Mit einem bemerkenswerten Kraftakt dreht der 1. FC Saarbrücken die Partie beim SC Verl. Doch am Leistungslimit ist das Team immer noch nicht.
Es hatte bereits ein bisschen was von einem Geisterspiel, die nun den deutschen Profivereinen wohl wieder ins Haus stehen. 565 Zuschauer kamen am vergangenen Freitag in den Sportpark am Lotter Kreuz vor den Toren Osnabrücks. Dort muss der SC Verl seine Drittligaheimspiele austragen und der ohnehin publikumsarme Club wird nur von wenigen Fans ins Exil begleitet. Da auch die rund 200 Saarbrücker Anhänger ihr Team zumindest während der ersten Halbzeit mit Missachtung straften, konnte man fast jedes Wort, das auf dem Rasen gesprochen wurde, verstehen. Bei den beiden Überraschungsaufsteigern der Vorsaison hängt der Haussegen schief. „Rino raus"-Rufe verabschiedeten Verls Trainer Guerino Capretti nach dem 2:4 gegen den FCS in die Kabine, was sein Saarbrücker Kollege Uwe Koschinat als respektlos einstufte: „Wer würde denn den SC Verl ohne Capretti kennen", sagte der 50-Jährige, dem die Erleichterung richtig anzusehen war. „Wir haben zu Recht viel abbekommen nach den beiden schwachen Derby-Auftritten, insofern gab es heute keinen Schönheitspreis zu gewinnen", sagte der FCS-Coach nach 90 Minuten, die sich auf schwerem Geläuf auf mäßigem Niveau abspielten.
„Verzeiht uns unseren Frust", stand auf einem großen Transparent, dass die schweigenden FCS-Fans ausgerollt hatten. In der zweiten Halbzeit beendeten sie ihren Protest. Doch dass nach dem glücklichen Ende von Lotte nicht alles gut ist, zeigte auch ein hitziges Wortgefecht von Kapitän Manuel Zeitz nach Spielende mit einem Anhänger.
Fans immer noch enttäuscht
Es steht außer Frage, dass die schwachen Auftritte gegen Mannheim und Kaiserslautern die Euphorie rund um den FCS erstickt haben. Bis zum Wochenbeginn wurden für das Heimspiel gegen Viktoria Berlin am Samstag zusätzlich zu den knapp 3.000 Dauerkarten nur wenige Tickets verkauft. Auch ohne neuerliche Corona-Einschränkungen droht eine Minuskulisse.
Rein tabellarisch mutet die triste Stimmungslage grotesk an. Denn mit 24 Punkten und dem dritten Auswärtssieg kann der FCS mehr nach oben als nach unten schauen. Doch selbst Coach Koschinat musste einräumen, „dass es vermessen wäre, heute von einem verdienten Sieg zu sprechen." Beim kriselnden Verl lief der FCS fast während der gesamten Spielzeit hinterher, hatte kaum Zugriff auf die Partie und präsentierte sich zwischen der 20. und 70. Minute wie ein Abstiegskandidat. Dabei sah es zu Beginn nicht einmal so schlecht aus. Das präferierte Konzept des langen Balls auf Stoßstürmer Adriano Grimaldi fruchtete schon nach 15 Minuten, als der starke Julian Günther-Schmidt den Torjäger bediente. Kurz danach hätte Grimaldi nachlegen können. Doch das war es schon mit der Saarbrücker Herrlichkeit. „Wir haben es ganz gut verteidigt", sagte Koschinat, vermied es aber zu erwähnen, dass die Gastgeber schon im ersten Abschnitt drei große Torchancen hatten. Nach der Pause baute der FCS noch mehr ab und der SC Verl drehte die Partie – zumindest für eine kurze Zeit. Als 70 Minuten gespielt waren und die FCS-Krise bedrohliche Ausmaße anzunehmen schien, bewies das Team beachtliche Comeback-Qualitäten. Maurice Deville, Grimaldi und Günther-Schmidt besorgten den 4:2-Erfolg, wobei neben Deville auch der ebenfalls eingewechselte Justin Steinkötter maßgeblich zum späten Erfolg beitragen durfte. „Wir haben Wucht und Torgefahr von der Bank gebracht. Es ist gut, wenn Spieler, die ich zuletzt links liegen gelassen habe, ihrem Trainer mal eine in die Fresse geben", sagte Koschinat vor allem mit Blick auf Deville: „Er war oft mit der Nationalmannschaft unterwegs, dadurch fehlt die Bindung zum Team." Der Luxemburger strahlte unterdessen in den kalten Winterabend: „Ich würde nicht von Genugtuung sprechen. Ich habe gezeigt, dass ich noch da bin. Heute konnte ich dem Team helfen, dafür bin ich eingewechselt worden", sagte der 28-Jährige, der auch von der personellen Situation profitieren könnte.
Die Joker sorgten für die Wende
Bei Minos Gouras war der Corona-Test auch am vergangenen Wochenende noch positiv, Sebastian Jacob lag eine Woche mit einem starken Infekt im Bett. „Wir müssen sehen, wer uns zur Verfügung steht", sagte Koschinat und ergänzte mit Blick auf das Personal: „So wie der Kader heute war, können wir keinen Anspruch erheben, oben mitzuspielen." Dazu passt auch die Einschätzung, dass die beiden Talente Marius Köhl und Rasim Bulic bei ihrem Startelf-Debüt in dieser Saison zwar nicht sonderlich abfielen, aber eben auch nicht den Eindruck erweckten, dass sie in Kürze die Probleme des FCS beheben könnten. Und von diesen gibt es nach wie vor reichlich. Es fehlt an Tempo auf den Außen, neben Luca Kerber herrscht in der Zentrale spielerische Armut und die Innenverteidigung ist alles, nur nicht sattelfest. Das einzige, was bisher dauerhaft gut funktioniert, ist der lange Ball auf Grimaldi. Doch der zog sich in Lotte eine Oberschenkelverletzung zu. „Das wäre tragisch, wenn er uns fehlen sollte", sagte Koschinat.