Nach zwei überragenden Jahren mit den Eisbären Berlin trumpft Marcel Noebels auch in dieser Saison wieder auf. Das private Glück scheint ihn zu beflügeln.
Ausgerechnet in seinem Jubiläumsspiel stahl ihm sein Sturmpartner Blaine Byron die Show – und wie! Auch Marcel Noebels staunte nicht schlecht, als Byron beim 3:2-Heimsieg der Eisbären Berlin Mitte Dezember gegen die Iserlohn Roosters einen seiner zwei Treffer mit dem Kopf (!) erzielte. Nach einem verunglückten Schlagschuss von Kevin Clark knallte der Puck an Byrons Helm, von wo aus er unhaltbar ins Tor rauschte. Gemessen wurden bei diesem höchst seltenen „Kopfpuck" 30 Stundenkilometer.
Byron traf sogar mit dem Kopf
„So ein Tor habe ich noch nie erzielt, das sah schon lustig aus", sagte der Kanadier hinterher: „Ich wusste gar nicht, was ich machen sollte, als die Scheibe plötzlich abgefälscht wurde und auf mich zuflog." Noch wichtiger als der Treffer war aber, dass der Helm hielt und Byron sich bei dieser Aktion nicht am Kopf verletzt hatte. „Kopfschmerzen habe ich auch nicht", sagte er. Der Angreifer war gerade erst aus einer langen Verletzungspause zurückgekehrt, auch Noebels hatte seinen Partner schmerzlich vermisst. Bevor Byron mit Hüftproblemen ausgefallen war, hatten er, Noebels und Leonhard Pföderl in der ersten Angriffsreihe prächtig harmoniert. Byrons spektakuläre Rückkehr freute daher auch Noebels ungemein: „Es ist gut für uns, dass Blaine wieder da ist." Daher war es für den deutschen Nationalspieler auch kein Problem, Byron das Rampenlicht zu überlassen, obwohl die Ehre auch ihm gegen Iserlohn gebührt hätte. Noebels war nicht nur an zwei Treffern beteiligt, er bestritt auch sein 400. Spiel in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Das sei „eine großartige Leistung", meinte nicht nur Eisbären-Trainer Serge Aubin, der aber „noch viel mehr" von seinem Anführer erwartet: „Er ist jetzt in der Blütezeit seiner Karriere." Das bezeugen auch die aktuellen Statistiken: Sowohl in der Scorerwertung als auch im Ranking der ligabesten Vorbereiter liegt Noebels wieder ganz weit vorne. Eine dritte Auszeichnung zum „DEL-Spieler des Jahres" nach 2020 und 2021 ist zumindest nicht ausgeschlossen. Diese Konstanz ist im deutschen Eishockey nahezu einzigartig und ein absoluter Gewinn für die Eisbären, für die Noebels seit 2014 aufläuft. Sein Wechsel damals aus der American Hockey League (AHL) nach Berlin hat sich mehr als ausgezahlt. Er ist ein Gewinn für beide Seiten, weitere Meistertitel wie der aus der Vorsaison sollen folgen. „Die Zeit bei den Eisbären ist bis jetzt sehr schön gelaufen", sagte Noebels: „Ich habe schon viele schöne Momente erlebt. Wenn die nächsten 400 Spiele wieder so laufen, würde ich das unterschreiben."
Für die Club-Verantwortlichen gilt dasselbe. Auch dank Noebels hatten die Eisbären Mitte Dezember die Tabellenführung erobert, das direktes Play-off-Ticket ist ein realistisches Ziel. „Das sieht ganz schön aus", sagte Angreifer Sebastian Streu: „Wir haben das Zepter in der Hand und müssen nur damit agieren." Auch Noebels fand die Spitzenposition „super", aber der 29-Jährige war weit davon entfernt, alles rosarot zu sehen: „Wir machen noch viele individuelle Fehler. Zudem war die Laufbereitschaft nicht immer da. Wenn man nicht in jedem Spiel sein Bestes abruft, bekommt man die Quittung und verliert." Den Berlinern fehlte lange Zeit die Konstanz, auf zwei Schritte nach vorne folgte oftmals ein Schritt zurück, was die die Berliner Morgenpost zur Überschrift „Die Diva soll endlich kratzen und beißen" veranlasste.
Dieser Kritik müsse sich das Team stellen, findet Noebels. „Ich wäre auch sauer, wenn ich Trainer wäre", sagte er über die zwischenzeitliche Inkonstanz des Teams. Und Trainer Aubin war mitunter richtig sauer, vor allem nach der 6:7-Niederlage nach Verlängerung gegen die Düsseldorfer EG, bei der der Meister schon mit 4:1 geführt hatte, war dem Kanadier der Kragen geplatzt. „Für mich ist das absolut inakzeptabel", hatte Aubin geschimpft, „es kann überhaupt nicht sein, dass wir dieses Spiel verlieren." Am Ende hätten seine Spieler ihren „Job nicht mehr erledigt".
Für Noebels galt das nur bedingt. Der Stürmer lag teamintern nach 28 Ligaspielen in wichtigen Statistiken auf Platz eins: bei den Scorerpunkten (33) und Vorlagen (23). Zudem bekam er mit durchschnittlich 21 Minuten die meiste Eiszeit aller Eisbären-Profis. Noebels ist für Aubin genau wie für Bundestrainer Toni Söderholm ein Schlüsselspieler, der unverzichtbar ist. Die Dauerbelastung ist für den 29-Jährigen aber kein Problem. „Im Gegenteil", sagte der Angreifer: „Ich freue mich, wenn mich der Trainer so oft aufs Eis schickt. Schließlich zeugt das auch von Vertrauen." Er verspüre ein inneres Bedürfnis, sich für dieses Vertrauen „zu rechtfertigen".
Prototyp eines Mannschaftsspielers
Fakt ist: Noebels zahlt seit Jahren mit Leistung zurück – auch in dieser Saison. Dabei schaut er aber nicht primär darauf, dass seine eigenen Leistungswerte stimmen. Noebels ist der Prototyp eines Mannschaftsspielers, der den Teamerfolg über sein Ego stellt. „Bereits als Schüler hat mir unser damaliger Trainer Peter Kaczmarek beigebracht, dass Eishockey ein Mannschaftsspiel ist", sagte er: „Nur wenn wir zusammenspielen, lassen sich Siege einfahren." Auch deswegen ist für ihn eine Torvorlage fast noch schöner als selbst einzunetzen. „Der Finalpass ist immer das Herzstück eines Angriffs", meinte Noebels, „dieser Lehrsatz ist mir in Fleisch und Blut übergegangen."
Ihn beherzigt der Außenstürmer manchmal sogar zu sehr, „ich müsste mitunter schon egoistischer sein". Dann würde er noch mehr Tore schießen. „Aber", erklärte Noebels, „keiner kann aus seiner Haut."
Dass Eishockey ohnehin nicht das Allerwichtigste im Leben ist, weiß Noebels spätestens seit zehn Wochen. Die Geburt seines Sohnes Lio hat seine Prioritäten im Leben verändert – der Schlaf ist ihm aber noch nicht geraubt worden. „Er schläft fast die ganze Nacht durch", verriet Noebels: „Ich glaube, wir haben ein ‚Anfängerbaby‘ bekommen." Außerdem hätte seine Freundin Elena als ausgebildete Erzieherin „ein Heimspiel, sie hält mir den Rücken frei". Aber in der trainingsfreien Zeit wolle er „natürlich ganz viel den Kleinen haben". Außer beim Windelnwechseln, „davon versuche ich mich, wenn möglich, fernzuhalten".
Auf das erste Weihnachtsfest als kleine Familie hat er sich besonders gefreut. Er wollte die gemeinsame Zeit genießen, auch wenn der Job eines Eishockeyprofis mit besinnlichen Festtagen kaum vereinbar ist. Laut Spielplan mussten die Eisbären Berlin einen Tag vor Heiligabend gegen die Schwenninger Wild Wings antreten, und am zweiten Weihnachtstag warteten auch schon die Fischtown Pinguins als Gegner. Großartig durchschnaufen können die Kufencracks im Winter nicht. Erst recht nicht, wenn die Corona-Situation eine ständige Bedrohung für den ohnehin eng getakteten Terminplan ist und im Februar das olympische Eishockey-Turnier ansteht.
Massive Spielausfälle wie zuletzt in der nordamerikanischen Profiliga NHL wären für die DEL katastrophal, auch deswegen forcieren die Klubverantwortlichen die Booster-Impfungen bei den Profis. „Ich bin vollständig geimpft und möchte damit mich und andere schützen", verriet Noebels. Jetzt, als stolzer Papa, erst recht.