Ein schweres Unwetter hat im Südosten unseres Nachbarlandes eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Sechs Menschen wurden dabei getötet, mehr als 200 verletzt.
Ein schweres Unwetter mit einem Tornado hat am 24. Juni im Südosten Tschechiens sechs Menschen getötet, mehr als 200 wurden verletzt, 83 mussten mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden. Der Tornado hatte am Abend sieben Dörfer in der Region Südmähren verwüstet. Hunderte Häuser wurden zerstört, Dächer abgedeckt, Stromleitungen niedergerissen und Autos umhergeschleudert. Die Suche nach möglichen Verschütteten dauerte auch einen Tag später noch an. Hunderte Feuerwehrleute gingen in den zerstörten Gemeinden von Haus zu Haus. Auch Spürhunde halfen bei der Suche. Aus anderen Teilen des Landes machte sich weitere Verstärkung auf den Weg. Die Armee schickte Soldaten mit schwerer Technik. Der tschechische Regierungschef Andrej Babiš sprach von einer „Apokalypse".
„Dann begann die Hölle"
Viele Einwohner der betroffenen Gemeinden standen unter Schock. „Auf einmal habe ich ein merkwürdiges Dröhnen gehört, als ob ein Zug näherkommen würde", sagte ein Augenzeuge der Zeitung „Pravo". „Dann begann die Hölle, alles flog herum." Sein Haus habe kein Dach mehr, keine Zimmerdecke, keine Fenster, berichtete ein anderer. Der tschechische Innenminister Jan Hamáček sprach von einer „gewaltigen Katastrophe". Die Regierung versprach schnelle finanzielle Hilfe für die Betroffenen, von denen viele das Dach über dem Kopf verloren haben. Die Region an der Grenze zu Österreich ist als Weinanbaugebiet bekannt und auch bei Touristen beliebt.
Augenzeugen berichteten von einer Schneise der Verwüstung. Der Wetterdienst CHMU bestätigte später, dass es sich um einen Tornado gehandelt habe. In Tschechien gilt das als seltene Erscheinung, den letzten Tornado gab es vor drei Jahren. Meteorologen haben den Tornado offiziell der Kategorie F4 zugeordnet. Auf der maßgeblichen Fujita-Skala steht das für eine verheerende Zerstörungskraft, wie der tschechische Wetterdienst mitteilte. Der Tornado sei in der Zeit von 19:10 bis 19:45 Uhr aufgetreten und habe eine 26 Kilometer lange und bis zu 700 Meter breite Schneise der Verwüstung hinterlassen. Luftaufnahmen zeigten das ganze Ausmaß der Zerstörung. Mehr als 1.200 Häuser wurden beschädigt. Davon mussten mindestens 180 wegen Einsturzgefahr komplett abgerissen werden. Der Tornado sei aus einer Superzelle, einer riesigen Gewitterwolke, entstanden, erklärten die Wetterexperten. Diese sei zuvor von Oberösterreich nach Südmähren gezogen.
Das Ministerium für Regionalentwicklung kündigte an, umgerechnet 16 Millionen Euro an Soforthilfen für den Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen. Die Prager Regierung unter Ministerpräsident Andrej Babiš beantragte zudem Gelder aus dem EU-Solidaritätsfonds, der nach großen Naturkatastrophen Hilfe leistet. Bei Hilfsorganisationen sind gut eine Woche nach der Katastrophe umgerechnet knapp 40 Millionen Euro an Spendengeldern für die Unwetteropfer eingegangen.
Der stellvertretende Bürgermeister der stark betroffenen Gemeinde Hrusky, Marek Babisz, berichtete, dass der halbe Ort dem Erdboden gleichgemacht worden sei. „Geblieben sind nur die Mauern, ohne Dach, ohne Fenster", sagte er der Agentur CTK. Die Menschen hätten sich vor dem Unwetter nicht schützen können. „Hier herrscht großes Chaos, große Panik", sagte ein Augenzeuge in Lužice dem Fernsehen. Die Polizei sperrte die Zufahrtswege zu mehreren Orten, um Schaulustige fernzuhalten. Schnelle Hilfe kam aus dem benachbarten Ausland: Österreich schickte 20 Krankenwagen und zwei Rettungshubschrauber, auch die benachbarte Slowakei entsandte mehrere Rettungswagen.
Der Tornado hatte nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) eine für Europa außergewöhnliche Stärke. „Das sind solche Kräfte, die dort entstehen, dass wirklich Autos Hunderte Meter weit durch die Luft fliegen, das Trümmerteile sich in Betonwände bohren", sagte Andreas Friedrich, Tornadobeauftragter des DWD, der Deutschen Presse-Agentur. Er gehe anhand der Schäden, die er auf den Bildern aus Tschechien gesehen habe, von Windgeschwindigkeiten zwischen 300 und 400 Kilometern pro Stunde aus. Das sei „ein Tornado, der in dieser Stärke in Europa bisher nur selten vorkam".
Viele Verletzte bei Aufräumarbeiten
Den ganzen Abend über und bis in die Nacht hinein waren schwere Sommergewitter durch Südmähren gezogen. Die Notrufleitungen waren überlastet. Rund um die Städte Břeclav und Hodonín fielen Hagelkörner von der Größe von Tennisbällen. Am Schloss Valtice, das zum Unesco-Weltkulturerbe zählt, entstand ein Millionenschaden. An dem Bau aus dem 17. Jahrhundert barsten zahlreiche Fensterscheiben. Die Autobahn D 2, die von Brünn (Brno) nach Bř eclav und weiter in die Slowakei führt, war stundenlang nicht befahrbar. Eine Hochspannungsleitung war auf die Fahrbahn gestürzt. Erst am Morgen danach konnte eine Fahrspur freigegeben werden. Landesweit waren noch rund 75.000 Haushalte ohne Elektrizität.
Auch im benachbarten Österreich richteten Hagelunwetter nach Angaben der Agentur APA schwere Schäden an. In Ober- und Niederösterreich sei allein in der Landwirtschaft ein Schaden von 28 Millionen Euro zu beklagen, erklärte demnach ein Sprecher der Hagelversicherung. Tennisballgroße Hagelkörner zerstörten zudem Hunderte von Dächern und beschädigten zahlreiche Autos. Die Dächer seien regelrecht durchlöchert worden, hieß es. Mehr als 1.600 Feuerwehrleute waren im Einsatz.
In Tschechien waren nach der Naturkatastrophe rund 1.200 Feuerwehrleute, 175 Soldaten und 200 Polizisten vor Ort im Einsatz. Sie räumten Autos von den Straßen, die der Wirbelsturm umhergeschleudert hatte, beseitigten Schutt und Trümmer, stützten Wände ab und deckten notdürftig Dächer mit Plastikplanen ab. Aus dem ganzen Land kamen Freiwillige hinzu, um bei der Beseitigung der Schäden zu helfen. Doch beim Aufräumen lauerten neue Gefahren: Mehr als 50 Menschen mussten im Krankenhaus behandelt werden, weil sie auf Nägel traten oder von herunterfallenden Balken getroffen wurden. Der Regionspräsident von Südmähren, Jan Grolich, ging von Sachschäden in Höhe von Dutzenden Millionen Euro aus.