Bei der 50. Auflage der Königin aller Motorsport-Rallyes errang Walter Röhrl am 22. Januar 1982 seinen zweiten Sieg. Dabei war die 1911 begründete Rallye Monte Carlo jahrzehntelang nicht als Speedrennen, sondern vornehmlich als automobile Verlässlichkeitsprüfung ausgelegt gewesen.
Dass sich ein gewisser Nelson Piquet 1981 die Weltmeisterschaft in der Formel 1 gesichert hatte und im Folgejahr als Champion von Keke Rosberg abgelöst wurde, interessierte Anfang der 1980er-Jahre in deutschen Landen kaum jemanden. Die Formel 1 war damals hierzulande noch kaum populär. Ganz anders sah es da mit der Rallye Monte Carlo aus. Spätestens seit dem Überraschungscoup des gebürtigen Regensburgers Walter Röhrl im Jahr 1980 fieberten die Bundesbürger beim Renngeschehen rund um Monte-Carlo vor den heimischen Bildschirmen mit. Röhrl hatte seinen ersten Sieg bei der Monte vor keinem Geringeren als der Legende Hannu Mikkola, dem „fliegenden Finnen", gewonnen. Und das in einem Fiat 131 Abarth, einem kantigen, weiß-blau-lackierten Gefährt, das optisch kaum etwas mit einem echten Rennwagen gemein hatte, sondern eher an eine aufgemotzte Familienkutsche erinnerte.
1980 errang Röhrl zudem den Titel des Rallye-Fahrerweltmeisters. Entsprechend groß war die Enttäuschung, als Röhrl, der wegen seines Gardemaßes von 1,97 Meter den Spitznamen „der Lange" verpasst bekommen hatte, im Jahr 1981 bei der Rallye Monte Carlo nicht an den Start gehen konnte. Grund dafür war, dass Mercedes ursprünglich mit einem 500 SL-Roadster samt Turbolader in den Rallye-Sport einsteigen wollte und entsprechend mit Röhrl einen Fünfjahresvertrag abgeschlossen hatte. Doch wenige Wochen vor dem Event hatte Mercedes einen Rückzieher gemacht. Zwar konnte sich Röhrl mit einer stattlichen Abfindungssumme von 900.000 Mark trösten, aber ohne Auto war eine Teilnahme an seinem Lieblingsrennen unmöglich.
Bei der Rallye Monte Carlo hatte Röhrl 1973 in seinem ersten Profijahr sein Debüt gegeben – mit einem kaum konkurrenzfähigen Opel Commodore. Auftakt war damals im fernen Oslo, weil man seinerzeit noch immer die historische Tradition der Sternfahrt-Anreise zum eigentlichen Spektakel in Monte-Carlo pflegte. Einen Sieg bei der Rallye Monte Carlo hatte Röhrl stets als seinen eigentlichen Lebenstraum bezeichnet. „Monte-Carlo habe ich als das empfunden, was den besten Fahrer zeigt", sagte Röhrl. „Der muss auf Asphalt schnell sein, der muss auf Schnee schnell sein."
Vier Siege mit vier Autos
Bei seinem zweiten Monte-Start drei Jahre später war ihm dann schon schier Unglaubliches gelungen, nämlich ein fehlerloses Rennen nahe an der Perfektion. Mit seinem technisch den damals speziell für die Monte konzipierten Lancia Stratos haushoch unterlegenen Opel Kadett Coupé konnte er die Favoriten dennoch tatsächlich unter gehörigen Druck setzen. Obwohl der Kadett gerade mal über 170 PS verfügte – im Vergleich zu 300 PS aus einem Ferrari-V6-Motor bei den drei Lancia-Boliden – landete Röhrl dank der wohl besten Monte- und Rallye-Performance seiner Laufbahn im Endklassement auf dem vierten Platz. Nur wenige Minuten trennten ihn am Ende von Sieg und Treppchen. Selbst der ärgste Konkurrent und italienische Triumphator Sandro Munari, dem der schwedische Teamkollege Björn Waldegård per Stallorder den Vortritt lassen musste, gratulierte Röhrl damals zu seinem Husarenritt: „Der heimliche Sieger ist Röhrl." Röhrl selbst wollte da natürlich nicht widersprechen. Er sei damals „gefahren wie ein Bekloppter", doch „gegen die Stratos saßen wir in einem Kinderwagen".
Nachdem Röhrl mit seinem Beifahrer Christian Geistdörfer 1978 als Werksfahrer von Opel zu Fiat gewechselt war, gelang ihm nach Ausfällen in den Jahren 1977 und 1979 sowie einem weiteren vierten Platz 1979 im Jahr 1980 endlich der ersehnte Triumph bei der Monte mit einem als Nachfolger des Lancia Stratos entwickelten Fiat 131 Abarth. Bei seinem zweiten Monte-Sieg 1982 war der wieder zu Opel zurückgekehrte Röhrl mit dem Wettergott im Bunde. Sein biederer, heckgetriebener Opel Ascona hätte gegen die vierradgetriebenen Audis eigentlich nicht den Hauch einer Chance gehabt, wenn es wie üblich auf der Strecke Schnee gegeben hätte. Doch auf trockenen Straßen konnte Röhrl seine Konkurrenten Hannu Mikkola in einem Audi Quattro und den Franzosen Jean-Luc Thérier in einem Porsche 911 hinter sich lassen.
Im gleichen Jahr errang er auch seinen zweiten Rallye-Weltmeisterschaftstitel in einem zum Kampf der Geschlechter hochstilisierten Wettstreit gegen die schnellste Frau der Welt, die Französin Michèle Mouton in einem Audi Quattro. Auch 1983 konnte Röhrl die Ingolstädter wieder erfolgreich nerven und auf einem heckgetriebenen, voll auf Leichtbauweise ausgerichteten Lancia 037 seinen dritten Monte-Sieg einfahren. Es sollte der letzte Erfolg eines heckgetriebenen Autos in Monte-Carlo werden. Seinen vierten Monte-Triumph bei insgesamt 13 Teilnahmen fuhr Röhrl dann 1984 in einem Audi Quattro ein.
Vier Siege bei der Königin des Rallye-Sports mit vier grundverschiedenen Autos – das hatte vor Röhrl noch niemand geschafft. Formel-1-Legende Niki Lauda bezeichnete Röhrl denn auch als „Genie auf Rädern". Renommierte Motorsport-Experten kürten ihn, der in seiner Karriere insgesamt 14 Siege bei Rallye-WM-Läufen erzielen konnte, zum „besten Rallye-Fahrer aller Zeiten". Erst in den vergangenen Jahren konnte der Franzose Sébastien Ogier in Röhrls große Fußstapfen treten, weil er seine acht Monte-Erfolge zwischen 2009 und 2021 sogar für fünf unterschiedliche Marken einfahren konnte.
Um den fünften Titel betrogen
Röhrl, der im März dieses Jahres seinen 75. Geburtstag feiern wird und seit Jahren schon als Porsche-Markenbotschafter tätig ist, hätte 1987 eigentlich auch noch seinen fünften Monte-Titel gewinnen müssen. Zwar belegte er mit einem seriennahen Audi 200 Quattro im Endklassement nur den dritten Platz. Aber die vor ihm liegenden Lancia Deltas hätten eigentlich wegen diverser Regelverstöße und entsprechender Proteste anderer Teams disqualifiziert werden müssen. „Ich war sicher, das wird mein fünfter Monte-Sieg", sagte Röhrl direkt nach der Schlussetappe. Eigentlich und hätte. Doch da in der zuständigen Kommission sechs Italiener einem Franzosen gegenüber gesessen hatten, wurde die Disqualifikation der Lancia Deltas mit 6:1-Stimmen abgeschmettert.
Röhrls Glanzzeit in den 1980er-Jahren fiel zusammen mit der von den Audis ausgelösten Allrad-Innovation und der Motorenleistungsexplosion im Rallye-Sport. Plötzlich erlaubte das Reglement ungeheuerliche und unlimitierte Antriebsleistungen bis zu 550 PS. „Wir sind da mit echten Höllenmaschinen durch die Wälder gefahren. Es war wie der Flug zum Mond", sagte Röhrls Beifahrer Christian Geistdörfer im Rückblick. Leider konnten nur wenige Fahrer diese Boliden noch beherrschen. Nach verheerenden Unfällen mit Todesfolgen war die zügellose Zeit dann 1986 vorbei. Fortan waren nur noch deutlich schwerere und leistungsschwächere Autos zugelassen. Für Röhrl hatte der Rallye-Sport dadurch seinen Reiz verloren: „Das kann jeder, da braucht man mich nicht dafür", lautete sein damaliger Abschiedsgruß vom Renngeschehen. Mit den heutigen Vollgas-Veranstaltungen kann er schon gar nichts mehr anfangen: „Rallye war mal eine Prüfung von Mensch und Material auf Schnelligkeit, Zuverlässigkeit, auch auf Cleverness. Aber solche komplizierten Sachen stören heute wohl nur die Show."
Ursprünglich war die glorreiche Rallye Monte Carlo 1911 als touristisches Marketing-Instrument geboren worden. Ziel war, reiche Zocker in den Wintermonaten ins leere Casino zu locken und sich im Wettstreit mit dem konkurrierenden und von der Hautevolee seinerzeit bevorzugten Nizza einen Vorteil zu verschaffen. Betuchte Automobilfahrer waren eingeladen, von weit her Sternfahrten in heute gänzlich unbekannten Marken wie Martini, Gobron, Dürkopp, Turcat-Méry oder Motobloc an die Côte d’Azur zu unternehmen, um dort Preise für gefahrene Kilometer, Komfort der Gefährte oder Zustand der Karosserie entgegennehmen zu können. Die Höchstgeschwindigkeit spielte nur eine untergeordnete Rolle.
90. Auflage in diesem Jahr
Erst ab Mitte der 1950er-Jahre, als schwere Prüfungen wie die Überquerung des legendären Col de Turini, dem meist tief verschneiten Pass in den französischen Seealpen im Hinterland der Côte d’Azur ins Programm aufgenommen und schnell zu einem die Zuschauermassen anlockenden Mythos der „Nacht der langen Messer" werden sollten, waren Amateurfahrer zunehmend überfordert. Nur noch die in diversen Werksteams angestellten Profis konnten ab den 1960er-Jahren fahrerische Anforderungen wie das berühmte Chartreuse-Gebirge zwischen Grenoble und Chambery bewältigen. Um Chancengleichheit zwischen kleinen und großen Autos herzustellen, waren lange Zeit verschiedenste Koeffizienten eingebaut gewesen, sodass theoretisch eine Ente oder ein Mini Cooper auch einen PS-starken Mercedes schlagen konnte.
Damit war allerdings 1968 Schluss, fortan sollte einfach der Schnellste gewinnen. Es kam die Zeit der Porsche, Alpine-Renault und Lancia Stratos, die nur noch von einer neuen Kaste von Autofahrern, den Rallye-Profis, gefahrlos gesteuert werden konnten. Vor dem Duo Röhrl/Geistdörfer konnte sich übrigens das Team Walter Schock und Beifahrer Rolf Moll 1960 als erstes deutsches Team in die Siegerliste der Rallye Monte Carlo einschreiben, die übrigens Ende Januar dieses Jahres ihre 90. Auflage feiert.