Es ist das absolute Top-Spiel im deutschen Fußball: FC Bayern München gegen Borussia Dortmund. Am 4. Dezember treffen die beiden in Dortmund aufeinander, und das nahezu auf Augenhöhe. FORUM macht den Vergleichs-Check.
Den Begriff „deutscher Clásico" hält so mancher für ungelenk und hochgejazzt. Der „Clásico", das Original, ist das Duell zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona. Den beiden spanischen Vereinen, die sich seit Jahrzehnten in inniger Konkurrenz verbunden sind. Und die jahrelang den Titel in Spanien unter sich ausspielten.
Abgesehen davon, dass es in Spanien in den Vorjahren mit Atlético Madrid meist ein Dreikampf war und vor allem Barcelona derzeit mächtig an Boden verliert – siehe Bericht in unserer letzten Ausgabe – hat es sich in Deutschland aber wirklich zu einem ewigen Zweikampf zugespitzt. Seit 2009 war kein anderer Verein Meister, seit 1999 gab es nur drei andere Titelträger: je einmal Werder Bremen, den VfB Stuttgart und den VfL Wolfsburg. Und in den vergangenen neun Jahren, in denen die Bayern immer Meister wurde, war Dortmund fünfmal Zweiter und zweimal Dritter. Aktuell ist der BVB auch wieder erster Verfolger. Mehr geht also nicht in der Bundesliga. Wir checken die elf Positionen und weitere Fakten im Umfeld und fragen: Wer gewinnt am Samstag in Dortmund?
Zunächst der Mann-gegen-Mann-Vergleich
Tor (Gregor Kobel, Borussia Dortmund, gegen Manuel Neuer, FC Bayern München): Nationaltorhüter Neuer ist immer noch in hervorragender Verfassung. Der aus Stuttgart gekommene Kobel war ein guter Griff für den BVB und hält konstanter als sein Schweizer Landsmann Roman Bürki in den letzten zwei, drei Jahren. Auf Augenhöhe zum mehrfachen Welttorhüter ist er aber noch nicht. Punkt Bayern. Stand: 0:1.
Rechter Verteidiger (Thomas Meunier gegen Benjamin Pavard): Beide sind Stammspieler in zwei der besten Nationalmannschaften der Welt. Meunier in Belgien, Pavard in Frankreich. Mit der Equipe Tricolore ist er sogar amtierender Weltmeister. Eigentlich ist er Innenverteidiger, spielte zuletzt aber fast immer außen. Meunier, ein Spezialist als Außenverteidiger, hat im BVB-Trikot große Schwankungen, spielt mal Weltklasse, flankt super, hat dann wieder echte Aussetzer. Bei Pavard gibt es auch Ausschläge, aber nicht so große. Unentschieden. Stand: 0,5:1,5
Rechter Innenverteidiger (Manuel Akanji gegen Dayot Upamecano): Upamecano ist körperlich unfassbar stark, wohl der kommende Mann in Frankreichs Abwehr und eigentlich vielleicht der etwas Stärkere. Da Akanji sehr stabil spielt und der Bayer sich in der Liga und vor allem im Pokal in Gladbach Auszeiten nimmt, gibt es auch hier ein Unentschieden: 1:2.
Linker Innenverteidiger (Mats Hummels und Lucas Hernandez): Mats Hummels hat an Geschwindigkeit verloren, macht aber mit seiner Erfahrung und seinem Stellungsspiel viel wett und ist gegen seinen Ex-Club ein wichtiger Faktor in Sachen Stabilität. Hernandez litt zuletzt etwas unter Wirbel im privaten Umfeld, ist aber stabil geworden. Wieder unentschieden. Stand: 1,5:2,5.
Linker Verteidiger (Raphael Guerreiro gegen Alphonso Davies): Wieder ein Unentschieden, weil beide zu den faszinierendsten Spielern ihres Teams gehören. Guerreiro fehlte dem BVB sieben Wochen an allen Ecken und Enden, seine Rückkehr macht sich direkt bemerkbar. Vor seiner Verletzung traf er in sechs Spielen dreimal – als Abwehrspieler! Davies ist unglaublich schnell und talentiert. Stand: 2:3.
Erster Sechser (Axel Witsel gegen Joshua Kimmich): Witsel ist ein Mentalitäts-Spieler und Stabilisator, im Aufbau könnte mehr von ihm kommen. Der sportlich zuletzt starke Kimmich kriegt den Punkt. Doch es bleibt abzuwarten, wie er den Wirbel um seine fehlende Impfung und die Quarantäne wegsteckt. Stand: 2:4.
Zweiter Sechser (Leon Goretzka gegen Jude Bellingham): Auch ein überragendes Duell. Bellingham ist gerade mal 18, doch ziemlich sicher auf dem Weg zum Weltstar. Mit welcher Körperlichkeit und Selbstverständlichkeit er spielt, ist bestechend. Deshalb holt er ein Unentschieden, obwohl Goretzka bei den Bayern wie in der Nationalmannschaft in Sachen Einstellung und Qualität eine Bank ist und damit eigentlich schon deutlich weiter. Stand: 2,5:4,5.
Rechtes offensives Mittelfeld (Julian Brandt gegen Serge Gnabry): Brandt zeigte sich nach einer schwachen letzten Saison zuletzt verbessert. Er hat viele starke Aktionen, spielt aber auch sehr fehlerhaft. Gnabry ist nicht in der Form des Vorjahres, aber stabiler und torgefährlicher als Brandt, der allerdings meist als Achter agiert. Deshalb wieder Punkt für Bayern. Doch auch Gnabry kommt aus der Quarantäne. Stand: 2,5:5,5.
Zentrales offensives Mittelfeld (Marco Reus gegen Thomas Müller): Beide können auch rechts spielen, kommen aber auch gern übers Zentrum. Reus holt deshalb knapp ein Unentschieden, weil sein Wert fürs Team als Kapitän und Torjäger ähnlich groß ist wie der des unverwüstlichen Instinkt-Spielers Müller. Stand: 3:6
Linkes offensives Mittelfeld (Thorgan Hazard gegen Leroy Sané): Nach seiner Auswechslung am zweiten Spieltag gegen Köln würde Sané von den eigenen Fans ausgepfiffen. Die Lektion hat aber offenbar gesessen, und Trainer Julian Nagelsmann hat ihn gut in den Griff bekommen. Seit Wochen spielt er gut bis überragend. Von Hazard muss konstanter mehr kommen. Deshalb Punkt Bayern. Stand: 3:7
Sturm (Donyell Malen gegen Robert Lewandowski): Ein Duell Lewandowski gegen Erling Haaland würde wohl unentschieden enden. Doch ein Einsatz über die gesamten 90 Minuten der norwegischen Tormaschine des BVB ist fraglich. 30-Millionen-Mann Malen hatte große Eingewöhnungs-Schwierigkeiten. Er zeigte sich zuletzt verbessert, an Lewandowski reicht er aber nicht heran. Endstand: 3:8.
Die Bank
Der BVB hat noch Spieler wie Mo Dahoud oder Emre Can in der Hinterhand. Vor allem in der Offensive nach Haalands Ausfall aber nur Talente als Alternative. Die Bayern haben auch nicht mehr den breiten Kader wie einst, aber in Jamal Musiala, Kingsley Coman oder Niklas Süle doch für alle Mannschafts-Teile Potenzial zum Nachlegen.
Die je elf oder maximal 16 Spieler auf dem Platz werden es am Samstag richten müssen. Doch für den Ausgang eines Spiels spielen oft auch andere Dinge eine Rolle.
Die Konstanz
So ganz austreiben konnte Marco Rose dem BVB die Flausen nicht. Die Bilanz von neun Siegen nach zwölf Spielen wurde in Dortmund nur in Jürgen Klopps erster Meister-Saison 2011 überboten. Die anderen drei Spiele in Freiburg, Mönchengladbach und Leipzig gingen aber verloren. In der Champions League gab es gegen Ajax Amsterdam zwei Niederlagen mit insgesamt 1:7 Toren. Die Bayern zaubern oft wie in besten Zeiten, verloren aber auch schon gegen Frankfurt, in Augsburg und vor allem historisch im Pokal in Gladbach (0:5).
Das Umfeld
Bei den Bayern ist es unruhig wie selten. Das liegt aber noch weniger an den Niederlagen als viel mehr an den Diskussionen um ungeimpfte Spieler, die sich teilweise zum Machtkampf mit der Vereinsführung zuspitzten. In Dortmund war Rose nach dem schlechten Endspurt in Gladbach teilweise mit Skepsis empfangen worden, doch insgesamt kommt er in Dortmund bisher gut an. Die Mentalitäts-Diskussion brennt aber immer wieder auf.
Die Statistik
Der BVB ist zu Hause mehr denn je eine Bank. Die letzten elf Heimspiele hat er saisonübergreifend alle gewonnen. Der Vereinsrekord von zwölf Siegen in Folge könnte ausgerechnet gegen die Bayern eingestellt werden. Die Bayern verloren auswärts schon in Gladbach und Augsburg, sind an guten Tagen aber auch in der Fremde für kleine Torfestivals gut: Allein in der laufenden Saison gewannen sie 4:1 in Leipzig, 3:0 in Barcelona, 5:1 in Leverkusen, 4:0 in Lissabon oder 5:2 bei Union Berlin.
Die Bilanz
Inklusive Supercup, Pokal und Champions League trafen die beiden in den letzten zehn Jahren 36-mal aufeinander. Dabei waren schon fast alle Ergebnis-Konstellationen dabei.
Zuletzt waren aber fast immer die Bayern dominant. Sowohl in der letzten als auch in der vorletzten Saison gewannen sie beide Spiele. Beim 3:1 im Supercup zu Saison-Beginn waren sie zudem deutlich überlegen.