Um „schöne" Kleidung ist es Lady Gaga noch nie gegangen. Auch nicht darum, besonders „schön" zu sein. Vielmehr nutzt der Superstar die Mode um Statements zu setzen und das Publikum dazu zu animieren, selbst künstlerisch tätig zu werden.
Gold, na klar. Auch wenn Friedenstauben gemeinhin weiß sind, wäre Lady Gaga nicht Lady Gaga, wenn sie nicht ein wenig over the top aufträte. Ein goldenes Täubchen, eher eine ausgewachsene Taube, mit Zweig im Schnabel, zierte bei der Inauguration von Joe Biden ihr dunkelblaues Oberteil. Dazu schwarze Handschuhe, ein roter langer Rock, Flechtfrisur und ein goldenes Mikrofon – wie gewohnt legte die Sängerin einen imposanten Auftritt hin, als sie die amerikanische Nationalhymne sang. Wie immer war ihr Look nach dem Motto „Viel bringt viel" zusammengestellt. Doch das unterscheidet Lady Gaga von einem singenden Modepüppchen: Ihre Kleider- und Accessoire-Wahl ist dennoch dem Anlass angemessen und zollt Respekt.
Der große Auftritt, sie hat ihn perfektioniert. Nicht erst, seit sie im Rampenlicht steht. Schon als Kind, sagt sie, sei sie eine Entertainerin gewesen. Sie liebe es einfach, sich in Szene zu setzen und mache bis heute im Grunde genommen nichts anderes. Entsprechend ungewöhnlich und einzigartig sind ihre Outfits auf der Bühne und auf dem roten Teppich, etwa ihr Fleischkostüm, das sie bei den MTV Video Music Awards 2010 trug. Es stellt sich die Frage, ob Lady Gaga, die mit bürgerlichem Namen Stefani Joanne Angelina Germanotta heißt, so aber nie angesprochen werden möchte, damit auch eine Fashion-Infuencerin darstellt? Die Antwort ist einfach. Ja. Denn der extravagante Popstar kopiert keine angesagten Stile, kreiert vielmehr Neues. Damit sendet sie ihren Fans, darunter über 50,5 Millionen Followern alleine bei Instagram, eine wichtige Botschaft: Sei individuell und kreativ, anstatt nur zu konsumieren.
Fashion ist ihr außerordentlich wichtig, und das passt zum Gesamtkonzept der Kunstfigur Lady Gaga. Natürlich pickt sie sich aus dem Mode-Universum das heraus, was ihr gefällt. Auch bei ihrer Musik stöbert sie in Stilen wie Rock, Pop und Dance Music. Zudem überrascht sie, etwa mit ihrem Jazz-Album „Cheek to Cheek".
Mit vier Jahren bringt sich die gebürtige New Yorkerin aus der Upper East Side von Manhattan, geboren am 28. März 1986, selbst das Klavierspielen bei, mit 13 Jahren schreibt sie ihre erste Ballade. Ihre Eltern Joseph und Cynthia sind mit Jobs als Internetunternehmer und Mitarbeiterin einer Telekommunikationsfirma keineswegs wohlhabend, finanzieren ihr jedoch den Besuch einer privaten katholischen Mädchenschule und das Musikstudium an der „Tisch School of the Arts" der New York University. Dort wurde sie bereits als 17-Jährige angenommen und konnte sich in Sachen Songwriting weiterbilden, nachdem sie in der Highschool schon in Musicals Hauptrollen gespielt hat.
Kreativität statt Konsum
Mit 18 Jahren zieht sie von zu Hause aus. Diesen Schritt unterstützen ihre Eltern finanziell nicht; sie hat noch eine sechs Jahre ältere Schwester namens Natali. Sie jobbt als Go-go-Girl, konsumiert Drogen und ihr Vater quittiert dies mit einer vorübergehenden Kontaktsperre.
Heute, rund 16 Jahre später, kann sie bereits auf eine Weltkarriere zurückblicken. Ihren ersten Plattenvertrag unterschreibt sie mit 19. Sie tritt in Clubs an der Lower East Side auf und mit dem Musikproduzenten RedOne komponiert sie „Boys Boys Boys". Als 22-Jährige zieht sie nach Los Angeles, wo sie ihr Debütalbum „The Fame" vollendet. Das schießt in den USA auf Platz zwei, in einem halben Dutzend anderer Länder auf Platz eins. Es folgt eine Lady Gaga, die anfangs auch Lieder für die Pussycat Dolls und Britney Spears geschrieben hat, im Vorprogramm der Boygroup New Kids on the Block, eine Lady Gaga, deren Song „Bad Romance" in eineinhalb Dutzend Ländern auf Platz eins landet und sich in ihrem Heimatland digital über vier Millionen Mal verkauft. Ihre „Telephone"-Auskopplung, die zusammen mit Beyoncé Knowles entstanden ist, stürmt in England die Charts. Auf ihrer „The Monster Ball"-Tour spielt sie rund um den Globus 200 Konzerte. Ihr Song „Born This Way" schafft es durch Downloads an die Spitze der deutschen Single-Charts. Sie ist mit über einer Milliarde Aufrufen die erfolgreichste Musikvideo-Produzentin auf Youtube. Mit über 150 Millionen Tonträgern gehört die mit zahlreichen Awards ausgezeichnete US-Amerikanerin zu den erfolgreichsten Künstlern des 21. Jahrhunderts. Wenn es um ihre musikalischen wie auch teils modischen Vorbilder geht, zählt sie Madonna, David Bowie, Grace Jones, Gwen Stefani als auch Queen auf.
Tiefgründig und engagiert
Lady Gaga wurde nicht nur ein Talent in die Wiege gelegt. Sie hat eine außergewöhnliche Stimme, kann komponieren und texten, kann sich inszenieren und kann schauspielern. Ihren ersten Auftritt im Splatterfilm „Machete Kills" kann man, muss man aber nicht kennen. „A Star is born" hingegen, ein Remake von und mit Bradley Cooper, ist ein Kultfilm, den man gesehen haben muss. Für diesen Film hat sie mit „Shallow" den Gänsehaut erzeugenden Titelsong geschrieben, der 2019 mit einem Oscar in der Kategorie „Bester Filmsong" ausgezeichnet wurde. Bereits drei Jahre zuvor wurde ihre schauspielerische Leistung in der TV-Serie „American Horror Story" mit einem Golden Globe gewürdigt.
Die Pop-Queen ist ein Familienmensch. Das gemeinsame Essen am Tisch ist für die Amerikanerin mit italienischen Wurzeln selbstverständlich. Um sich zu fühlen, als würde sie mit ihrer Mutter Tee trinken, hat sie auf Reisen immer ihre lilafarbene Teetasse dabei. Von ihren italienischen Kochkünsten dürfen auch immer ihre Partner profitieren, seit 2020 der Unternehmer Michael Polansky. Auch bei der ansonsten publikumslosen Amtseinführung Bidens durfte er dabei sein. Das Paar setzte dort mit einem großen schwarzen Mund-Nasen-Schutz ein klares Zeichen.
In einem Interview mit der „USA Today" hat die Künstlerin, die öffentlich über ihre Depressionen und ihre Autoimmunerkrankung Lupus spricht, auch einen Einblick in ihren Seelenzustand zu Corona-Zeiten gegeben, über die Ohnmacht, die sie wie alle anderen spüre.
Lady Gaga ist ein tiefgründiger und politisch engagierter Mensch. Sie setzt ihre Popularität ein, um Ungerechtigkeiten entgegenzutreten. So setzt sie sich etwa für die Rechte von homosexuellen Menschen ein und gründete mit ihrer Mutter die „Born this Way Foundation", eine Stiftung für Mobbingopfer an Schulen.
Neben Herz-, Anker-, Blumen-Tattoos und dem Gesicht von David Bowie geht bei ihr auch ein Zitat des 1875 in Prag geborenen Lyrikers Rainer Maria Rilke unter die Haut. Auf ihren linken Oberarm hat sie sich 2009 „Prüfen Sie, ob er in der tiefsten Stelle Ihres Herzens seine Wurzeln ausstreckt, gestehen Sie sich ein, ob Sie sterben müssten, wenn es Ihnen versagt würde zu schreiben. Muss ich schreiben?" stechen lassen.
Das passt zu dieser Ausnahmekünstlerin, ebenso wie die Entstehung ihres Künstlernamens: Als sie zu Beginn ihrer Gesangskarriere ins Tonstudio ging, begann ihr Musikproduzent Rob Fusari immer „Radio Ga Ga" von Queen zu singen, anstatt ihr „Hallo" zu sagen. Eines Tages vertippte er sich beim Schreiben einer SMS. Die Autokorrektur machte aus „Radio Ga Ga" „Lady Ga Ga" – für Stefani Joanne Angelina Germanotta der Geburtsmoment ihres weltbekannten Pseudonyms.