Ursprünglich inspiriert von einem Spionagesatelliten ist das Hubble-Weltraumteleskop nun über 30 Jahre im Dienst und lieferte unzählige fantastische Aufnahmen. Was macht das Observatorium mit dem seltsamen Namen so besonders?
Wozu schießt man ein Teleskop eigentlich in den Weltraum, anstatt es solide am Boden aufzustellen? Ist das nicht wesentlich umständlicher? Tatsächlich ist es das. Teleskope auf der Erde haben allerdings zwei wesentliche Einschränkungen: Die Moleküle der Atmosphäre streuen das Licht und lenken es durch ihre Bewegungen ab. An heißen Tagen sehen wir dies sogar mit bloßem Auge beispielsweise über Asphalt als Flirren in der Luft. Selbst große Teleskope auf Bergspitzen bringen hier keine Fortschritte mehr, die Störungen sind selbst bei Kälte noch zu groß. Viele Bereiche des elektromagnetischen Spektrums werden durch die Atmosphäre komplett ausgefiltert, ob Ultraviolett, Röntgen oder auch fernes Infrarot. Das sichtbare Licht wird wiederum im All oft von Nebeln, Sternwolken und der dunklen Materie blockiert. Im Infrarot-Bereich kann man wesentlich weiter sehen, sogar zurück bis in die Entstehungszeit des Universums.
Fast alle der farbenprächtigen, sensationellen Aufnahmen ferner Galaxien, die in den letzten 30 Jahren veröffentlicht wurden, sind mit Hubble aufgenommen. Selbst naturgemäß nicht direkt beobachtbare Dinge wie die sogenannte dunkle Materie oder schwarze Löcher konnten anhand ihrer Auswirkungen nachgewiesen werden. Hubble wurde ein großer Erfolg, auch wenn es zunächst nicht danach aussah. Das gesamte Teleskop muss extrem präzise ausgerichtet werden. Würde sich Hubble in München befinden, so könnte es eine Zehn-Cent-Münze über dem fast 600 Kilometer entfernten Berlin beobachten.
Nasa und ESA haben das nach dem Astronomen Edwin Hubble benannte Weltraumteleskop gemeinsam entwickelt. Sein Spiegeldurchmesser beträgt 2,4 Meter. Das Teleskop flog am 24. April 1990 mit der Space-Shuttle-Mission STS-31 ins All und wurde am nächsten Tag in über 600 Kilometern Höhe aus dem Frachtraum der Discovery ausgesetzt. Doch war die Enttäuschung groß: „Hubble" lieferte nur unscharfe Bilder. Als Ursache stellte sich heraus, dass ein Gerät, das die Produktion des Teleskopspiegels überwachen sollte, selbst nicht richtig eingestellt war, und so der Spiegel systematisch „verkorrigiert" worden war.
„Korrekturbrille" Costar
Der Fehler wurde jedoch nach drei Jahren mit einem zusätzlichen „Korrekturgerät" (Costar – Corrective Optics Space Telescope Axial Replacement) und später in den verbauten Messgeräten ausgeglichen. Costar wurde dabei in nur 26 Monaten entwickelt, großenteils in zwei getrennten, parallel arbeitenden Teams, um zu vermeiden, dass es noch einmal zu einem unbemerkten Fehler kommt.
Hier zeigt sich eine Besonderheit des Konzepts von Hubble: Es war von Anfang an auf die Möglichkeit von Wartung und Reparatur vor Ort im All ausgelegt. Normalerweise sind Satelliten bei Problemen nicht mehr zu gebrauchen, so wie beim glücklosen TV-Sat 1, dessen Solarzellenflügel sich nicht entfalteten. Allerdings waren für die Servicemissionen 1993, 1997, 1999, 2002 und 2009 weitere Space-Shuttle-Flüge erforderlich. Seit dem Ende der Space-Shuttle-Flüge können Ausfälle nur noch per Fernsteuerung mit Reserve-Systemen an Bord behoben werden.
Der lange Weg zu Hubble
Die Idee militärischer Überwachung oder gar Attacken durch Satelliten, die höher fliegen und daher nicht so leicht abzuschießen wären wie Flugzeuge, führte 1957 mit dem ersten erfolgreich gestarteten Satelliten der UdSSR zum „Sputnik-Schock": Man befürchtete, dass die „Sputniks" sehr bald nicht nur unschuldig piepend die Erde umkreisen würden. Doch auch wissenschaftliche Nutzung war früh geplant: Das erste tiefergehende Konzept eines Satelliten mit einem wissenschaftlichen Teleskop wurde bereits 1946 von Lyman Spitzer präsentiert, Professor an der Yale University.
Später regte die National Academy of Sciences an, dass Spitzer als Leiter eines Komitees ein solches Teleskop konzipieren solle. 1966 fand ein erstes Treffen statt, 1969 stand das Konzept. Der Bau des Teleskops wurde der Nasa übergeben. Diese hatte bereits eigene Konzepte für solche Teleskope entwickelt und ab 1966 waren erste astronomische Ultraviolett-Teleskope mit Spiegeln von 30 Zentimeter bis ein Meter gestartet. Erst die Space Shuttles würden es jedoch möglich machen, Teleskope mit Spiegeln über zwei Meter Durchmesser ins All zu bringen.
Parallel hatte das US-Militär ab 1960 Spionage-Satelliten ausgesetzt, zunächst ausgestattet mit Filmkameras. Der ab 1976 bis 1988 gebaute Typ KH-11 konnte dann als erster Satellit die Bilder elektronisch über Funk übermitteln. Obwohl dieser ja die Erde beobachtete und nicht den Weltraum, diente sein Spiegel als Vorlage für das optische System von Hubble.
1977 wurde das Projekt vom US-Senat bewilligt. Der Start war für 1983 geplant, doch erst 1985 war das Teleskop fertig. Der neue Starttermin im Oktober 1986 wurde wegen des Challenger-Unglücks Anfang 1986 abgesagt. Es dauerte noch vier Jahre, bis die Space Shuttles sicher nachgebessert und die Rückstände aufgeholt waren.
Schutz und Energieversorgung
Am vorderen Ende von Hubble ist eine Klappe montiert, mit der bei Bedarf die Öffnung geschlossen werden kann, um die Instrumente vor zu starker, direkter Sonneneinstrahlung zu schützen. Sollte die Sonne weniger als 20° von der Ausrichtungsachse des Teleskops entfernt sein, schließt die Klappe automatisch innerhalb von weniger als 60 Sekunden.
Die Energieversorgung erfolgt mit Solarzellen. Die ursprünglichen Silizium-Zellen mit minimal 4550 W Leistung verformten sich durch die starken thermischen Wechsel von -100°C auf +100°C und zurück beim Erdumlauf jedoch so sehr, dass sie das ganze Teleskop vibrieren ließen und so die Qualität der Aufnahmen beeinträchtigten. Bei der ersten Servicemission im Dezember 1993 wurden sie deshalb ausgetauscht, und noch einmal bei der Servicemission 3B im März 2002 gegen mittlerweile verfügbare effizientere Gallium-Arsenid-Solarzellen. Diese waren ein Drittel kleiner, was die Lebensdauer des Teleskops durch den geringeren Luftwiderstand erhöht.
Hubbles Nachfolger
Das „James-Webb-Weltraumteleskop", der Nachfolger von Hubble, startete noch 2021. Es ist jedoch ganz anders konzipiert: Statt in einer Umlaufbahn etwa 600 Kilometer über der Erdoberfläche wird es etwa 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt jenseits der Mondumlaufbahn auf der sonnenabgewandten Seite am sogenannten Lagrange-Punkt L2 des Erde-Sonne-Systems „aufgehängt", wo ein Schwerkraft-Gleichgewicht herrscht.
Damit entfallen die Probleme durch den Erdumlauf mit Wechsel von Sonne und Schatten, und das Teleskop ist sicherer vor Weltraumschrott, doch ist der Transport zum Standort wesentlich aufwendiger und eine Wartung durch Astronauten nicht mehr möglich. Zudem sind regelmäßige Bahnkorrekturen notwendig, die die Nutzung auf etwa zehn Jahre einschränken, bis der dafür notwendige Treibstoff verbraucht ist.
James Webb wird nur im Infrarot-Bereich arbeiten. Deshalb wird es hier leistungsfähiger als Hubble sein, kann wesentlich weiter in die Weite und Vergangenheit des Universums blicken, Hubble aber nicht bei allen Aufgaben ersetzen. Das „Nancy Grace Roman Space Telescope" soll den optischen Bereich abdecken. Es erreicht eine ähnliche Auflösung wie Hubble, hat aber ein 100-mal größeres Sichtfeld. Auch dieses Teleskop wird nicht in einer Erdumlaufbahn, sondern am Lagrange-Punkt L2 stationiert und frühestens 2026 in Betrieb gehen. Für die ultravioletten Bereiche gibt es bislang nur ein Konzept, ein Weltraumteleskop mit einem acht bis 16 Meter großen Spiegel und Kameras für den sichtbaren und ultravioletten Spektralbereich. Auch dieses Teleskop würde am Lagrange-Punkt L2 stationiert.
Es bleibt also spannend zu erfahren, welche Einblicke uns Hubble und James Webb noch in die Tiefen des Universums geben werden.