Nach dem 1:3 gegen Köln steht für Hertha BSC in Wolfsburg und im „Pokal-Derby" viel auf dem Spiel. Bobics „Personalpuzzle" geht unterdessen weiter.
Bevor im neuen Jahr der Ball wieder in der Bundesliga rollte, musste Tayfun Korkut bereits erstmals mit der Tatsache Bekanntschaft machen, dass sein Vorgesetzter durchaus Spieler abgibt, ohne zunächst Alternativen dafür zu haben.
So trieb Fredi Bobic unmittelbar vor dem Heimspiel gegen den 1. FC Köln ein Leihgeschäft mit dem AC Florenz voran, das Krzysztof Piatek betraf – der Stürmer war zwar seit dem Amtsantritt des neuen Hertha-Trainers im internen Ranking deutlich zurückgestuft worden, nach den offensiven Ausfällen von Ishak Belfodil (Covid-19-Infektion) und Stevan Jovetic (Wadenverletzung) blieb Korkut aber so nur noch Davie Selke für die Position des Mittelstürmers. Der Geschäftsführer Sport aber bewies einmal mehr, dass er Spieler, die ihn nicht restlos überzeugen (und womöglich auch noch ein üppiges Gehalt beziehen), ohne zu zögern abzugeben bereit ist. Im Fall des polnischen Nationalspielers, der vor zwei Jahren für die Rekordablöse von 24 Millionen Euro vom AC Mailand verpflichtet wurde und zwölf Tore in 56 Bundesligaspielen für Hertha BSC erzielte, heißt das, dass er zunächst bis zum Sommer an den Club aus der Serie A ausgeliehen wird. Die in der Vereinbarung enthaltene Kaufoption über 15 Millionen Euro verdeutlicht dabei, dass Bobic kein größeres Interesse an der Weiterbeschäftigung Piateks (Vertrag bis 2025) hat.
Damit ist nach den „Sommer-Verkäufen" von Jhon Cordoba (FK Krasnodar) und Matheus Cunha (Atletico Madrid) sowie der Leihe von Dodi Lukebakio (VfL Wolfsburg, bis Juni 2022) – die der damalige Coach Pal Dardai wohl auch gerne behalten hätte – der nächste Großverdiener (vorerst) von der Lohnliste gestrichen. Und auch im Fall von Mittelfeldspieler Lucas Tousart (Vertrag bis 2025), der ebenfalls für 24 Millionen Euro von Olympique Lyon kam, stehen die Zeichen bereits nach anderthalb Jahren an der Spree auf Trennung. Der Franzose wurde vor der Partie gegen den 1. FC Köln zwar ebenso „freigetestet" wie Santiago Ascacíbar, saß dann aber im Gegensatz zum Argentinier zunächst auf der Reservebank. Dazu konnte Tayfun Korkut in Zusammenhang mit Covid-19 nicht auf die Abwehrspieler Fredrik André Björkan (Neuzugang von Bodö Glimt/Norwegen), Dedryck Boyata, Linus Gechter sowie Deyovaisio Zeefuik zurückgreifen. Eine knifflige Aufgabe also gegen die Kölner, die mit großem Selbstvertrauen anreisten. Das sollte sich dann auch in den ersten 45 Minuten als (vor)-entscheidend herausstellen, denn die Gäste hatten Vorteile und ließen der Führung schnell das zweite Tor folgen – in dieser Phase bis zum Pausenpfiff wankte die Mannschaft von Hertha BSC. Dabei hatte sie noch bei torlosem Spielstand die beste Chance, als Myziane Maoulida freistehend am Tor vorbeischoss. Immerhin bissen sich Korkuts Schützlinge nach dem Wechsel jedoch zurück ins Spiel und konnten durch Vladimir Daridas „Freistoßflanke" verkürzen – mussten am Ende dann aber richtig aufmachen und wurden letztlich zum 1:3-Endstand ausgekontert.
„Bei Hertha war es wie auf dem Amt"
Viel Arbeit also noch für Trainer Korkut – und Fredi Bobic, der weiter passenden Ersatz für die Abgänge suchen muss. Zum Jahreswechsel hatte sich der Geschäftsführer Sport noch mal ausführlich zur Situation bei Hertha BSC und den Maßnahmen im ersten Halbjahr seiner Amtszeit bei den Blau-Weißen geäußert. Darin ließ es der 50-Jährige nicht an Deutlichkeit mangeln – der eine oder andere Beobachter mochte sich dabei sogar fragen, ob diese Schonungslosigkeit hilfreich sei. „Bei Hertha war es wie auf dem Amt: Das haben wir immer so gemacht, also machen wir es weiter so", hatte der frühere Nationalspieler im Interview mit dem vereinseigenen TV-Kanal kurz vor Weihnachten jedenfalls die verbale Rute ausgepackt, „man ist fast eingeschlafen." Und bekannte: „Nach kurzer Zeit habe ich gedacht: Das wird kein einfacher Weg, alle zusammenzuführen und zu überzeugen, an die Grenzen zu gehen." Letztlich seien auch der Start in die aktuelle Saison und die Auftritte der Mannschaft zu passiv gewesen – sodass der Sportvorstand die Trennung von Trainer Pal Dardai am Ende unausweichlich erschien. Seine Analyse und auch das Umkrempeln des Kaders erinnern dabei an die kurze Wirkungsphase von Jürgen Klinsmann – nur, dass Bobic seine Erkenntnisse in aller Ruhe und Konsequenz bislang umgesetzt hat beziehungsweise das auch konnte.
Mit anschließend sieben Punkten aus vier Partien und drei zumindest akzeptablen Auftritten war die Entscheidung für den Trainerwechsel zunächst einmal durchaus positiv zu bewerten. Der 3:2-Erfolg gegen Borussia Dortmund vor der Winterpause als Reaktion auf das 0:4-Debakel in Mainz durfte dazu zumindest die Hoffnung nähren, dass es sich tatsächlich nur um einen Ausrutscher handelte – von denen es in den Jahren zuvor aber schon viel zu viele gegeben hatte. Am Status der „Übergangslösung" ändert das für Tayfun Korkut zunächst einmal nichts – die Frage, wie es mit dem Trainer weitergeht, wird also früher oder später wieder aufkommen: ob es gut mit ihm läuft oder wieder schlechter wird. Einen Vorgeschmack davon brachte bereits die Entlassung von Niko Kovac zum Jahreswechsel beim französischen Erstligisten AS Monaco – der frühere Hertha-Spieler stand schon zu Zeiten von Michael Preetz in der Geschäftsführung hoch im Kurs für das Traineramt. Gemeinsam mit Fredi Bobic als Sportgeschäftsführer hatte der 50-Jährige aber sogar Eintracht Frankfurts sportlichen Höhenflug der vergangenen Jahre eingeleitet.
Eine Steilvorlage für die Hauptstadtpresse, die vorzeitig schon mal die Nachfolgediskussion anfachte – welche schneller als erwartet eine Eigendynamik entwickeln könnte. Denn die anstehenden Duelle beim VfL Wolfsburg (Bundesliga – Samstag, 15.30 Uhr), der mittlerweile sechs Ligaspiele in Folge verloren hat, und gegen den 1. FC Union (DFB-Pokal – Mittwoch, 20.45 Uhr) bieten einerseits zwar reichlich Gelegenheit zur Wiedergutmachung – sollten die dafür nötigen Erfolge hier jedoch ausbleiben, würde das umso schwerer wiegen und Bobic gleich die nächste Krise ins Haus stehen.