Das „Kaffeehaus Dallmayr" verbirgt sich im Inneren des Museums für Kommunikation. Im weitläufigen Lokal trifft bei Gastgeberin Katrin Schwarze feine bayerische Lebensart auf kantige Berliner Weltläufigkeit.
München trifft Berlin. Feinste bayerische Lebensart meets kantige Berliner Weltläufigkeit an der Leipziger Ecke Mauerstraße. Unter einer abgehängten historischen Stuckdecke hat das „Kaffeehaus Dallmayr" seit 2015 seine hiesige Dependance im Museum für Kommunikation. Die Schönheit des Ambientes und der Köstlichkeiten in bester Münchener Hoflieferanten- und Delikatesshaus-Tradition offenbart sich im Inneren: Tische und einladende Holzstühle und Bänke verteilen sich großzügig im Raum. Vor bodentiefen Fenstern mit Blick auf die Terrasse im Innenhof steht ein Flügel. Eine Vitrine mit hausgebackenen Kuchen, Dallmayr-Kaffee, -Tee und -Pralinen sowie eine große Nymphenburger Porzellanvase als Kaffeebehälter erinnern an die große Tradition des Feinkosttempels und Kaffeehauses.
„Vor 13 Jahren hat Dallmayr in Berlin mit dem Catering begonnen, weil es Unternehmensanfragen gab", erzählt Julia Stein, Niederlassungsleiterin von Alois Dallmayr Berlin. Daraus entwickelte sich die Idee, „dass es schön wäre, eine eigene Location zu haben". Die Münchener! Was sie in ihrer Heimat schätzen, wollen sie bei den „Preißn" nicht missen. „Das Etageren-Frühstück ist in München ein absoluter Klassiker. Die Gäste zelebrieren das", sagt Julia Stein.
In Berlin heißt das Pendant „Dein Morgen von der schönsten Seite". Für zwei Personen wird vom Räucherlachs mit Sahnemeerrettich über Wacholderschinken, Tomaten-Rucola-Creme und Heumilchkäse bis zum Berliner Honig und griechischem Joghurt mit karamellisierten Nüssen so ziemlich alles aufgefahren, was einen Morgen genüsslich verschönert. Er kann aber auch ganz früh, schnell und gesund beginnen – mit einer „Power Bowl" mit Pflanzenjoghurt, Gerstenflocken-Crunch, Obst und Sonnenblumenkernen auf der süßen oder einer „Schüssel Glück" mit Süßkartoffelwürfeln, Blumenkohlreis, Frischkäse-Haferemulsion, Erdnussbutter und Pflaumen-Balsamico auf der herzhaften Seite.
„Man kann mit seinem Laptop bei uns sitzen und arbeiten oder sein erstes Meeting beim Frühstück haben", sagt Stein. Serviert wird ab 7.30 Uhr, Schluss ist um 12 Uhr. Glück gehabt! So kommt der gemeine Preuße gar nicht erst in die Verlegenheit, die bayerische Weißwurst zu entehren und sie zu Mittag zu essen. Denn sie darf „nie die Glocken hören", so die bayerische Tradition.
Im 21. Jahrhundert verfügt „Kaffeehaus Dallmayr" allerdings über genügend Kühlzellen, um frische Kalbswürste länger als wenige Stunden vor dem Verderb zu bewahren. Aber der Brauch isst mit, und so schwimmt gegen 11 Uhr ein Paar Würste im Salzwassersud mit Lorbeerblatt, Petersilie und Schnittlauchkringeln in der Löwenkopfterrine heran. Eine Breze und süßer Senf dazu, schon geht’s los mit dem Pellen und Verputzen. Schöne Sache!
Die Bayern-Folklore „beim Dallmayr" macht Spaß, vor allem, weil sie so grundsolide schmackhaft ist. Das Unternehmen hat seine Anfänge im Jahr 1700. Zu seiner heutigen Größe als Delikatessenhaus führten es Ende des 19. Jahrhunderts Anton und nach dessen Tod seine Witwe Therese Randlkofer. Florian Randlkofer ist Julia Steins Chef – die Familie führt gemeinsam mit Wolfgang Wille, der seinen Schwerpunkt im Kaffee- und Teehandel hat, bis heute das Unternehmen. Selbstredend gibt’s auf der „Berlin trifft München"-Karte im „Kaffeehaus" neben Currywurst mit Pommes das kulinarische Berlin mit Einflüssen aus aller Welt zu erleben.
„Der frühe Vogel", der mich als Spätaufsteherin gern mal von der falschen Seite erwischt, ist mit einer Brüsseler Waffel, knusprig ausgebackenen Hühnerstücken, Chili-Bacon, Cheddar, Karamell, „Grünzeug" und Kresse ausgesprochen schmackhaft auf dem Teller vor mir gelandet. Ich mag die substanzielle, mit vielen Texturen und süß-salzigen Akzenten spielende Waffel-Interpretation gern. Die „Berliner Szene" dagegen gibt sich mit Pastrami, Sucuk, Auberginencreme, Schafskäsequark, Rote-Bete-Hummus und Paprika-Frischkäse-Dip sowie Rührei multikulinarisch. Das passt: Nur zwei Parallelstraßen weiter südlich an der Rudi-Dutschke- und der Kochstraße schließt sich Kreuzberg an Mitte an. Ob Erdinger Weißbier zur Weißwurst oder eine Dallmayr Meistercuvée im Sektglas zur Etagere – einen Dallmayr-Kaffee zu trinken ist Pflicht! Das kann der aus der Werbung bekannte „Prodomo" in der French-Press-Kanne ebenso sein wie ein Café Crème, Cappuccino und Espresso aus der eigenen Rösterei.
Kaffee auf Eis mit einem Hauch Zimt
So richtig wohlig wird’s beim Eintauchen in eine winterliche Gewürzschokolade. Valrhona-Schokopads wurden in heißer Milch aufgelöst; Zimt, Kardamom, Nelken und weißer Pfeffer zündeln am Gaumen nach und bilden mit der nicht zu dicken, aber auch nicht zu flüssigen Schokolade eine überzeugende Einheit. Ein Effekt ganz im Sinne von Gastgeberin Katrin Schwarze, die das „Kaffeehaus"-Team seit September 2021 leitet: „Ich möchte unsere Gäste immer überraschen. Es ist mein Verständnis von Gastronomie, dass man immer mehr gibt als erwartet wird." Das gelingt.
Etwa mit der „veganen Ziege", wie ich die Landbrot-Stulle mit veganem Feta, Mandel-Cashew-Creme, Kresse und Schnittlauch taufe und überaus angenehm in Erinnerung behalte. So eine feine, würzige, aber nie aufdringliche Note wie beim Kokos-„Käse" ist selbst bei einem solchen vom Tier nicht üblich. Der gebeizte Lachs, der sich auf der Etagere oder zwischen Brioche, Blattspinat, Hollandaise und pochierten Eiern mit Vornamen Benedict schummelt, ist wiederum ein waschechter Berliner. Er wird zwar nicht im Hafenbecken gefangen. Aber in der Tempelhofer Räucherei Eleonore Krohnen an der General-Pape-Straße wird seit mehr als 100 Jahren überm offenen Buchenholzfeuer geräuchert, und von dorther fand unser Lachs seinen Weg nach Mitte.
Katrin Schwarze ist von Leidenschaft für und Präzision in ihrem Beruf durchdrungen. Stationen in der Spitzengastronomie bei Johannes King, Bobby Bräuer und Michael Kempf prägten ihr Qualitäts- und Produktverständnis. Der Gast spürt das Ergebnis, selbst wenn er es nicht benennen kann: Von einem köstlichen, flatterleichten Wildkräutersalat mit Blütenschmuck und Walnussvinaigrette bleibt bei unserem Probiermarathon noch einiges in der Schüssel übrig. Nach dem längeren Gespräch liegt er nach wie vor leichtblättrig übereinander. Es fällt oder welkt nichts – Ergebnis eines sorgsamen Sortier- und Reinigungsprozesses von Hand, erklärt Katrin Schwarze: „Es kommt eben genau auf solche Kleinigkeiten an: Wie wäschst du eigentlich so einen Salat?"
Brunch-Event mit Kinderbetreuung
Der aufgeschlagene Dalgona-Kaffee auf Eis, den wir zum süßen Finale probieren, bekommt in der kalten Jahreszeit einen Hauch Zimt in die aufgeschlagene Milchcreme. Schon ist der Winter in das vollmundige Trendgetränk mit koreanischen Wurzeln eingezogen. Wer’s einheizender liebt, sollte unbedingt die „Heiße Orange" aus frisch gepresstem Saft plus Ingwer und Minze probieren. Dazu gibt’s immer eine kleine, mürbe Überraschung: einen Kekstaler in Schwarz oder Weiß und mit „Dallmayr"-Logo. „Der Keks ist eine Berliner Idee, die München adoptiert hat", sagt Julia Stein.
Dafür, dass Kuchen, Torten, Backwaren oder der gar nicht so kleine Keks nachdrücklich in Erinnerung bleiben, sorgt Konditorin Stefanie Walzer, die alles in der nahen Backstube fertigt. Besonders nachmittags strömen die Museumsbesucher durch die Verbindungstür auf Kaffee, Tee und Kuchen ins „Kaffeehaus". Das „Dallmayr" ist aber auch unabhängig vom Museum betretbar: Direkt an der Leipziger ist der Eingang an der Straße. Familien haben außerdem an jedem dritten Sonntag im Monat ihre große Zeit: Eltern können zwischen 10 und 14 Uhr im „Kaffeehaus" brunchen, während „Niki’s Kinderclub" im benachbarten Aktionsraum Basteln und Schminken sowie Führungen durch das Museum für Kommunikation anbietet. Ob Groß oder Klein: Wer erliegt dort nicht unverzüglich dem Charme der herumrollenden und blinkenden Roboter? Mitmachen ist ausdrücklich erwünscht und sorgt für ungestörte Momente bei den Erwachsenen.
Das ein bisschen versteckte, aber dafür umso generöser seine Schätze enthüllende „Kaffeehaus Dallmayr" ist in Berlin in jedem Fall einen Besuch wert. Wer es nicht schafft, im Museum für Kommunikation vorbeizuschauen, plant einfach einen Trip nach München ins Dallmayr-Universum. Am Stammsitz an der Dienerstraße ist es zweifellos in noch viel größerem Ausmaß möglich, sich durch das Sortiment des Feinkosttempels und der angeschlossenen Restaurants und Cafés hindurch zu essen und zu trinken.