer-artige Gerät projiziert eine grüne Wiese inklusive Blumen, Gemüsebeet und Gewächshaus. Aus Letzterem stolpert – jetzt kommt Bewegung in das statische Anfangsszenario – „Le Petit Chef", der mit 58 Millimetern kleinste Koch der Welt. Ausgestattet mit weißer Kochmütze und Schürze eilt der temperamentvolle Zwerg umher. Gießt Blumen, entfernt Unkraut und schmeißt auf den imaginären Riesenteller, der sich digital vor jedem Gast befindet, eine XL-Burrata-Kugel. Dann rupft er aus dem Beet ein Radieschen heraus und wirft dieses nebst Kräutern hinterher, bevor er sich ein Duell mit einem Maulwurf liefert, der weiteres Gemüse „entführt". Dabei wirkt der Film-Koch ebenso tollpatschig wie liebenswert, was durch heitere Musik und comicartige Laute unterstrichen wird. So geht das bestimmt einige Minuten lang. Der Blick in die Runde und auch hinüber zu den Gästen an den Nachbartischen verrät: Das audiovisuelle Amuse-Gueule findet Geschmack.
Was noch besser ankommt: Das digital gezeigte Gericht, eben Burrata mit Radieschen und Co., wurde gleichzeitig von echten Köchen fertiggestellt und wird nun, kurz nach Filmende, von echten Kellnern serviert. Faszinierend, wie sehr sich Film- und Animationsgericht ähneln. Und so geht es munter weiter, jeder der fünf Gänge wird von einem mehrminütigen Video eröffnet. Dabei sind es ganz unterschiedliche Settings. Vor Gang Nummer zwei etwasieht man „Le Petit Chef" beim Angeln, in einem wenig vertrauenserweckenden Ruderboot. Und natürlich passieren auch dort im wahrsten Sinne fantastische Dinge.
Etwa, als die Comicfigur mit aus ihrer Sicht riesigen Fischen kämpft und diese auf den erneut im Zentrum des Geschehens befindlichen Riesenteller schleudert. Folgerichtig wird kurz darauf Fischsuppe serviert. Danach geht es erneut ans Wasser oder besser gesagt: unter Wasser. In Filmchen Nummer drei sind bunte Korallen und Fischschwärme zu sehen. Ja, und dann bekommt es der Zwergkoch mit wilden Tintenfischen zu tun, von deren Tentakeln er eingewickelt wird, bevor es sich in Indiana-Jones-Manier von ihnen befreien kann, indem er diese abhackt. Voilà die Tintenfischringe, bon appetit!
Bevor der ungemein zarte Rinderrücken kredenzt wird, sieht man auch hierzu wieder vorab einen Clip. Diesmal passiert dem Hauptdarsteller beim Grillen auf dem Riesengrill ein Malheur nach dem anderen, und als Gast ist man sehr froh, dass es die echten Köche besser hinkriegen.
Zweieinhalbstündiges Kulinarik-Kino gibt es mittlerweile weltweit
Zum Finale schließlich wird Creme brulée in einem verschneiten Winterambiente-Setting samt Mini-Iglu und Schlitten flambiert, wobei „Le Petit Chef" mit großem Brenngerät hantiert und Zucker regnen lässt. Kein Wunder, dass dieser Film (und das echte Dessert) bei Kindern besonders gut ankommen. Für sie gibt es im Übrigen ein spezielles Kindermenü. Auch Vegetarier werden bedacht, die Einspielfilme sind jedoch dieselben.
Generell kannte man ja Video-Mapping-Projektionen schon seit längerem, allerdings eher in großem Stil – auf Gebäudefassaden im Rahmen von Großveranstaltungen vor einem Massenpublikum. Das belgische Künstlerkollektiv Skullmapping beweist jedoch, dass diese Projektionstechnik, die dreidimensionale Effekte auf einer Oberfläche erzeugt und so beim Betrachter den Eindruck erweckt, dass die darauf gezeigten Projektionen zu einer neuen Einheit verschmelzen, auch im Miniaturformat vor einem Kleinstpublikum seine Faszination ausübt. Und das mit großem Erfolg.
Das insgesamt rund zweieinhalbstündige Kulinarik-Kino wurde seit 2015 in etwa drei Dutzend Ländern angeboten, stets in Kooperation mit gehobenen Restaurants. Derzeit boomt die Hologramm-Show in Asien und mehr noch in Deutschland. Kein anderes Land beheimatet derzeit mehr Spots, derzeit sind es zwölf. So nahmen erst im August das „Elbers 800" in Hagen und das „Grand Hyatt Berlin" „Le Petit Chef" in ihr Angebot auf. Seit Herbst wirbt zudem das „Mövenpick Zürich" und das ganz neue Edel-Kreuzfahrtschiff „Celebrity Apex" damit.
Gut zu wissen: Mitnichten wird überall dasselbe Menü respektive Filmprogramm kredenzt, es gibt hier einige Variationen. Allen Spielorten gemein ist, dass man sich rechtzeitig um Karten kümmern sollte. Die Tische sind trotz stolzem Preis von mindestens 99 Euro pro Person (ohne Getränke) in der Regel Wochen im Voraus ausgebucht. Es gibt im Übrigen auch – wenngleich wenige und wenngleich nicht in Deutschland befindliche – andere Restaurants mit Table-Mapping, etwa das „Lumentium" in Madrid und Barcelona oder seit Juli 2021 das „Imaginate" in Detroit, die erste Location dieser Art in den USA.