Ironische Betrachtungen über Kampfradler und arrogante Automobilisten
Der Kampfradler ist der Alptraum des deutschen Autofahrers. Immer wenn von ihm die Rede ist, schwingt die Befürchtung mit, die Alleinherrschaft des Autos auf den Straßen hierzulande könnte bröckeln und Deutschlands Autofahrer müssten gegenüber militanten, rücksichtslosen Radfahrern klein beigeben. Der Kampfradler in Gestalt von überholenden Pedelec- und wendigen Lastenradfahrern kratzt aber am Selbstbewusstsein der Automobilisten, die sich jahrzehntelang als Herren über Land-, Bundesstraßen und Autobahnen sahen.
Viele Nutzer des motorisierten Individualverkehrs sehen die Zu-Fuß-Gehenden und Fahrradfahrenden immer noch als Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse. Das wird zwar oft hingenommen, ist aber sowas von vorgestern. Allein das gönnerhafte Gestikulieren der Automobilisten gegenüber Passanten und Radfahrern zeigt, dass viele sich wie die Könige der Straße fühlen, alle anderen sind lästiges Fußvolk. Wenn die Blechkisten an der Kreuzung stehen und die Fahrer ihre Hände auf dem Lenkrad ausruhen, lassen sich einige von ihnen zu einer Minimalgeste herab. Mit einem leicht angehobenen Finger geben sie dem Fußvolk zu verstehen, dass es nun okay sei, wenn es die Straße überquert. Die Fingerbewegung erinnert mitunter an das lakonische Schwanzwedeln einer weidenden Kuh.
Denken wir an das potenziell umstürzlerische Feindbild des Kampfradlers, schießen die wildesten Spekulationen ins Kraut. Mancher glaubt sogar daran, dass die Rammbock-Radler für die etlichen unaufgeklärten Fälle von Fahrerflucht, bei denen Seitenspiegel ramponiert und Reifen zerstochen wurden, verantwortlich sind. Wie sonst sollten sie auch für ihre latenten Aggressionen und ihr unberechenbares Gewaltpotenzial ein anderes Ventil finden als Sachen anderer Leute zu zertrümmern?
In der (toll)kühnen Vorstellungswelt der Automonopolisten – pardon Automobilisten – spornt sich die Schreckgestalt auf zwei Rädern tagtäglich zu sportlichen Höchstleistungen an. In den frühen Morgenstunden stählt der K-Radler seinen Körper – um draußen in den Krieg gegen die platzverschwendenden Karossen zu ziehen. Der K-Radler ist in seinem tiefsten Inneren ein Jäger und Sammler – er macht Jagd auf nicht eingeklappte Seitenspiegel abgestellter Autos, die dreisterweise Fahrradwege oder -streifen zugeparkt haben. Und jetzt Hand aufs Herz: Wer hat nicht schon einmal vor Wut auf wildparkende Autos eine Zerstörungslust in sich aufsteigen gespürt?
Der K-Radler betreibt einen seelenreinigenden Sachbeschädigungssport, wenn er bei voller Fahrt hinter sich greift und aus seiner Packtasche seine Axt zieht und – zack – den nächstbesten Außenspiegel abschlägt. Und da er bekanntlich ein Sammler ist, darf kein gefällter Spiegel liegen bleiben.
Man munkelt sogar, dass einige Radfahrer in der Dämmerung unauffällig neben auf Radwegen und sonstigen Fahrstreifen parkenden Karossen zum Stehen kommen. Nicht etwa um dort, weil kein öffentliches WC weit und breit, zu urinieren, sondern um die Reifen zu zerstechen. Am elegantesten gelänge dies mit einem in die Schuhspitze eingelassenen Springmesser – James Bond lässt grüßen. Einige der aggressionsgeladenen Radler zücken aber auch ein Klappmesser oder eine Machete.
Während der K-Radler seine Aggressionen gegen die autofahrende Bevölkerung nur kanalisieren kann, indem er der Deutschen liebstes Spielzeug demoliert, so steht dem Königsradler der Sinn nach völlig anderem. Genau genommen kriecht er nichts Böses ahnend im Schritttempo auf den Straßen, als wäre autofreier Sonntag, und jeder auf der Welt hätte vollstes Verständnis für seinen raumgreifenden Fahrstil. Das Blöde für alle, die hinter ihm herfahren ist, dass er quasi in der Mitte der Fahrbahn radelt: Will man ihn links überholen, riskiert man den 1,50-Meter-Abstand nicht einzuhalten und den Gegenverkehr zu gefährden.
Wer von den zurechnungsfähigen Autofahrern hat eigentlich schon mal einen Kampfradler gesehen? Keiner vermutlich. Viel wichtiger, als dass sich alte Feindbilder in den Köpfen der Rad- und Autofahrer verfestigen, ist es, die Straße als Raum zu sehen, wo man sich begegnet und wo Kommunikationsfehler unvermeidlich sind. Wir sollten dahin kommen, im Straßenverkehr über uns selbst und unsere Fehler zu lachen – Konkurrenzdenken und das Ringen um das beste Verkehrsmittel haben da nichts zu suchen.