Union Berlin steht ein wichtiges Spiel für den erneuten Einzug in den Europapokal bevor. Abseits des Rasens sorgte der Clubpräsident mal wieder für Schlagzeilen.
Dirk Zingler hat mal wieder polarisiert. Diesmal hielt sich der Präsident von Union Berlin in einem Zeitungs-Interview mit Kritik an der Corona-Politik zwar merklich zurück, auch wenn er sich die ein oder andere Spitze nicht verkneifen konnte. Auch seine Behauptung, dass wegen der An- und Abreise zu den Stadien keine stärkeren Bedenken bestünden, weil im öffentlichen Nahverkehr die Ansteckungsgefahr „nicht höher" sei als „anderswo", sorgte nicht für die große Aufregung. Es waren Zinglers „Bier-und-Bratwurst"-Sätze, die zu regen Diskussionen führten. Im Internet zeigten sich selbst eingefleischte Union-Anhänger zumindest mal irritiert. Und manche stellten gar die Frage auf: Sind die Eisernen vielleicht gar nicht so weltoffen und tolerant, wie sie sich gerne nach Außen geben?
Worum geht es? Bei der jüngsten Mitgliederversammlung Anfang Dezember hatte es die Anfrage eines Mitgliedes gegeben, bitte zu prüfen, ob auch vegane Würstchen ins Verkaufs-Sortiment bei Heimspielen in der Alten Försterei aufgenommen werden könnten. Kein unbegründeter Vorschlag, schließlich verzichten immer mehr Menschen in Deutschland bewusst auf Fleisch – aus den unterschiedlichsten Gründen. Diese rund neun Millionen Menschen würden bei einem Stadionbesuch bei Union zwar nicht leer ausgehen, am Essensstand gibt es neben Käsebrötchen unter anderem auch Kuchen. Doch eine Bratwurst aus Fleischersatz, die in anderen Fußballstadien längst angeboten und auch gut verkauft wird, kommt Zingler nicht auf den Tisch. Und anderen in der Alten Försterei auch nicht.
Zingler polarisiert in Sachen Corona
„Ich habe grundsätzlich nichts gegen vegane Würstchen, aber wir werden nicht jeden Wunsch erfüllen", sagte er der „Sport Bild" und betonte: „Fußball bedeutet bei uns: Bratwurst, Bier, 90 Minuten Fußball." Warum sich Zingler so kategorisch dagegen stemmt, wird aus seinen Worten nicht ersichtlich. Und es ist umso unverständlicher, weil der Vorschlag nicht bedeutet, dass den Fleischessern ihre „echte" Bratwurst weggenommen werden soll. Es wäre nur ein Zusatzangebot für die Fans. Manche Fans dürften sich auch von einer zweiten Aussage Zinglers verprellt fühlen: „Wir werden als Club nicht gendern", versicherte er: „Wir machen da niemandem etwas vor oder versuchen, etwas darzustellen, was wir nicht sind." Ist Union also kein Club, der sich Menschen, denen die nach wie vor akute Geschlechter-Ungleichbehandlung nicht egal ist, öffnet? Zingler erklärt es so: „Auch die Sprache darf bei uns im Stadion rau sein."
Was das mit dem Genderstern zu tun hat und welche Klientel Zingler mit seinen Aussagen stattdessen ansprechen wollte – darauf kann sich jeder selbst einen Reim machen. Es hagelte aber Unverständnis und auch offene Kritik am Präsidenten, der den Klub seit 2004 führt und dabei seine Linie immer konsequent verfolgt hat. Im Netz kursierte gar das Wort „Wurst-Krieg", weil TeBe Berlin zu einem humorvollen Konter angesetzt hatte. „Im Mommsenstadion werden sowohl Veganer*innen als auch Fleischesser*innen satt. Die S3 fährt ab Bahnhof Köpenick ohne umsteigen durch", schrieb der Regionalligist bei Twitter mit einer unverständlichen Empfehlung an alle „Wechselwilligen": „Come as you are". Komm’ so, wie du bist.
Union wird natürlich keine Probleme haben, seine Tickets an den Mann oder die Frau zu bringen, wenn das Team am Samstag (14. Januar) zum ersten Heimspiel der Rückrunde gegen die TSG Hoffenheim bittet. Sollte die Corona-Verordnung nicht noch mal gekippt werden, sind 3.000 Zuschauer zugelassen. Sportlich ist es für die Köpenicker ein immens wichtiges Spiel, weil die Hoffenheimer als Tabellendritter nur drei Punkte entfernt sind. Außerdem gilt es, die extrem schwache erste Halbzeit vom Rückrundenstart bei Bayer Leverkusen (2:2) vergessen zu machen und an die sehr ordentliche zweite Hälfte anzuknüpfen.
„In der ersten Halbzeit fehlte eigentlich alles, was wir uns vorgenommen hatten", sagte Trainer Urs Fischer, der einzig den Torwart von dieser Kritik ausnahm: „Andreas Luthe hat uns im Spiel gehalten." Nach dem Seitenwechsel sei seine Mannschaft deutlich besser aufgetreten, „Mut, Überzeugung und Wille waren auf einmal da, die Bewegungen mit und ohne Ball haben auf einmal funktioniert. Aggressivität war da, wir haben nach vorne verteidigt", lobte der Schweizer, „und am Schluss haben wir uns dieses Unentschieden mehr als verdient."
Diese Punkteteilung war auch deshalb so wichtig, weil Bayer genauso wie Union selbst und der nächste Gegner Hoffenheim um die internationalen Startplätze kämpfen. Da tut jede Niederlage doppelt weh. Union schnupperte nach zwei Toren von Grischa Prömel sogar an einem Dreier – doch am Ende war der Druck der Gastgeber zu groß. „Wenn du in der Schlussphase das Gegentor bekommst, dann ärgert man sich schon darüber", sagte Prömel: „Zumal wir danach noch die ein oder andere Umschaltsituation hatten, wo wir ein Tor machen müssen."
Er musste sich diesbezüglich wenig Vorwürfe machen, mit dem allerersten Doppelpack seiner Karriere hat der Mittelfeldspieler sein Soll mehr als erfüllt. „Das fühlt sich natürlich sehr gut an", sagte Prömel: „Es ist ein schöner Tag für mich – und auch ein kleines Wunder." In den Jahren zuvor war der frühere U21-Nationalspieler nicht gerade als Tormaschine bekannt gewesen, jetzt hat er immerhin schon drei Treffer auf dem Konto. Eigentlich immer noch zu wenig für einen Mann seiner Klasse, der aus dem Mittelfeld heraus die weggebrochene Torgefahr von Robert Andrich (zu Leverkusen gewechselt) ersetzen soll. „Ich habe mir für die Rückrunde vorgenommen, mehr Tore zu machen, weil ich in der Hinrunde das ein oder andere Ding ausgelassen habe", verriet Prömel. Das sei eigentlich genau das Spiel des Achters, denn „ich tauche relativ oft in der Box auf".
Wie lange läuft Prömels Arbeitsvertrag?
Und gegen Leverkusen sei noch etwas dazugekommen: „Ich habe einen guten Riecher."
Doch darauf ausruhen will sich Prömel nicht, zumal er sich für einen neuen, sehr wahrscheinlich besser dotierten Vertrag anbieten kann. Prömels Arbeitspapier läuft im kommenden Sommer aus – oder etwa doch nicht? Der Club macht inzwischen ein großes Geheimnis um die Vertragsdauer, weil man aufgrund der vielen Klauseln, die mittlerweile weit verbreitet sind, nicht seriös vorhersagen könne, ob Spieler X ab einem bestimmten Datum noch bei Union angestellt ist oder nicht, betonte zuletzt Sportchef Oliver Ruhnert: „Das schützt die Spieler- und Vereinsseite."
Es ist aber keine Frage: Union möchte Prömel unbedingt halten, gerne auch langfristig und nicht nur für eine weitere Saison. Der dynamische und körperlich robuste Profi wächst langsam in die Führungsrolle hinein, die Trainer Fischer für ihn vorgesehen hat.
An der Identifikation mit dem Club würde eine Vertragsverlängerung nicht scheitern, Prömel ist mit Haut und Haar Unioner. Bis vor kurzem hat er sogar in Stadionnähe gelebt, nun folgte aber der Umzug mit seiner aus Würzburg nach Berlin gezogenen Freundin. Das Paar lebt nun im Szeneviertel in Friedrichshain, wo sich dem Klischee nach die Vegetarier nur so tummeln und sich mit der gendergerechten Sprache zumindest auseinandergesetzt wird.
Vielleicht wird dort Prömel auf Zinglers Aussagen angesprochen, immerhin sprangen die Medien auch auf das Thema an. „Willkommen in den Achtzigern, 1. FC Union!", lautete ein Kommentar im „Tagesspiegel". Nun geht es sprichwörtlich um die Wurst. Jörg Soldwisch