In der Fußball-Bundesliga spielen derzeit viele junge Talente. Einige haben in dieser Saison schon auf sich aufmerksam gemacht. FORUM wagt eine Prognose: Auf wen müssen Sie in 2022 achten?
Über Florian Wirtz, Jude Bellingham und Jamal Musiala müssen wir an dieser Stelle gar nicht mehr reden. Die drei sind gerade mal 18, aber sie sind nicht nur Fußball-Profis und ziemlich sicher auch schon Millionäre. Sie sind auch schon Nationalspieler in Deutschland beziehungsweise in England, und sie sind schon echte Stars in der Bundesliga. Das zeigt – auch in Corona-Zeiten – wie schnell es geht im Fußball. Dadurch, dass die Spiele nahezu alle und auch rund um die Uhr zu sehen sind, und dadurch, dass viele sich rund um die Uhr über Fußball unterhalten, fühlt es sich bei vielen heute nach einem Jahr schon so an, als seien sie ewig dabei. Selbst ein Erling Haaland ist erst 21 und spielt seit weniger als zwei Jahren in der Bundesliga für Borussia Dortmund. Über ihn sprechen wir aber schon gleich dreimal nicht.
Nein, wir wollen sprechen über die nächste Generation. Über junge Fußball-Profis, die manchem Experten und Fan in der Hinrunde wohl schon aufgefallen sind, die aber noch komplett am Anfang ihrer Entwicklung stehen. Wir zeigen die Interessantesten unter ihnen und sagen, auf wen sie im Jahr 2022 in der Fußball-Bundesliga achten müssen.
Unbekannter Anruf vom Bundestrainer
Jonathan Burkardt (21/Stürmer/Deutschland/FSV Mainz 05): Zählt er noch dazu? Sieben Tore erzielte der Stürmer für den FSV Mainz 05 in der Hinrunde. Nur sechs Spieler erzielten mehr: Robert Lewandowski, Patrik Schick, Erling Haaland, Anthony Modeste, Taiwo Awoniyi und Serge Gnabry. Doch Burkardt ist manchen noch unter dem Radar durchgerutscht. Weil er in Mainz spielt. Und weil er noch kein A-Länderspiel absolviert hat. Das könnte sich aber bald ändern. Obwohl es bei einem ersten Anruf von Bundestrainer Hansi Flick im November höchst unglücklich lief. Burkardt hatte zwei Anrufe mit einer ihm unbekannten Nummer verpasst. „Ich dachte, es wäre der Sanitärdienst, ich habe einen Wasserschaden bei mir zu Hause", erzählte er freimütig. Beim dritten Mal ging er dran – und es war Flick. „Er hat gesagt, dass er mich auf dem Schirm hat", erzählte der Stürmer: „Schön, so einen Anruf und so eine Wertschätzung zu erhalten." Es kann also nicht mehr lange dauern, bis fast alle leidlich an Fußball interessierten Menschen in Deutschland Jonathan „Johnny" Burkardt kennen.
Georginio Rutter (19/Stürmer/Frankreich/1899 Hoffenheim): Im Land des Weltmeisters hat es Rutter noch nicht einmal in die älteste Junioren-Auswahl, die U21, geschafft. Er spielt noch in der U20. Altersgerecht. Auch in Hoffenheim ist er längst kein Stammspieler. Doch wenn der Franzose mit den wilden, blond gesträhnten Locken, ins Spiel kam, war immer gleich Musik drin. Er kostete nur 750.000 Euro, weil Hoffenheim ihn eigentlich umsonst aus Rennes bekommen sollte und den Transfer vorzog. Drei Wochen nach seiner Ankunft als 18 Jahre alter Perspektiv-Spieler gab er sein Bundesliga-Debüt – und traf direkt. In dieser Saison kam er in allen Partien zum Einsatz. Und obwohl er meist nur Joker war, kam er auf beachtliche sieben Torbeteiligungen; vier Treffer und drei Vorlagen. Für Trainer Sebastian Hoeneß ist er „eine Kombination aus Schnelligkeit. Athletik und Abschlussstärke mit beiden Füßen". Klingt nach einer großen Karriere.
Jamie Leweling (20/Stürmer/Deutschland/SpVgg Greuther Fürth): So wahnsinnig viel Positives ist bei Fürth in dieser Hinrunde nicht hängen geblieben. Ganze fünf Punkte holten die Franken aus den ersten fünf Spielen. Nur 13 Treffer erzielte das Kleeblatt. Doch an fünf von ihnen war Jamie Leweling beteiligt. Dabei war das Eigengewächs zunächst kaum mehr als ein Notnagel. In den ersten acht Spielen kam er zwar immer zum Einsatz, aber insgesamt nur für 107, also durchschnittlich für 13 Minuten. In den neun Partien danach spielte er nur zweimal nicht über die vollen 90 Minuten. Und da er auch noch vielseitig ist und meist nicht auf seiner Lieblings-Position als hängende Spitze, sondern meist im rechten Mittelfeld agierte, dürfte der deutsche U21-Nationalspieler einer der wenigen Fürther sein, die man auch in der nächsten Saison noch in der Bundesliga sehen wird.
Kevin Schade (20/Stürmer/Deutschland/SC Freiburg): Der SC Freiburg überwintert sensationell auf Rang drei. Und ermöglicht hat das letztlich Kevin Schade. Der erst 20-Jährige schoss beim abschließenden 2:1 gegen Leverkusen kurz vor Schluss das Siegtor, das Freiburg auf den Champions-League-Platz hievte. Es war die Krönung unter eine Hinrunde, die zum unglaublichen Aufstieg für den jungen Potsdamer wurde. Mit 16 wechselte er von Cottbus nach Freiburg. In dieser Saison war er für die in die 3. Liga aufgestiegene 2. Mannschaft vorgesehen. Beim ersten Einsatz dort gab es ein 2:5 bei der Reserve von Borussia Dortmund. Doch Schade erzielte beide Freiburger Treffer. Es war sein erster und letzter Einsatz in der 3. Liga, denn fortan war er fester Bestandteil des Profi-Teams. „Die letzten Monate waren rasant und ich hätte selbst nicht gedacht, dass es so schnell geht", sagt Schade: „Und es soll noch weiter nach oben gehen." Große Vereine aus dem In- und Ausland sollen an ihm interessiert sein. Doch statt zu träumen und zu pokern, verlängerte er seinen Vertrag im Breisgau. „Ich weiß, dass ich noch ein bisschen Zeit brauche, bis ich oben konstant mitspielen kann", sagt er. Bescheiden und realistisch ist er also auch noch.
Jugend-Stil bei Bayer Leverkusen
Angelo Stiller (20/defensives Mittelfeld/Deutschland/1899 Hoffenheim): Das Wappen des FC Bayern auf der Brust zu tragen, sei für ihn etwas ganz Besonderes, sagte Angelo Stiller noch vor einigen Monaten. Und meinte das ernst. In München geboren, wechselte er bereits mit neun in die Jugend des Rekordmeisters, wurde zum Profi und im Vorjahr zweimal in der Champions League eingewechselt. Dennoch glaubte er nicht an die große Chance dort. „Bayern München ist meine Heimat, aber natürlich muss ich schauen, wo man die beste sportliche Perspektive hat", sagte er. Und wechselte nach Hoffenheim zu Mentor Sebastian Hoeneß. Unter ihm hatte er mit 18 die 2. Mannschaft des FC Bayern als prägender Spieler zur Drittliga-Meisterschaft geführt. Und unter ihm setzte er im Kraichgau schon das ein oder andere Ausrufezeichen. Unter anderem half er als Joker beim 2:2 in Leverkusen, das Spiel nach 0:2-Rückstand zu drehen. Eine große Zukunft scheint ihm bevorzustehen. Auch ohne das Bayern-Wappen auf der Brust.
Alexis Tibidi (18/Stürmer/Frankreich/VfB Stuttgart): Für die U19-Bundesliga war dieser Franzose eigentlich zu gut, das war allen in Stuttgart schnell klar. Dabei war er im Sommer aus Toulouse für genau diese Mannschaft geholt worden. Doch nach neun Torbeteiligungen in neun Spielen, darunter drei bei einem 4:1 gegen den FC Bayern, rückte er im November zu den Profis hoch. Und wurde in den letzten fünf Spielen viermal eingewechselt. Übrigens: Sein Vater Alexis Tibidi war Nationalspieler Kameruns. Und hat ihm einen durchaus klangvollen zweiten Vornamen gegeben: Ronaldo!
Zidan Sertdemir (16/zentrales Mittelfeld/Dänemark/Bayer Leverkusen) und Iker Bravo (16/Stürmer/Spanien/Bayer Leverkusen): Am 7. November passierte in Berlin etwas Ungewöhnliches: Bayer Leverkusen hatte große Verletzungssorgen und Trainer Gerardo Seoane hatte zwei 16-Jährige in den Kader genommen. Beides zweifellos riesige Talente, die Bayer im Sommer als Perspektivspieler unter Vertrag nahm. Bravo ablösefrei vom FC Barcelona, Sertdemir für stolze 2,5 Millionen vom FC Nordsjaelland. Als Bayer bei der Hertha mit 0:1 zurücklag, schien es unwahrscheinlich, dass einer der beiden ins Spiel kommen würde. Doch Seoane wechselte in der 79. Minute erst Bravo und sieben Minuten später dann Sertdemir ein. Und prompt schaffte Leverkusen – mit beiden Teenagern auf dem Platz – in der 90. Minute den Ausgleich. In der Rangliste der jüngsten Bundesliga-Spieler, die es je gab, belegen beide nun hinter Dortmunds Youssoufa Moukoko – den wir einerseits wegen Überhypung und andererseits vieler Verletzungen hier nicht reinnahmen – die Plätze zwei und drei. Sertdemir wurde noch ein zweites Mal eingewechselt, Bravo noch nicht. Doch ihre Zeit wird kommen. Und das wohl ziemlich bald. Vielleicht schon 2022.