Nach dem 1:1 gegen Augsburg trennt sich Hertha BSC von Trainer Pal Dardai – Tayfun Korkut übernimmt bis zum Saisonende.
Offenbar benötigte Fredi Bobic etwas mehr Bedenkzeit als üblich – so werden Trainerentlassungen doch meist einen Tag nach einem Spiel vorgenommen. Bei Hertha BSC dauerte es jedoch bis Montagvormittag, ehe die Meldung über die Beurlaubung von Pal Dardai und seinen beiden Assistenten „Zecke" Neuendorf und Admir Hamzagic die Runde machte. „Wir möchten uns ausdrücklich für seine Arbeit bedanken – er hat die Mannschaft in der vergangenen Saison in einer schwierigen Situation übernommen und unter herausfordernden Umständen in der Klasse gehalten", wurde Herthas Sportvorstand in einer Clubmitteilung zitiert. In der Tat übernahm der Ungar die Blau-Weißen im Januar dieses Jahres wie schon 2015 als „Feuerwehrmann" und verhinderte (wieder) den Abstieg – eine zweite „Ära" sollte nun aber nicht daraus werden. Mit Tayfun Korkut hatte Bobic auch gleich den Nachfolger parat – der 47-Jährige erhält einen Vertrag bis zum Saisonende. „Wir möchten der Mannschaft nun neue Impulse geben – Tayfun hat in der Vergangenheit schon unter Beweis gestellt, dass er ein Team nicht nur stabilisieren, sondern auch mit seiner akribischen und leidenschaftlichen Arbeit und seiner Idee vom Fußball weiterentwickeln kann", machte Bobic die Entscheidung für seine Wahl ebenfalls publik.
Der Entlassung vorausgegangen war ein 1:1-Unentschieden, das sich durch den Ausgleich des FC Augsburg in der siebten Minute der Nachspielzeit wie eine Niederlage anfühlte. Die Mannschaft konnte so in letzter Sekunde nicht den ersten Erfolg nach drei Partien ohne Sieg einfahren, und auch der „Befreiungsschlag" im Tabellenkeller gegen den unmittelbaren Verfolger blieb aus. Gleich drei Gründe also, um frustriert zu sein – und so präsentierte sich dann auch die Stimmung in Reihen von Hertha BSC nach Abpfiff wie das Novemberwetter, das Spielern, Fans und dem neu verlegten Rasen obendrein schon zugesetzt hatte. Offenbar zuviel Tristesse und Perspektivlosigkeit zum proklamierten Neubeginn für Bobic und den Rest der Führungsebene – so sah sich der Geschäftsführer Sport, für den Kontinuität eigentlich oberstes Gebot ist, schon im fünften Monat seiner Tätigkeit bei der „Alten Dame" zum Trainerwechsel gezwungen. Insgesamt hat Hertha BSC damit in den letzten zweieinhalb Jahren fünf Trainer verschlissen. Dabei hatte der Spielverlauf den Berlinern zunächst in die Karten gespielt. Denn die nötige Einstellung brachten die elf Berliner ein, um gegen den erwartet kompakten und unangenehmen Kontrahenten mitzuhalten. Dann nutzte ausgerechnet der ehemalige Augsburger Marco Richter einen bösen Fehler seines früheren Mitspielers Robert Gumny, um seine neuen Farben kurz vor der Pause in Führung zu bringen. Mit nun drei Saisontreffern ist der 24-Jährige damit bester Schütze der Hauptstädter – was natürlich auch etwas über das Offensivproblem der Mannschaft nach dreizehn absolvierten Spielen aussagt. Richter stand bei dieser Partie als ehemaliger Spieler des Gegners natürlich besonders im Mittelpunkt – sein sehr zurückhaltender Torjubel beim 1:0 verlieh der alten Verbundenheit auch Ausdruck. Auf Augsburger Seite ging dazu Arne Maier, den die Schwaben ja von Hertha BSC ausgeliehen haben, unter beinahe identischen Voraussetzungen ins Spiel.
Führung zu oft wieder verspielt
Pal Dardai hatte dabei zwei personelle Wechsel für das wichtige Spiel vorgesehen – gegenüber dem „Derby" beim 1. FC Union standen Rene Ekkelenkamp und Ishak Belfodil in der Startelf, dafür nahmen Lucas Tousart und Krzysztof Piatek zunächst auf der Bank Platz. Für die beiden teuersten Transfers im aktuellen Hertha-Kader ein Vorgang, der ihnen zu denken geben sollte – doch unter dem neuen Übungsleiter Korkut werden die Karten sicher für alle Profis des Vereins neu gemischt. Belfodil empfahl sich in jedem Fall durch gute Trainingsleistungen, sodass Stevan Jovetic nach seiner Coronainfektion zunächst geschont, Piatek dafür aber eher abgestraft wurde. Zwar blieb Belfodil im Spiel trotz zweier guter Chancen ohne Torerfolg – der Angreifer präsentierte sich aber auch als Aktivposten, der viel am Spielgeschehen teilnahm. Ekkelenkamp wiederum konnte anstelle von Tousart die gestalterischen Qualitäten einbringen, die sich Dardai von seinem Einsatz versprach. Kurzfristig musste dann auch noch dessen Sohn Marton wegen muskulärer Probleme passen – so kam Jordan Torunarigha zu seinem ersten Einsatz seit Mitte September, den er aber ordentlich absolvieren sollte. Um ein Haar hätte der 25-Jährige die Partie in der Schlussphase sogar entschieden – aber der Verteidiger stand bei seinem Abschluss nach einer Ecke knapp im Abseits. Kurz darauf erging es dem eingewechselten Jovetic bei einem Konter der Berliner nicht besser – allerdings musste in dieser Szene nicht der Video-Assistent zurate gezogen werden. War in beiden Situationen auch ein wenig Pech im Spiel, so musste Hertha sich am Ende dennoch vorwerfen lassen, die Feldvorteile im zweiten Durchgang nicht konsequent in mehr Torchancen umgemünzt zu haben.
Daher war die Partie bis in die letzten Minuten auf des Messers Schneide, denn der FC Augsburg blieb gefährlich und hatte gar zwischen den beiden erwähnten Abseitstoren in einer Situation gleich dreimal die Chance zum Ausgleich. Doch die Fuggerstädter zeigten sich vor Herthas Tor zunächst ohne Fortune beziehungsweise scheiterten am gut aufgelegten Keeper Alexander Schwolow – bis die Gastgeber dann weit in der Nachspielzeit den letzten Spielzug der nimmermüden Augsburger nicht mehr entscheidend zu unterbinden wussten.
Schon im vorangegangenen Heimspiel hatte Hertha BSC in der 90. Minute den Ausgleich hinnehmen müssen, insgesamt wurden in dieser Saison schon zehn Punkte trotz einer Führung noch abgegeben. Durch den Sieg des VfB Stuttgart gegen Mainz beträgt der Vorsprung der Blau-Weißen auf den Relegationsplatz jetzt nur noch einen einzigen Punkt – was den Berlinern schon am Sonntag beim VfB das nächste Duell im Tabellenkeller mit einer Konstellation wie gegen Augsburg beschert. Für Tayfun Korkut ist es dabei gleich zum Debüt eine Rückkehr in mehrfacher Hinsicht: Der gebürtige Stuttgarter startete seine internationale Karriere als Spieler bei den Kickers – und der VfB war 2018 seine letzte Station als Trainer.