Wilhelm Gabler, Vorsitzender der Vienna Ghostbusters, stellt seit gut 20 Jahren paranormale Untersuchungen an. Angefangen hat alles mit geheimnisvollen Umrissen auf einem Friedhof.
Die Sache ist ernst. Etwas Show gehört aber dazu. Deshalb steht Wilhelm Gabler an einem sonnigen November-Sonntag zwischen Gräbern im jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs. Dort gibt es die beeindruckendsten Grabmale, erklärt er. Eine gute Kulisse für einen Geisterjäger. Und ein guter Ort, um über das Paranormale zu sprechen, meint Gabler. Aber obwohl der Wiener Zentralfriedhof einer der größten in Europa ist und dort in den vergangenen rund 150 Jahren etwa drei Millionen Menschen begraben worden sind: Wilhelm Gabler rechnet nicht damit, dass er hier auf einen Geist stößt.
Wilhelm Gabler ist 41 Jahre alt und Vorsitzender des Wiener Vereins für paranormale Untersuchungen. Seit gut 20 Jahren jagt er Geister. Bekannt sind er und seine Leute als Vienna Ghostbusters geworden. Der Verein ist der älteste dieser Art in Europa. Es scheint, als hätten die Vereinsmitglieder in diesen zwei Jahrzehnten Geisterjagd mehr neue Fragen aufgeworfen, als sie alte beantwortet haben. Eines kann Gabler aber mit ziemlicher Sicherheit sagen: „Auf Friedhöfen ist es ruhig, da spukt es nicht wirklich." Das haben die Erkundungstouren des Vereins gezeigt. Das sagt aber auch Gablers Gespür für Geister: „Sollte ich mal von dieser Welt gehen und jemandem noch etwas sagen wollen, dann sicher nicht auf dem Friedhof, sondern da, wo diese Menschen leben oder wo ich mich wohlgefühlt habe."
Gruselig könne es aber dann durchaus doch werden auf Friedhöfen. Dann nämlich, wenn man auf einen Geist stößt, für den ein Friedhof schon zu Lebzeiten wichtig war. Aber diese Geschichte beginnt bei ihm selbst. Er sei als Kind „nicht schlafen gegangen, um von Einhörnern zu träumen", sagt Gabler. „Wenn ich keinen Alptraum hatte, war ich angefressen." Aus dem Kind, das sich gern gruselte, wurde ein junger Erwachsener, der merkte: „Der Spuk wartet nicht auf uns. Wir müssen auf den Spuk warten. Und das macht Spaß."
„Geister sind übrig gebliebene Energie"
Und so ist er vor gut 20 Jahren nachts auf den Friedhof der Namenlosen gegangen. Auf dem Friedhof im Wiener Bezirk Simmering, der gar nicht so weit vom Zentralfriedhof entfernt liegt, wurden unter anderem die Wasserleichen begraben, die nicht zu identifizieren waren. Es ist nichts passiert auf dem Friedhof in jener Nacht. Aber Wilhelm Gabler hat der Besuch aufgewühlt. „Ich musste da wieder hin", erzählt er. Und dann hat er dort ein Foto im Nebel gemacht. „Es sah aus, als ob da jemand steht", sagt er. Er hat das Foto im Internet veröffentlicht, es an die Uni Wien geschickt. Die Umrisse, versichert Gabler, seien die des Friedhofsgründers.
Beweisen konnte er das nicht. Aber das Interesse anderer war geweckt. Bis zu 30 aktive Mitglieder zählte sein Geisterjäger-Verein zeitweise. Zurzeit sind es noch sieben. Das liege auch daran, dass die Arbeit des Vereins durch die Corona-Einschränkungen fast komplett zum Erliegen kam. Eine Arbeit, die in erster Linie nicht darin besteht, nachts auf Friedhöfen, in Burgen oder in anderem alten Gemäuer herumzulaufen. 4.500 „Privat-Investigationen" hat der Verein seit 2001 durchgeführt, sagt Gabler. Eine Investigation ist eine Art Ermittlung.
Gabler und sein Team werden gerufen, wenn Menschen glauben, dass es spukt. Dann rücken er und seine Leute mit viel Technik aus. Kameras, die Infrarot- und Ultraviolettlicht aufnehmen können, Wärmebildkameras, sensible Mikrofone, Infrarotthermometer, Barometer, Geigerzähler. Rund 70.000 Euro habe der Verein bereits in Technik investiert. Manchmal erzeugen die Geisterjäger auch künstlichen Nebel und beschießen ihn mit Laserstrahlen, um zu sehen, ob sich Umrisse abzeichnen. „Geister sind nichts anderes als übrig gebliebene Energie von Menschen", erklärt Gabler. Diese Energie versuche man aufzuspüren. „Wir sind ein technischer Verein, kein esoterischer", betont er. Und der Verein verlange von denen, die um Hilfe bitten, auch kein Geld. Eine Spende, ein Kaffee, da sage man nicht nein. Aber mit der Not von Menschen, die Angst haben, Geld zu machen, sei keine gute Sache.
Es klinge seltsam, findet Gabler, aber die Hauptaufgabe der Geisterjäger sei es, nachzuweisen, dass es nicht spukt. „Es geht darum, dass sich Menschen wieder wohlfühlen", erklärt er diesen Teil seiner Arbeit. In 98 Prozent aller bisher untersuchten Fälle sei der Spuk erklärbar gewesen. Merkwürdige Geräusche? Dafür können defekte Elektroleitungen sorgen. „Wir messen das. Und dann ist das ein Fall für den Elektriker", sagt Gabler. Bilder fallen von der Wand? „Es gibt auch bei uns Mikrobeben. Das könne wir prüfen." Ein Kind ist besessen und redet in einer unbekannten Sprache? „Dahinter steckt oft Missbrauch." Unheimliche Schatten an der kahlen Wand? Ein fröhliches Poster vertreibt sie. Manchmal, erzählt Gabler, steigern Menschen sich in ihrer Einsamkeit auch nur in etwas hinein. Da löse ein längeres Gespräch den Spuk auf. „Was wir machen, ist in den meisten Fällen keine Geisterjagd, sondern Sozialarbeit", sagt Gabler.
Wenn er und seine Leute mit unscheinbar wirkendem technischem Gerät anrücken, komme schon mal die Frage, wo denn die Geisterfallen sind und die Protonenstrahler. Also all das Zeug, mit dem Dr. Peter Venkman und seine Kollegen erstmals 1984 auf der Kinoleinwand als Ghostbusters die Welt gerettet haben. Für Gabler sehen die Dinger, die Venkman und Co. auf dem Rücken trugen, aus wie aufgemotzte Reinigungsgeräte. „Unsere Staubsauger sind gerade in Reparatur", sagt er deshalb schon mal, wenn nach „echter" Geisterjäger-Ausrüstung gefragt wird.
Manchmal helfe solches Spielzeug aber auch. Ein Pensionistenheim habe die Geisterjäger mal zu Hilfe gerufen. Eine alte Dame war im Ausnahmezustand, weil der Geist ihres verstorbenen Mannes sie heimsuche. Gabler und ein Kollege stellten einen Disco-Würfel ins Zimmer, der rote Lichtstrahlen aussendete. Das rote Licht zeige, dass ein Geist da sei, erklärten sie der verängstigten Frau. Wenn das Licht ausgehe, sei der Geist im Würfel gefangen. Die Geisterjäger schalteten das Licht ein und wieder aus. „Seitdem klagt die Frau nicht mehr über einen Spuk", sagt Gabler. Wobei er den Betrug nicht als Heldentat sieht, sondern als Reaktion auf das Armutszeugnis für die Psychologen, die die psychisch kranke Frau zwar behandelten, ihr aber nicht helfen konnten.
98 Prozent aller Spukmeldungen sind logisch erklärbar, wiederholt Gabler. „Das heißt nicht, dass die restlichen zwei Prozent paranormal sind. Aber wir hoffen es", sagt er. Bisher sei den Vienna Ghostbusters kein wissenschaftlich eindeutiger Beweis dafür gelungen, dass es paranormale Aktivitäten gibt. „Wenn wirklich etwas passiert, ist es so: Die Geräte sind genau in dem Moment kaputt. Die Speicherkarte der Kamera ist defekt. Da sind zu starke Energien", erklärt Gabler. Vielleicht wirkt es deshalb, als lache der Totenschädel mit der Krone, den die Geisterjäger zwischen zwei Flügeln über dem Rot-Weiß-Rot der österreichischen Nationalflagge in ihrem Vereinssymbol platziert haben, über die ernste Sache. Vielleicht ist der lachende Schädel aber auch nur Teil der Show.