Einblicke in das Kunstgeschehen der Quattro-Pole-Städte eröffnet eine Gruppenausstellung mit Werken der Nominierten des Robert Schuman Kunstpreises 2021, der Akosua Viktoria Adu-Sanyah zugesprochen wurde.
Ein Jubiläum feiert der Robert Schuman Preis in diesem Jahr: Vor 30 Jahren zur Förderung des regionalen zeitgenössischen Kunstschaffens ins Leben gerufen, wird er seither alle zwei Jahre verliehen. Der Kunstpreis steht im Zeichen des Lebenswerkes des Politikers Robert Schuman, einem der Gründerväter Europas. Organisiert wird der Wettbewerb von den Quattro-Pole-Städten Luxemburg, Metz, Trier und Saarbrücken – der austragende Ort der 15. Ausgabe.
Die diesjährige Gewinnerin: Die deutsch-ghanaische Künstlerin Akosua Viktoria Adu-Sanyah erhielt die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung. Ihre fotografischen Arbeiten hätten auf mehreren Ebenen überzeugt, erklärte die Jury, die mit Vertretern der Kunst- und Kulturszene der vier teilnehmenden Städte besetzt war. In jedem ihrer Werke stecke eine Geschichte, „die sie auf unaufdringliche Art sicht- und erfahrbar macht".
Künstler vier teilnehmender Städte
Es sind mannigfaltige Geschichten, die die 31-Jährige zu erzählen hat. Davon zeugen eine Vielzahl von Ausstellungen sowie Nominierungen und Auszeichnungen in den vergangenen Jahren. Zur Fotografie gelangte Akosua Viktoria Adu-Sanyah über Umwege. Sie wurde 1990 in Bonn geboren, kam als Kind ins Saarland und fiel im Teenageralter aufgrund ihrer mathematischen Begabung auf. Spätestens mit der Teilnahme am Hochbegabtenprogramm der Saar-Uni schien der Weg vorgezeichnet. „Ich persönlich mochte den Wettbewerb, dass es immer eine Lösung gibt, dass man sehr schnell sehr gut sein kann", erinnert sich Adu-Sanyah an die Zeit, in der sie die Schule besuchte und zudem nebenbei in der Gastronomie arbeitete.
„Es war extrem viel", deshalb habe sich die Bewerbung an der HBK Saar richtig angefühlt. Dort drohte im Gewirr der Techniken und aufgrund der Theoretisierung der Kunst Orientierungslosigkeit, ein „Dunkelkammer-Crashkurs" kam zum richtigen Zeitpunkt. „Ich mochte den Umgang mit den Chemikalien sowie das Körperliche des analogen Prozesses", sagt die junge Frau, die 2015 ihren Abschluss in Media, Art & Design in Saarbrücken machte.
Heute lebt und arbeitet sie als Künstlerin und Fotografin in Zürich. Die Beschäftigung mit ihrer Herkunft und den daraus resultierenden sozialen Lebensrealitäten prägt ihr Werk. Die Jury des diesjährigen Schuman-Preises bezeichnet es als „moderne Verbindung von kultureller Recherche und journalistischen Methoden". Die Werke von Akosua Viktoria Adu-Sanyah seien „ebenso ästhetisch wie gesellschaftspolitisch und auf persönliche Art poetisch".
Was schwierig in Worte zu fassen ist, wird in der Betrachtung der Kunst deutlicher: Aus dem aktuellen Zyklus „Inheritance – Poems of non belonging" (Erbe – Gedichte der Unzugehörigkeit) stammt ein Doppelporträt ihrer Eltern. Die beiden Schwarz-Weiß-Fotografien, die den dunkelhäutigen Vater und die hellhäutige Mutter zeigen, bieten mit ihren verschiedenen Kontrastebenen mehrere Zugänge. Es bleibt dem Betrachter überlassen, ob er darin eine kritische Auseinandersetzung mit Rassismus oder eine persönliche Erinnerung der Künstlerin erkennt.
Mit dem Wissen, dass Adu-Sanyahs Vater vor wenigen Monaten unerwartet verstorben ist, wird in den im Jahr zuvor entstandenen Fotografien und fotografischen Skulpturen eine Traurigkeit wahrnehmbar. Man könnte es auch als Ernsthaftigkeit bezeichnen, die aus der erlebten „Unvereinbarkeit ihrer bi-kulturellen Identität" resultiert, wie die Fotografin erklärt. „Es gibt keinen kulturellen Kontext, in dem ich zu Hause bin. Ich lebe in einem ständigen Konflikt, der für jeden sichtbar ist."
„Eine schöne Inspiration"
Einen Einblick in ihre Kunst, als auch auf die Werke der anderen 15 Nominierten erhält, wer die beiden Ausstellungen in Saarbücken besucht. Vier Kuratorinnen und Kuratoren aus den Quattro-Pole-Städten hatten je vier Kunstschaffende für ihre Stadt ausgewählt. Für die saarländische Landeshauptstadt übernahm Katharina Ritter, Künstlerische Leiterin der Stadtgalerie für Saarbrücken, dieses Amt. Sie ist zudem Koordinatorin der Ausstellung zum Robert Schuman-Preis 2021, die sie als „wundervoll und wahnsinnig" bezeichnet. Zur Entscheidung der Jury, Akosua Viktoria Adu-Sanyah zur Gewinnerin zu küren, sagt sie: „Sie geht als Künstlerin ihren Weg, trotz Höhen und Tiefen bleibt sie dran und arbeitet kontinuierlich an der Unverwechselbarkeit ihres Werkes. Sie bearbeitet extrem schwierige Themen wie strukturellen Rassismus, Verletzlichkeit und Klimawandel auf eine sehr besondere Art, die in keinster Art belehrend wirkt."
Zu den Gratulanten im Rahmen der Preisverleihung, die am 19. November coronabedingt in einem sehr kleinen Kreis stattgefunden hat, zählte auch Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt. In seiner Rede hob er die Wichtigkeit des Kunstpreises hervor: „Der Austausch in der Großregion ist auf vielen unterschiedlichen Ebenen enorm wichtig, das hat sich gerade jetzt zu Pandemie-Zeiten gezeigt und bewährt. Die Kunst ist eine besonders schöne Facette dieses Austauschs. Sie nimmt uns in andere Welten mit, bietet uns Ablenkung, zeigt aber auch gesellschaftliche und politische Missstände auf. Zu sehen, wie Künstlerinnen und Künstler in den benachbarten Ländern jeweils arbeiten, ist für alle Teilnehmenden eine schöne Inspiration."