Vom alten Hasen bis zum Newcomer: Zehn Senatoren wurden im Berliner Abgeordnetenhaus vereidigt. Unbekannte wie längst bekannte Gesichter führen jetzt die Geschicke der Stadt.
Drei Tage vor Heiligabend wurden sie im Roten Rathaus vereidigt: Die sechs Senatorinnen und die vier Senatoren der neuen rot-grün-roten Berliner Landesregierung. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey überreichte den „Neuen" ihre Ernennungsurkunden. Dabei ist sie selbst noch ganz taufrisch als Regierende. Zugleich ist sie alles andere als eine Unbekannte auf dem Berliner Politparkett. Erst im Mai vergangenen Jahres trat die gebürtige Brandenburgerin als Bundesfamilienministerin nach einem Eklat um ihre Doktorarbeit zurück. Wenige Monate später gewannen die SPD-Spitzenkandidatin und ihre Partei die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus. Bürgermeisterin war Franziska Giffey bis 2015 übrigens schon einmal, aber „nur" Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln.
Seit dem 21. Dezember ist sie nun die Regierende Bürgermeisterin der ganzen Stadt. Damit ist die Neue die nunmehr zweite Frau an der politischen Spitze Berlins. Denn mit Giffeys Parteigenossin Louise Schroeder hatte die Kapitale schon einmal eine Bürgermeisterin. Das war 1947. Im Jahr 2022 stellt die SPD außer Franziska Giffey vier Senatsmitglieder, die Grünen und die Linken jeweils drei.
Zweite Frau an der politischen Spitze
Darunter befindet sich das ein oder andere bekannte Gesicht, wenn auch jetzt in einem anderen Amt. So etwa der bisherige Innensenator und SPD-Mann Andreas Geisel. Er ist von nun an verantwortlich für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Alles beim Alten bleibt es für Klaus Lederer. Der Linken-Politiker ist der alte und zugleich der neue Kultursenator. Neu eingezogen ins Rote Rathaus ist eine seiner Parteigenossinnen aus dem Bundestag: Katja Kipping. Seit knapp zwei Wochen ist die Ex-Linken-Chefin und Widersacherin von Sahra Wagenknecht die neue Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales „Ich wechsele von der Bundes- in die Landespolitik, von der Opposition in die Regierung, aus meinem Wahlkreis Dresden nach Berlin" schreibt sie auf ihrer Webseite. Weniger bekannt sein dürfte die neue Senatorin für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung Lena Kreck. Die von der Linkspartei vorgeschlagene und nun vereidigte 41-Jährige arbeitete bislang als Hochschulprofessorin an der Evangelischen Hochschule Berlin. Vor ihrer Lehrtätigkeit war sie unter anderem als Juristin in der Beratung von geflüchteten Menschen mit homosexuellem oder generellem LGBT-Hintergrund tätig. Vor zwei Jahren wurde Lena Kreck von ihrer Partei schon einmal ins Spiel gebracht: Die Linksfraktion hatte sie damals für einen der drei frei gewordenen Richterposten am Berliner Verfassungsgerichtshof nominiert. Doch die Juristin fiel bei der Wahl durch. Die Ablehnung der Kandidatin führte zu einem Eklat zwischen den Linken und der CDU.
Ganz neu auf dem Politparkett sind die Quereinsteiger Astrid-Sabine Busse als Bildungssenatorin und Stephan Schwarz als Senator für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Die Pädagogin Astrid-Sabine Busse trat erst Dezember in die SPD ein und leitete bisher die Grundschule in der Köllnischen Heide, ein Neuköllner Brennpunkt-Gebiet. Die 63-jährige Lehrerin ist Vorsitzende der Interessengemeinschaft Berliner Schulleiter und kennt Franziska Giffey noch aus ihrer Neuköllner Zeit. Immer noch parteilos ist der politische Newcomer Stephan Schwarz. Der studierte Historiker und Philosoph führte bisher gemeinsam mit seinem Bruder das Familienunternehmen GRG Services Berlin. Zwischen 2003 und 2019 war der 56-Jährige zudem Präsident der Berliner Handwerkskammer. Mit der Vereidigung als Wirtschaftssenator hat der gebürtige Berliner nach eigenen Angaben das Amt der Geschäftsführung sowie alle weiteren Ämter in Wirtschaftsunternehmen beendet. Erst vor wenigen Wochen wurde der Unternehmer für sein Engagement mit dem Berliner Landesorden ausgezeichnet.
Moderne Verwaltung ist digitaler
Iris Spranger hingegen ist eine alte Genossin. Die neue Senatorin für Inneres, Sport und Digitalisierung aus Berlin-Marzahn war bislang als stellvertretende Landesvorsitzende der Berliner Arbeiterwohlfahrt (Awo) tätig. Von 2006 bis 2011 war Iris Spranger Finanz-Staatssekretärin und zuletzt bau- und mietenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Die 60-Jährige gilt als Vertraute von SPD-Mann Raed Saleh. Die neue Innensenatorin will die begonnene Einstellungsoffensive bei der Polizei und Feuerwehr forcieren. Auch sei die Digitalisierung „das A und O für eine moderne Verwaltung", sagte Iris Spranger kürzlich in einem Interview mit der „Berliner Morgenpost". „Wenn ich Bürgerdienste gut aufstellen will, muss das Priorität haben. Und dazu gehört dann eben auch, dass ich nicht drei Monate auf einen Termin warte, sondern innerhalb von 14 Tagen einen bekomme."
Von den Berliner Grünen wurden zwei Senatorinnen und ein Senator gestellt. Nach dem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und Grünen ist die Beinahe-Bürgermeisterin Bettina Jarasch jetzt – wie Inforadio sagt – die neue „Super-Senatorin". Sie ist für das Ressort Verkehr, Umwelt, Klima und Verbraucherschutz verantwortlich, und zum Amtsantritt wurde ihr ein Dienst-E-Bike zur Verfügung gestellt.
Eine ihrer ersten Aufgaben ist es, die Mobilitätswende voranzutreiben. Die Grünen zitierten die gebürtige Augsburgerin vor wenigen Wochen auf Twitter mit ihrer Forderung nach „mehr grünen Oasen in Berlin". Soll heißen: „mehr Bäume, Brunnen und Bänke, Klimastraßen nach Wiener Vorbild, temporär und dauerhaft verkehrsberuhigte Straßen und Plätze". Bis 2021 war die 53-Jährige Sprecherin für Religionspolitik sowie für Integration und Flüchtlinge. Bis 2011 waren Bettina Jarasch und ihr Parteikollege Daniel Wesener gemeinsam Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Berlin.
Seit knapp drei Wochen arbeiten die beiden Grünen erneut zusammen. Denn seitdem ist Jaraschs 46-jähriger Parteikollege Finanzsenator. In der vergangenen Legislaturperiode war Daniel Wesener parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion und Sprecher für Kultur und Haushalt. Schon in den frühen 2000er- Jahren arbeitete er für die Partei. Damals war er für das Grünen-Urgestein Christian Ströbele tätig.
Mit Ulrike Gote holte man eine weitere Grünen-Politikerin in den Senat. Die studierte Geoökologin war bis 2021 Stadträtin in Kassel für den Bereich Jugend, Frauen, Gesundheit und Bildung. Davor war die gebürtige Triererin für die Grünen in Bayern kommunal- und landespolitisch aktiv. Seit dem 21. Dezember ist die 56-Jährige nicht nur Neu-Berlinerin, sondern auch Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung.